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"Wir sind hier nicht im Kaunertal"

Von Thomas Seifert aus Beirut

Politik

Bundespräsident Alexander Van der Bellen verschafft sich bei seinem Besuch der Blauhelmsoldaten im Libanon ein Bild von der Lage im libanesisch-israelischen Grenzgebiet.


Beirut. Beim Presse-Briefing mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Camp der österreichischen Blauhelme im Südlibanon zieht ein heftiger Sturm auf: "Na da geht’s zu", sagt Van der Bellen, als der Regen so laut auf das Wellblechdach trommelt, dass man kaum noch ein Wort versteht. "Die Lage ist - anders als das Wetter - nach Auskunft meiner Gesprächspartner derzeit eher stabil - wobei man das Wort Stabilität im Libanon mit der gebotenen Vorsicht verwenden sollte. Aber wir sind hier eben nicht im Kaunertal (wo Van der Bellen aufgewachsen ist, Anm.) und auch nicht in Bad Vöslau, sondern im Libanon."

Zuletzt gab es Aufregung um mutmaßlich von der Hisbollah gegrabene Tunnels im Grenzgebiet zwischen dem Libanon und Israel. Das war auch Thema beim Gespräch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dem libanesischen Präsidenten Michel Aoun am Dienstag. Letzterer sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Präsidenten, dass die Entdeckung dieser Tunnel keine Gefährdung des Friedens darstellen würde. "Wir schauen ernsthaft auf diese Sache", sagte Aoun. Israel habe über die USA kommuniziert, dass es keine aggressiven Absichten hege. "Wir haben auch keine aggressiven Absichten", beruhigte der libanesische Präsident, "daher gibt es derzeit auch keine Gefahr für den Frieden."

Die israelische Armee hatte in der vergangenen Woche zwei vom Libanon bis auf israelisches Territorium reichende "Angriffstunnel" gefunden. Die Schiitenmiliz habe durch die Tunnel Elitekämpfer in den Norden Israels schleusen wollen, die dort Kommandoaktionen hätten durchführen sollen, hieß es vonseiten der israelischen Armee. Einen Tunnel hat die israelische Armee bereits zerstört, für die Zerstörung des zweiten hat die israelische Armee auch die Hilfe der Blauhelme angefordert. Van der Bellen gegenüber wurde von Unifil-Seite die Existenz der Tunnel bestätigt. "Die Tunnel wurden durch Bohrungen von israelischer Seite festgestellt - man fand einen Hohlraum und einen Gang 1,7 Meter hoch, ein Meter breit. Bisher hat man weder einen Eingang noch einen Ausgang gefunden, der Tunnel liegt immerhin bis zu 20 und 25 Meter unter der Erde. Die Vermutung ist, dass die schon viele Jahre alt sind." Bei Unifil weiß man von Berichten, dass für Dorfbewohner im Jahr 2014 an manchen Orten Vibrationen spürbar waren.

Im Libanon vermutet man einen Zusammenhang zwischen den Korruptionsvorwürfen gegen den israelischen Premier Benjamin Netanjahu und der Aufregung um die Tunnel: Laut der libanesischen Zeitung "Daily Star" handelt es sich dabei um einen "PR Stunt", mit dem Netanjahu von einer Korruptionsaffäre, in die auch Netanjahus Frau Sara verwickelt ist, ablenken will.

Österreichs Beitrag zur UN-Truppe

Es gebe auf allen Seiten unterschiedlichste Einschätzungen, sagte Van der Bellen, der Anfang nächsten Jahres auch nach Israel reisen wird. Es seien "alle gut beraten zwischen aggressiver Rhetorik und dem zu unterscheiden, was tatsächlich passieren kann", sagte der Bundespräsident.

Seit dem Ende des sogenannten Sommerkriegs von 2006 zwischen schiitischen Hisbollah-Milizen und Israel - bei dem mehr als 1200 Menschen im Libanon ihr Leben verloren (auf israelischer Seite gab es 160 Todesopfer) - soll die UN-Friedenstruppe Unifil den Waffenstillstand entlang der libanesisch-israelischen Grenze überwachen - offiziell befinden beide Länder sich weiter im Kriegszustand. Seit November 2011 beteiligt sich das Bundesheer an dieser Mission im Libanon. Am United Nations Interim Forces in Lebanon (Unifil)-Einsatz nehmen rund 11.800 Soldaten und 1000 UNO-Zivilangestellte aus insgesamt 42 Nationen teil. Im rund drei Kilometer von der Grenze entfernten Camp Naqoura sind über 1000 Blauhelm-Soldaten stationiert. 184 davon kommen aus Österreich, rund 60 Prozent dieser Soldaten sind Milizsoldaten, von den 184 Soldaten sind sieben Soldatinnen.

Die Aufgabe des Bundesheers ist die Organisation der Logistik, also Transport, Instandhaltung von Kraftfahrzeugen und sogar die Camp-Feuerwehr wird von den Österreichern gestellt. "Wir sind wohl die einzige österreichische Feuerwehr, bei der es kein richtiges Bier gibt", meint einer der Soldaten dieser Feuerwehrtruppe zum Bundespräsidenten - im Camp herrscht nämlich strengstes Alkoholverbot. Van der Bellen lobt den Einsatz der Soldaten: "Das ist ein wichtiger Beitrag Österreichs, um unser Engagement für die Region nach dem etwas überstürzten Abzug vom Golan weiter zu demonstrieren."

Bundespräsidenten-Bilanz der Auslandsreisen 2018

Der vorweihnachtliche Besuch bei den österreichischen Blauhelm-Soldaten ist die letzte Auslandsreise des Bundespräsidenten im Jahr 2018. Insgesamt hat er damit 21 Auslandsreisen absolviert. Die bedeutendste Mission war eine China-Reise in Begleitung des Bundeskanzlers und mehrerer Minister im Frühjahr, die auch von der größten Handelsdelegation begleitet wurde, die jemals mit dem Bundespräsidenten unterwegs war - 200 Personen. Bei der UN-Vollversammlung in New York traf Van der Bellen UN-Generalsekretär Antonio Guterres und mehrere afrikanische Staatsoberhäupter, ein weiterer Reiseschwerpunkt waren Besuche auf dem Westbalkan und die Teilnahme an der Weltklimakonferenz in Kattowitz, wo er einen Teil seiner Redezeit Arnold Schwarzenegger überließ, der der auf seine Einladung gekommen war. Offizielle Besuche stattete der Bundespräsident auch Estland ab, wo seine Eltern nach der Flucht aus Russland mehrere Jahre lebten und den Niederlanden, woher seine Ahnen einst nach Russland gekommen waren.