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12-Stunden-Tag wird kommen

Von Werner Reisinger

Politik

Arbeitszeitflexibilisierung, Bürokratieabbau - ÖVP und FPÖ ziehen Wahlkampfforderungen durch.


Wien. Wer ÖVP-Chef Sebastian Kurz und seinem wohl künftigen Vize, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, am Mittwochnachmittag zuhörte, fühlte sich unweigerlich an den vergangenen Wahlkampf erinnert. Die beiden Chefverhandler präsentierten den Journalisten ihre Ergebnisse aus dem Bereich Wirtschaft, Deregulierung und Bürokratieabbau - und diese gehen kaum über die vor allem aus dem ÖVP-Wahlprogramm bekannten Forderungen hinaus.

Mit drei allgemein gehaltenen Vorhaben wollen Kurz und Strache die heimische Wirtschaft stärken. Da wäre erstens die unter Rot und Schwarz zwar reichlich diskutierte, aber dann doch nicht beschlossene Arbeitszeitflexibilisierung. Kurz will dies nun nachholen und kündigte die Anhebung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 12 und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden an. Kurz sagte wörtlich, er wolle aber dennoch "sicherstellen, dass die gesetzliche wöchentliche Arbeitszeit aufrecht bleibt" und auch die Überstunden weiter abgegolten werden. Wie das aber im Detail funktionieren soll, ließ der ÖVP-Chef abermals offen. Rechnet er mit Widerstand bei den Gewerkschaften?

Man habe nicht vor, in die Kollektivverträge einzugreifen, versuchte Kurz zu beruhigen, zudem sei man in "gutem Austausch" mit den Sozialpartnern. Aber: "Wenn diese Regierung zustande kommt, dann kann ich garantieren, dass wir auch Beschlüsse fassen", sagte Kurz in Anspielung an das Scheitern der großen Koalition bei der Arbeitszeitflexibilisierung.

Strache: "Rückenwind nutzen"

Er wolle sowohl Arbeitnehmern als auch Unternehmern das Leben leichter machen, betonte Kurz.

Auch die Ansage von Kurz, in Österreich würden sechs von zehn Euro im Export erwirtschaftet, ist aus Wahlkampfzeiten bekannt. Ebenso wie die Forderung, den Auftritt Österreichs im Ausland unter einer Dachmarke zusammenzuführen, die Kurz nun umsetzen will. Unternehmensgründungen erleichtern will Kurz mit einer Maßnahme, die ursprünglich als Forderung der Neos laut wurde: die GmbH "light". Kurz will nun das Mindeststammkapital der beliebten Unternehmensform verringern, um so den Anreiz für potenzielle Unternehmer zu erhöhen.

Österreich sei in vielen Bereichen von der Spitze ins Mittelfeld abgerutscht, wiederholte auch FPÖ-Chef Strache seine Befunde aus dem Wahlkampf - nur um gleich darauf festzustellen, dass man den "Rückenwind nutzen" müsse, wenn "die Wirtschaft anzieht". Die eigentlich aus der Plan-A-Rede von SPÖ-Chef und Noch-Kanzler Christian Kern bekannten Beispiele unsinniger Vorschriften aus dem Arbeitsgesetz (Reinigungskräfte, die unterschreiben müssten, dass sie kein Putzmittel trinken dürfen, und Ähnliches) führte diesmal Strache, nicht Kurz, ins Treffen.

Vorschriften für Unternehmen, aber auch bestehende EU-Vorgaben seine daher zu "durchforsten", so Strache. Zudem kündigte er eine Reform des Verwaltungsstrafrechts an. Der Fachkräftemangel soll durch eine entsprechende Initiative nach internationalem Vorbild bekämpft werden, wobei eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Card zwar auch mehr ausländische Fachkräfte ins Land holen soll, die mögliche neue schwarz-blaue Regierung aber verstärkt auf Fachausbildung im eigenen Land setzen werde. Auch das ist Lesern der Wahlprogramme von ÖVP und FPÖ bekannt, auch hier blieb es am Mittwoch bei "Überschriften", wie Strache selbst zugab, die man "mit Leben erfüllen wollen und werde".

Vermittlerrolle bei Russland

Interessant die Antworten der beiden Parteichefs und Chefverhandler zum Thema Russlandsanktionen. Die deutliche Nähe des möglichen künftigen Juniorpartners von Sebastian Kurz zum Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin könnte in dieser Frage spätestens mit der österreichischen Übernahme des EU-Ratsvorsitzes Mitte 2018 relevant werden. Die FPÖ hat mit Putins Partei "Einiges Russland" nicht nur ein Arbeitsübereinkommen unterzeichnet, sondern setzte sich auch im Wahlkampf recht unmissverständlich für die sofortige Abschaffung der EU-Sanktionen gegen Russland ein. Wie wichtig ist Strache, in der heiklen Russland-Frage schon jetzt eine gemeinsame Linie festzulegen? "Ziel ist es nach wie vor, dass diese Sanktionen irgendwann Geschichte sein werden", antwortete Strache ausweichend, man werde weiter mit "allen Beteiligten den Kontakt suchen, wenn das gewünscht ist". Er wolle mithelfen, die "Spannungen abzubauen", und, sobald es Fortschritte gebe, auch die Sanktionen schrittweise reduzieren. Nationalen Alleingang aber werde es keinen geben, betonten beide Parteichefs ihre "sehr ähnliche Zielsetzung".

Wann es bei den Koalitionsverhandlungen Fortschritte bei den heiklen Punkten Rauchverbot und direkte Demokratie geben wird, ließen Kurz und Strache am Mittwoch nicht durchblicken. Ein prominenter Schwarzer, Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter in Brüssel, positionierte sich am Mittwoch jedoch eindeutig kritisch: "Wer verwendet die Instrumente der direkten Demokratie derzeit? Brexit, Katalonien, Ungarn, Erdogan", sagte Karas bei einer Pressekonferenz zu seiner nun vorliegenden Dissertation zur direkten Demokratie.