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Problemfall 24-Stunden-Betreuung

Von Martina Madner

Politik

Arbeiterkammer, Gewerkschaft und VKI vermissen Fairness, Transparenz und Qualitätssicherung.


Wien. Daniela-Ancuta Borz arbeitet als 24-Stunden-Betreuerin in Österreich. Das, was sie zu erzählen hat, zeigt einige Probleme der Branche auf. Die Rumänin musste zum Beispiel "mit dem Patienten in einem Zimmer schlafen". In einem anderen Betreuungsfall versorgte sie einen Patienten mit Darmkrebs der Pflegestufe sechs (von sieben) - eindeutig ein Pflege- und kein Betreuungsfall.

Eine Vermittlungsagentur zog Borz von ihrem 1200-Euro-Netto-Honorar 200 Euro ab. Eine andere bezahlte zwar 1400 Euro für den Monat Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit, zu betreuen waren aber anders als im Vertrag festgehalten nicht nur ein Alzheimer-Patient, sondern auch dessen Frau, die an Demenz erkrankt war. Für den Monat Pause erhalten 24-Stunden-Betreuerinnen im Übrigen kein Geld, da es an die Zweite im Team geht.

Borz sagt zwar, dass es dabei nur "um meine Geschichte geht. Ich repräsentiere nicht die Branche". Klar ist aber, dass es bei dieser neuen "Form der Gastarbeit keine gewerkschaftlich erkämpften Rechte, keinen Mindestlohn, keine Höchstarbeitszeiten" gibt, Franz Binderlehner, Mitglied im Vorstand von Vidaflex, der Beratungsinitiative für Ein-Personen-Unternehmen (EPU) der Gewerkschaft Vida, ausführt.

Schließlich handelt es sich bei den 24-Stunden-Betreuenden um Selbständige, mittlerweile sind es mehr als 62.000, die laut Binderlehner "in den Haushalten verschwinden, daher nicht sichtbar sind". Arbeiterkammer, die Gewerkschaft Vida und der Verein für Konsumenteninformation fordern "eine verpflichtende Qualitätssicherung und Koppelung der Förderung an diese", wie AK-Präsidentin Renate Anderl betont. Denn: Trotz Legalisierung vor nunmehr elf Jahren sind nach wie vor viele Probleme ungelöst.

  • 24-Stunden-Betreuung ist keine Pflege

Auch wenn sie wie Borz im Falle des Krebspatienten dafür eingesetzt werden und auf der Homepage des Sozialministeriums als "24-Stunden-Pflegekräfte" bezeichnet werden: Personenbetreuende sind keine Pflegekräfte.

Sie sind laut Gewerbeordnung und "Hausbetreuungsgesetz" dazu berechtigt, "betreuungsbedürftige Personen zu unterstützen", zum Beispiel, indem sie Mahlzeiten zubereiten oder die Wäsche versorgen. Im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ist darüber hinaus von "einzelnen pflegerischen Tätigkeiten an der betreuten Person im Einzelfall" die Rede, etwa der Unterstützung bei der Körperpflege - und zwar "nach Anleitung und Unterweisung" durch Fachkräfte.

  • Förderung ist nicht an Qualität gebunden

Für 24-Stunden-Betreuung gibt es eine Förderung von 550 Euro bei zwei Betreuungspersonen. Insgesamt gab es 2017 34.400 Förderfälle, die laut Beantwortung einer Anfrage der Neos durch das Sozialministerium in Summe 159 Millionen Euro erhielten - also 7,5 Prozent aller 457.000 Personen, die Pflegegeld bezogen. Weil nie wertangepasst, zeigt die Fördersumme, dass die 24-Stunden-Betreuung an Bedeutung gewinnt: 2010 waren es 58 Millionen Euro.

Pflegestufe drei und ein Nettoeinkommen von nicht mehr als 2500 Euro im Monat sind Fördervoraussetzung. Für die Betreuung reichen sechs Monate Erfahrung als Selbstständige laut Hausbetreuungsgesetz. Eine Heimhilfeausbildung wäre eine Alternative, zwingend ist sie aber nicht.

  • Verträge und Leistungen sind zu wenig transparent

Nur 1,8 Prozent der in der 24-Stunden-Betreuung Tätigen kommt aus Österreich, der überwiegende Anteil aus Osteuropa, insbesondere aus Rumänien und der Slowakei. Jene, die 24-Stunden-Betreuung für ihre Angehörigen suchen, finden sie deshalb häufig über eine der 612 Vermittlungsagenturen.

In den Verträgen zwischen Agenturen, Angehörigen und Personenbetreuenden sind laut Konsumentenschutz zwar Mindestangaben notwendig. Allerdings geht aus einer Prüfung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) hervor, dass häufig unklar bleibt, wie viel Geld man für die Betreuung und wie viel für Vermittlung und Organisation später bezahlt.

Besonders kritisch seien laut VKI-Expertin Ulrike Docekal sogenannte "Inkassovollmachten": Hier hebt die Agentur das Honorar für die 24-Stunden-Betreuung ein und gibt es weiter - nicht immer vollständig, in manchen Fällen ziehen die Agenturen auch nachträglich Gebühren ab.