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Dubiose Preismacht

Von Michael Schmölzer

Politik

US-Pharmakonzerne verteuern ihre Produkte nach Belieben. Die Patienten bleiben auf der Strecke.


New York/Wien. Es ist eines der wenigen Themen, in denen die US-Demokraten und Donald Trump einer Meinung sind: Die Preise für Medikamente, so der US-Präsident und die Opposition, sind viel zu hoch - teilweise unverschämt. In der Vergangenheit hat Trump immer wieder darauf hingewiesen, dass er Preissenkungen erwarte, dass sich die US-Pharmariesen auf Kosten der Steuerzahler eine goldene Nase verdienen würden.

In der Tat steigen in den USA die Preise für Medikamente seit Jahren. Der Markt lässt den Konzernen bei der Preisgestaltung weitgehend freie Hand, von Wettbewerb ist wenig zu merken, Regulierungen, die greifen, fehlen ebenso. Das Thema ist heiß, es wird mit Sicherheit beim kommenden Präsidentschaftswahlkampf auf den Tisch kommen.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die Kosten für rezeptpflichtige Medikamente sind zwischen 2006 und 2014 um durchschnittlich 57 Prozent gestiegen. Bei speziellen Medikamenten mit kleinerer Zielgruppe sind noch viel dramatischere Steigerungen möglich. Arzneien etwa für die Bluterkrankheit können unterm Strich bis zu 800.000 US-Dollar (709.000 Euro) im Jahr kosten. Derzeit geben die US-Amerikaner im Schnitt rund 1200 Dollar für Medikamente aus, der EU-Schnitt beträgt weniger als die Hälfte.

Eine Monatspackung "Edarbi 40" kostet in Deutschland weniger als 35 Euro. In den USA legt man für die gleiche Packung umgerechnet 200 Euro hin.

Die Konzerne schalten und walten nach Gutdünken, fallweise geht jedes Maß verloren. Gutes Beispiel ist das Entzündungsmedikament Daraprim, das unter anderem HIV-Patienten helfen soll. Die US-Firma Turing Pharmaceuticals hatte es unter ihrem Chef Martin Shkreli aufgekauft und den Preis schlagartig von 13,5 auf 750 Dollar pro Tablette erhöht. In Australien kosten 50 Tabletten nur zehn Dollar. US-Medien bezeichneten Shkreli 2015 als "meistgehassten Mann Amerikas". Mit Erzeugungskosten und Forschungsausgaben hatte das alles längst nichts mehr zu tun.

Lob von Trump

Die US-Pharmariesen weisen den Vorwurf der Preistreiberei weit von sich. Kontrollabsichten des US-Repräsentantenhauses steht man skeptisch gegenüber. Die "Erfolge", die US-Präsident Donald Trump bisher in diesem Bereich verzeichnen kann, sind ebenfalls fragwürdig. Der Republikaner stellte Konzerne wie Pfizer öffentlichkeitswirksam an de Pranger und geißelte die zu hohen Preise. Pfizer solle sich schämen, so viel zu verlangen, empörte sich Trump via Twitter. Lenkt das Unternehmen dann ein, erhält es Lob vom Präsidenten: "Ein Dankeschön an Novartis, dass es die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente nicht erhöht", freute sich Trump etwa im Juli 2018 via Twitter.

Das ist Populismus und ändert am grundsätzlichen System nichts. Ein System, das der Bereicherung Tür und Tor öffnet: Die staatlichen Versicherungen etwa, die die Kosten für die Medikamente übernehmen, dürfen die Preise nicht direkt mitverhandeln. Die Ausgaben sind hoch, die Mitsprachemöglichkeit null, der Steuerzahler erhält die Rechnung. Dafür gibt es externe Vermittler, "Pharmacy Benefit Managers". Sie werden von den Kassen bezahlt, um gute Preise zu verhandeln. Doch die Pharmafirmen erhöhen einfach die Preise, um dann scheinbar großzügige Rabatte zu gewähren. Diese Praktiken tragen dazu bei, dass das US-Gesundheitssystem berüchtigt kostspielig ist und trotzdem schlechte Leistungen bietet.

Viele Menschen in den USA müssen die Apotheken mit leeren Händen verlassen. Weniger Betuchte überleben in einem der reichsten Staaten der Welt nur deshalb, weil Ex-Präsident Barack Obama unter massivem Widerstand der Republikaner die Versicherungsleistungen ausgebaut hat. Eine Reform, die sein Nachfolger mit aller Macht kippen wollte - was misslungen ist.

Trotzdem sterben in den Vereinigten Staaten Menschen mit einem Jahresgehalt von 30.000 Dollar unter Umständen deshalb, weil sie sich ihr Insulin nicht mehr leisten konnten.