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Südkorea wählt trotz Corona-Krise

Von Klaus Huhold

Politik

Mit speziellen Maßnahmen will die Regierung dafür sorgen, dass die Wahllokale nicht zu Brutstätten neuer Ansteckungen werden. Präsident Moon und seine Partei dürften beim Votum von ihrem Krisenmanagement profitieren.


Zivildiener in Südkorea wurden in den vergangenen Tagen zu einer ganz speziellen Aufgabe herangezogen: Sie mussten, gemeinsam mit anderen öffentlich Bediensteten, 14.000 Wahllokale desinfizieren. Denn die Regierung in Seoul wollte trotz der weltweiten Corona-Krise die für diesen Mittwoch angesetzte Parlamentswahl auf keinen Fall verschieben.

Sie geht damit ein Risiko ein. Wie kritisch Wahlen in Zeiten von Covid-19 sein können, haben Beispiele aus anderen Länder gezeigt. In Frankreich muss sich Präsident Emmanuel Macron Vorwürfe anhören, dass das Festhalten an den Regionalwahlen am 15. März die Verbreitung des Virus noch einmal verstärkt habe - so beschwerten sich Wahlhelfer, dass sie sich trotz Sicherheitsvorkehrungen wie Hände waschen und Abstand halten in den Wahlbüros infiziert hätten. Bei der Vorwahl der US-Demokraten im Bundesstaat Wisconsin stellte sich wiederum die Frage, wie demokratisch und repräsentativ diese überhaupt waren - waren doch etwa in der Metropole Milwaukee nur fünf der 180 Wahllokale geöffnet, und viele Wähler blieben aus Angst vor einer Ansteckung daheim.

Corona-Erkrankte haben bereits ihre Stimmen abgegeben

Südkorea versucht nun, mit strengen Sicherheitsvorkehrungen und einem besonderen Wahlablauf zu gewähren, dass sich erstens niemand ansteckt und zweitens alle Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben können. So konnten am Freitag bereits rund 3000 Patienten, die gerade wegen des Coronavirus medizinische Behandlung erhalten, unter speziellen Schutzvorkehrungen wählen. Auch sonst waren Freitag und Samstag Lokale für eine Vorauswahl geöffnet, damit sich am eigentlichen Wahltag, dem Mittwoch, nicht zu lange Schlangen bilden. Diese Möglichkeit hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben, doch noch nie wurde so viel Gebrauch davon gemacht: 26,7 Prozent der rund 44 Millionen Wahlberechtigten haben bereits ihre Stimme abgegeben.

In den Wahllokalen müssen die Bürger Abstand halten, Masken tragen, ihre Hände desinfizieren und in vielen Lokalen beim Ausfüllen des Wahlzettels auch Handschuhe tragen, die bereitgestellt werden. Außerdem wird bei jedem Wähler Fieber gemessen. Wessen Temperatur 37,5 Grad übersteigt, der wird einer speziellen Wahlkabine zugewiesen. Unklar war aber noch, wie die Südkoreaner, die sich in Quarantäne befinden -darunter viele Heimkehrer aus dem Ausland -, ihre Stimmen abgeben sollen. Auf alle Fälle sollen aber auch sie dazu die Möglichkeit erhalten.

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Zuletzt vermeldete Südkorea, dass sich 91 bereits als genesen gegoltene Corona-Patienten erneut infiziert haben. Das wird aber nicht den Behörden angelastet, sondern als medizinisches Problem gesehen, über das sich nun auch Experten weltweit den Kopf zerbrechen. Vielmehr stellen die Südkoreaner laut jüngsten Umfragen der Regierung von Präsident Moon Jae-in ein gutes Zeugnis für die Corona-Bekämpfung aus, die auch international immer wieder als Vorbild genannt wird.

Andere kontroversielle Themen treten in den Hintergrund

Das asiatische Land hat lokale Brandherde rasch isoliert, die Kontaktpersonen von Infizierten mittels Videoüberwachung, Handy- und Bankdaten ausfindig gemacht und schnellstmöglich getestet und generell enorm viele Tests durchgeführt - bis Ende März waren es mehr als 300.000. Damit ist es gelungen, die Kurve an Neuinfektionen schnell nach unten zu drücken. Am Sonntag etwa sind gerade einmal 25 neue Fälle dazu gekommen, insgesamt liegt die Zahl der Corona-Erkrankten bei knapp über 10.000.

Das rechnen die Wähler der Regierung - auch in Anbetracht explodierender Zahlen in anderen Ländern - offenbar an. Prognosen zufolge stehen Moon und seine linke Demokratische Partei bei dem Votum, bei dem Wahlkampf fast nur über Fernsehen und Internet möglich war, vor einem Erfolg, sie werden wohl die konservative Opposition distanzieren.

Auch wenn die Parteienlandschaft sehr fragmentiert ist, dürfte Moon nun künftig noch mehr Rückendeckung aus dem Parlament erhalten. Das würde ihm die Tür öffnen, seine Agenda fortzuführen. Dazu zählen etwa der Ausbau des Sozialstaates oder die Annäherung an Nordkorea - so versöhnlich ist Südkorea dem waffenstarrenden, kommunistischen Nachbarn noch nie gegenübergetreten wie unter dem ehemaligen Menschenrechtsanwalt. Das sind eigentlich höchst kontroversielle Themen - über die aber in Zeiten von Corona viel weniger diskutiert wird.