Wer auf sie schießt, wissen auch die Demonstranten am Tahrir Platz nicht. Einige der Schützen trugen irakische Armeeuniformen, andere seien in Jeans und T-Shirt, wieder andere ganz in schwarz gekleidet. Die Schüsse würden gezielt abgegeben, sagt Anwaltskammerpräsident al-Saadi. Die harten Tränengasbomben würden gegen Schläfen und Brust der Demonstranten abgefeuert: "Sie haben die Absicht zu töten." Deshalb deute alles daraufhin, dass hier die Spezialeinheit, die sogenannte "Goldene Division" am Werk sei, die im Anti-Terror-Kampf ausgebildet ist und bei der Befreiung Mossuls aus den Klauen des Islamischen Staats (IS) an vorderster Front war. Deren Scharfschützen sind berüchtigt.

Die Demonstranten hingegen sprechen von der Präsidentengarde, die eigentlich dem Premier unterstellt ist. Das sind Teile der vom Iran ausgebildeten und befehligten Schiitenmilizen, die im Rahmen der Volksmobilisierungskräfte (Arabisch Hashd al-Shaabi) nach dem vermeintlichen Sieg über den IS in die irakische Sicherheitsstruktur integriert wurden. Mit viel Skepsis betreffend ihre Loyalität stellte sie Abdul Mahdis Vorgänger Haider al-Abadi unter seinen Befehl. Es gab aber von Anfang an erhebliche Zweifel, welchem Herrn diese Einheit eigentlich dient.

Einfluss des Iran und
der USA spielt eine Rolle

"Wir sollten die Konfrontation zwischen dem Iran und den USA bei diesem Konflikt nicht unterschätzen", meint Dhia al-Saadi. Bedeuten die Demonstrationen also einen Stellvertreterkrieg zwischen den beiden Erzfeinden? Soweit wolle er nicht gehen, sagt der Jurist vorsichtig. Einen Nebeneffekt hätten sie aber zweifelsohne. Teheran jedenfalls behaupte, dass die Proteste von den USA und Israel gesteuert würden und sieht die Reaktion der irakischen Regierung als Anti-Terror-Kampf an. "Damit rechtfertigen sie die Schüsse und die Toten."

Saadi und seine Kollegen befürchten, dass die Situation weiter eskaliert und sich zu einem Militärputsch ausweiten könnte - Beispiel Jemen. Dort liefern sich von Iran gestützte Huthi-Milizen seit 2015 einen blutigen Kampf mit einer Allianz aus Saudi-Arabien, den Emiraten und den USA. Nutznießer dieser verheerenden Situation sind extremistische Terrorgruppen wie Al Kaida oder der IS. "Das wäre der absolute Untergang für den Irak!"