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Dichtes Programm

Von Martina Madner

Politik

Auch bei der Wahl in Niederösterreich gibt es - kaum bekannte - Inhalte.


Wien/St.Pölten. Es sind keine zwei Wochen mehr bis zur Landtagswahl in Niederösterreich am 28. Jänner. Erst jetzt präsentiert der SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl sein Programm. "Eine Vision für das Land", wie er bei der Pressekonferenz dazu sagte. Ein Programm, das OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayr als "Kopie der Bundesstrategie" bezeichnet - und das trotzdem die absolut richtige Strategie sei. Denn auf die Frage, welche Rolle Inhalte in diesem Landtagswahlkampf in Niederösterreich spielen, gibt Bachmayr eine eindeutige Antwort: "Absolut keine. Es ist ein Stimmungswahlkampf."

Auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner setzt als ÖVP-Spitzenkandidatin auf ihren Plakaten auf ein einfaches "Wir" als komplette Botschaft. Für Eva Zeglovits, Meinungsforscherin beim Institut Ifes, ist das absolut richtig: "‚Wir‘ ist gut. Damit kann man sich identifizieren, das ist eine positive Nachricht - und zugleich schwingen auch die anderen, gegen die man steht, mit - ohne aber zu hetzen."

Da aber fünf der sieben wahlwerbenden Parteien - ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, Neos, die Christen und die FPÖ-Abspaltung "Wir für Niederösterreich" treten an - die nächsten fünf Jahre in der Regierung oder als Opposition realistischerweise nicht ohne Inhalte auskommen werden, ist es Zeit, sich diesen zu widmen. Denn, so Zeglovits: "Inhalte geben eine Richtung vor, wohin eine Partei das Land führen will."

Das programmatische "Haus im Haus" der ÖVP

Aus dem symbolischen, aber inhaltslosen "Wir" wird im Haus 21, der Zentrale der Partei, ein ganzes programmatisches Haus mit Installationen der Künstlerin Katharina Herzog, inklusive virtuellem Rundgang durch die Themen auf der Homepage. 30.000 Euro kostete das und zahlreiche kostenlose Arbeitsstunden der Jungen ÖVP. Dazu käme noch die Arbeit der Künstlerin, "vermutlich keine 5000 Euro", so das Pressebüro.

Eine Bulldogge sitzt neben dem Eingang. Sie steht für "Sicheres NÖ". Per Mausklick oder Barcode im "realen" Haus geht es zum Inhalt: "Österreich ist das viertsicherste Land der Welt, und wir leben in NÖ, das sich vom drittsichersten zum zweitsichersten Bundesland entwickelt hat", heißt es da. "Gesunde Lebensmittel" und "Chancen für den ländlichen Raum" sind ebenfalls vor der Haustüre zu finden. Um aber zu den vier Kernthemen - Arbeit und Wirtschaft, Familien, Mobilität sowie Gesundheit und Pflege - Näheres zu erfahren, brauchen Interessierte Zeit. Immerhin erfährt man von einem Arbeitsmarktpaket, für das innerhalb von drei Jahren rund 1,3 Milliarden Euro bereit stehen sollen.

Die Positionen der anderen Parteien oder die Bundespolitik spielen keine Rolle. "Es ist ein Antiwahlkampf, ein Animieren zum Wahlgang", sagt Bachmayr dazu. "Langweilig und altbacken vielleicht, aber politisch treffsicher." Schließlich gebe es keine Bundespolitik als "Feind". Außerdem könne die ÖVP angesichts der geringen Erwartungshaltung schon kleine Verluste als Sieg feiern.

Die neue SPÖ: Scherz oder ernsthafter Konterpart

Franz Schnabl spricht von zehn SPÖ-Leitprojekten für das Land. Diese reichen von der Gesundheit (er will unter anderem zusätzliche Gemeindeärzte installieren) über Kindergärten, die auch am Nachmittag kostenfrei geöffnet haben sollen, bis hin zum Fortführen der "Aktion 20.000" in Niederösterreich. Hier fehlt auch nicht der Hinweis: "Gestoppt von der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung!" Die Initiative brauche es dringend (erneutes Rufzeichen), um Arbeit für Menschen ab 50 Jahren zu schaffen (wieder ein Rufzeichen). Wenig überraschend ist hier die Bundespolitik der Reibebaum. "Die SPÖ ist an einem Rollenwechsel interessiert, man muss sich als Opposition beweisen", sagt dazu Zeglovits.

