Zum Hauptinhalt springen

"Musterlehrling" zu Unrecht beschuldigt

Von Jan Michael Marchart

Politik

Die Staatsanwaltschaft bestätigt die "Verwechslung". Trotz Blamage sieht die FPÖ die Schuld nicht bei sich.


Wien/Linz. Der von den Freiheitlichen und der "Kronen Zeitung" seit Tagen kriminalisierte junge Mann ist nicht der "Musterlehrling", der von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dem oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober (Grüne) öffentlichkeitswirksam besucht wurde. Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Donnerstag Recherchen der "Wiener Zeitung".

Dass der Verfassungsschutz gegen den "Musterlehrling" E. H. als mutmaßlichen Sympathisanten einer Miliz der Terrororganisation Hisbollah ermittelt, wie es die FPÖ Anfang dieser Woche behauptet haben, stimmt nicht. Er wurde zu Unrecht beschuldigt und an die Öffentlichkeit gezerrt. Das bestätigt die Staatsanwaltschaft und nimmt für diese Erkenntnis einen Vorbericht der Ermittler als Grundlage.

Die FPÖ versucht ihren politischen Bauchfleck damit zu relativieren, indem sie behauptet, die "richtige Person" angezeigt zu haben. Auf Anschobers Facebook-Seite sei E.HF. lediglich mit einem Terrorsympathisanten falsch verlinkt worden. Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, hat sich jene Person allerdings nachweislich selbst auf dem Foto markiert.

Aber was hat es überhaupt mit der Miliz "Liwa Fatemiyoun" auf sich, die die FPÖ dazu bewegte, den "Musterlehrling" anzuzeigen? Ist sie eine Terrororganisation? "Es gibt von ihr keine internationalen Terrorhandlungen", sagt Petra Ramsauer, Syrien-Expertin und Journalistin. "Die Miliz spielt nur in der syrischen Innenpolitik eine Rolle."

Falsche Hisbollah

Die Miliz kämpft an der Seite der Truppen von Baschar al-Assad, sie rekrutiert sich aus jungen Hazara, einer schiitischen afghanischen Volksgruppe. Laut Medienberichten werden aber vor allem Burschen, die von Afghanistan in den Iran geflüchtet sind, sich dort illegal aufhalten und daher von Ausbeutung bedroht oder gar betroffen sind, für den bewaffneten Kampf in Syrien angeworben - mit dem Versprechen, sich einen Aufenthaltstitel im Iran erwerben zu können. Und es gibt Geld. "Viele Flüchtlinge, die aus dem Iran zu uns gekommen sind, sind von der zwanghaften Rekrutierung der Miliz geflohen", sagt Ramsauer. "Daraus erklärt sich der starke Draht zur Fatemiyoun." Vielleicht auch, um zu eruieren, wie es Freunden geht, die sich noch in den Fängen der Miliz befinden.

Das Geld für diese Miliz, die auch als afghanische Hisbollah bezeichnet wird, dürfte aus dem Iran kommen. Mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah hat sie aber nichts zu tun. Sie wird in Anlehnung an die in den 80ern gegründete Miliz so genannt, "weil sie die erste war, die der Iran unterstützt, aber in einem anderen Land tätig ist." Im Syrien-Krieg kämpfen mehrere Milizen dieser Art.

Einen gemeinsamen Feind haben alle, Assad, "Liwa Fatemiyoun", der Iran und Hisbollah: die sunnitische Terrororganisation IS. Die Facebook-Seite, auf die sich die FPÖ bezieht, ist kein offizieller Account. Auf der Seite wird meist getöteten Kämpfern gedacht, sie werden als Märtyrer stilisiert.

Rund 12.000 Personen haben das Profil "geliked". Ob dies eine Sympathiebekundung ist und/oder eine Informationsquelle für Mitglieder der Hazara, die zu Tausenden in Syrien als Söldner kämpfen, lässt sich nicht beantworten. Das Profil, das die FPÖ angezeigt hatte, gehörte zwar einem jugendlichen Hazara, ist aber mittlerweile offline.

Kann es den Jugendlichen in Bedrängnis bringen, dass er diese Seite geliked hat? Der Rechtsanwalt Wolfgang Blaschitz, der sich als Vertreter der "Austro-Dschihadisten" einen Namen gemacht hat, glaubt das nicht. "Dafür wird bei der Staatsanwaltschaft nicht einmal ein Anfangsverdacht artikuliert werden." Eine Mitgliedschaft, etwa zu einer Terrororganisation, lasse sich nicht mit einem Like auf Facebook begründen.

Die FPÖ sahen auch am Donnerstag keine Fehler bei sich. Der Wiener FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus hatte die Anzeige beim Verfassungsschutz eingebracht, eine Verantwortung für die falschen Beschuldigungen gegen den "Musterlehrling" wies er von sich. "Ich finde das für ihn sehr bedauerlich", sagte Gudenus zur APA. Fehler habe man aber nicht gemacht: "Im Prinzip wurde nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt." Vielmehr sieht Gudenus die Verantwortung bei Anschober.

Anschober kritisiert Gudenus

Damit blieb die FPÖ bei ihrer Version vom Mittwoch, wonach sich der grüne Landesrat bei dem Flüchtling entschuldigen müsse. Auch FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sagte, Anschober habe den Lehrling selbst in Misskredit gebracht.

Anschober sieht dagegen einen "Wehrlosen öffentlich angeprangert". Gudenus habe "trotz vielfacher Appelle meinerseits verweigert, seine angeblichen Belege vorzulegen. Bei einer Offenlegung dieser sogenannten Belege wäre der Fehler sofort sichtbar geworden", sagte Anschober. Hätte Gudenus die Ermittlungen des Verfassungsschutzes abgewartet, bevor er an die Öffentlichkeit geht, wäre nichts passiert", sagte Anschober.