Auf Schnabls Plakaten fehlten solche Inhalte noch weitgehend. Zum Slogan, eine zweite Meinung schade nie, ist zum Beispiel ein Motorradfahrer mit verkehrt aufgesetztem Helm zu sehen. Trotzdem sei das die richtige Strategie, meint Bachmayr: "Es geht um ein neues Gesicht und darum, eine neue Partei zu zeigen. Die Plakate waren aufmerksamkeitsstark, witzig." Wobei: Nimmt man dem Ex-Polizeigeneral Schnabl den witzigen Typen ab? Und: Fordert die Farbsprache - SPÖ-Rot zu den Landesfarben Blau-Gelb - zu viel Denksport von den Wählern? Man wird sehen. Bachmayr geht von einem Plus für die SPÖ aus.

Sicherheit als Dauerbrenner der Freiheitlichen

Gesundheit, Sicherheit und Wohnen seien die Kernthemen der FPÖ in Niederösterreich, "und zwar gleichwertig", heißt es aus der Wahlkampfzentrale. Tatsächlich nimmt im 18-seitigen blauen Wahlprogramm die Gesundheit eine Seite mehr ein als die Sicherheit. Wobei Sicherheit an erster Stelle gereiht ist. Und in gewohnter FPÖ-Diktion ist von "ungezügelter Massenzuwanderung" die Rede. Und im Widerspruch zu ÖVP und Kriminalstatistik heißt es: "Niederösterreich ist neben Wien unangefochtener Spitzenreiter in punkto Kriminalität." Eine bekannte Strategie, so Zeglovits. "Da weiß man, wofür sie stehen."

Der Bund als Konterpart, ebenfalls eine bewährte FPÖ-Strategie, fehlt dem Spitzenkandidaten Udo Landbauer diesmal. Dafür rühmt er erste Maßnahmen von Türkis-Blau: "Wir Freiheitlichen geben dem Militärrealgymnasium eine sichere Zukunft." Der Zeitpunkt dürfte kein zufälliger sein. Dafür, dass die Wählerschaft die soziale Komponente bei den Freiheitlichen vermisse, sei es möglicherweise noch zu früh, so Bachmayer. Er erwartet "satte Zugewinne" für die FPÖ.

Klimaschutz und Weiterbestehen der Grünen

Die Grünen mit Spitzenkandidatin Helga Krismer setzen auf zwei Themen: Kontrolle und Transparenz einerseits sowie Umweltschutz, Schutz der Böden und - damit verwandt - mehr öffentlichen Verkehr andererseits. Sie verlangen - wie übrigens auch die SPÖ - ein nur 365-Euro-Jahresticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel in Niederösterreich. Die Grünen seien die einzige Kontrollpartei, die der allein regierenden ÖVP in Niederösterreich die Stirn biete, sagen sie. Wobei man sich die Themen erst im 23 Seiten starken Wahlprogramm zusammensuchen muss. "Liest überhaupt noch jemand Programme?", meint ein Sprecher dazu. Egal, sagt Zeglovits, denn: "Ein ungeschriebenes Thema schwingt bei potenziellen Grünwählern ohnehin mit: Sie sollen nicht aus dem Landtag fallen. Das brauchen sie nicht zu plakatieren."

Bekannte Werte bei den Neos

Die Neos treten in Niederösterreich zum ersten Mal mit Spitzenkandidatin Indra Collini und bekannten Positionen der Bundespartei an: "Kontrolle rein - Packelei und Willkür raus", weniger Schulden machen, weniger politischer Rahmen, dazu mehr Freiheiten. "Niederösterreich ist ein schönes Land. Machen wir es zu einem freien Land", sagt Collini, "frei von Schulden, frei von Packelei, frei von bürokratischen Hürden." Bundesparteichef Matthias Strolz leistet Schützenhilfe mit Pressekonferenzen. Eine Strategie, mit der die Neos den Einzug in den Landtag schaffen wollen.

Den Wahlhelfer der "Wiener Zeitung" zur Landtagswahl finden Sie unter: http://wahlhelfer.wienerzeitung.at

Niederösterreich wählt: Der Online-Wahlhelfer der "Wiener Zeitung" stellt den Landesparteien 20 Fragen.