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Trump konnte nur ein Monster werden

Von Klaus Huhold

Politik

Laut der Nichte von Donald Trump ist der US Präsident ein Psychopath. Er sei in seiner Familie emotional verkümmert.


"Weißt du, wie viel dein Vater wert war, als er starb? Rein gar nichts." Das erklärte Mary Anne Trump, die Mutter von US-Präsident Donald Trump, gegenüber ihrer Enkelin. Gemeint hat sie damit nicht Donald, sondern dessen älteren Bruder Freddy.

Freddy war ein verzweifelter Alkoholiker, der mit 42 Jahren starb. Der Satz ist ein Urteilsspruch und fast das Wertesystem des Trumpschen Familienclans zusammen: Du bist nur so viel wert, wie du Geld verdienst, wie viel Erfolg du hast, alles andere zählt nicht. So berichtet es zumindest Freddys Tochter Mary L. Trump, die das nun auf Deutsch erschienen und im Vorfeld schon viel beachteten Buche "Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf" geschrieben hat.

Es ist keine reine Donald-Trump-Biographie, sondern - wie der Titel schon verrät - eine Familiengeschichte. Denn nur so würde man Donalds "psychopathologische Symptome" und sein "dysfunktionales Verhalten" verstehen, schreibt die ausgebildete Psychologin Mary L. Trump. Die Wurzeln dieses Verhalten liegen demnach schon in der Kindheit des Präsidenten: Weil seine Emotionen für seine Eltern keine Rolle spielten, fehle ihm selber das Fundament für Einfühlungsvermögen, diagnostiziert die Autorin.

Spott bei Entschuldigung

In weiterer Folge spiegelt sie die Geschichte Donalds mit der seines älteren Bruders Freddy. Zentrale Gestalt für die beiden Brüder war ihr Vater Fred Trump, laut der Autorin ein lupenreiner Soziopath. Diesen interessieren seine Söhne nur als Mitarbeiter und Nachfolger des von ihm aufgebauten Immobilienimperiums. Was sie dafür zu sein haben (und das sagt auch einiges über den amerikanischen Kapitalismus und die Immobilienbranche aus): hart und rücksichtslos. Schon als kleine Kinder werden die Trump-Söhne vom Vater verspottet, wenn sie sich für etwas entschuldigen. Das machen nur Verlierer.

Freddy ist zu weich für dieses Wertesystem, wird von seinem Vater verachtet und durch diese Ablehnung vernichtet. Der junge Donald bekommt das mit, will nicht das gleiche Schicksal erleiden und wird, was der Vater von ihm erwartet: ein skrupelloser "Killer". Und so darf Donald mit den Geldern des Vaters in Manhattan den großen Bauherrn spielen. Deshalb zählt für Donald bis heute nur eines: der Gewinner zu sein, der Größte und Beste. Egal, wie viel Lug und Betrug dahintersteckt.

Betrachtet man das Verhalten von Trump als US-Präsident, scheint die Erzählung seiner Nichte schlüssig. Dass der Sprössling einer Familie, in der man nur untergehen oder ein Monster werden konnte, nun Staatschef einer Weltmacht ist, ist auch einer der Hauptgründe für dieses Buch: Mary L. Trump will vor der Wiederwahl des Onkels warnen, der mit "psychopathischen Missachtung menschlichen Lebens" in der Corona-Krise Bundesstaaten Atemmasken vorenthält, weil ihn deren Gouverneure kritisiert haben.

Man hat aber den Eindruck, dass Mary L. Trump nicht nur als Psychologin, sondern auch als verletzte Tochter des zugrunde gerichteten Freddy schreibt. Sie will ihrem Onkel nichts zugestehen: Donald sei unreif, emotional nicht viel weiter als ein Dreijähriger und lasse sich oft instrumentalisieren.

Was sie nicht erwähnt: Donald Trump instrumentalisiert auch andere und ist nach seinen Maßstäben ein Gewinner. Er schaffte es, als er gerade pleite war, dass ihm die in seine Projekte involvierten Banken eine monatliche Apanage von 450.000 Dollar auszahlten. Der Boulevard feierte ihn jahrelang als erfolgreichen Geschäftsmann und Playboy. Er wurde US-Präsident. Fred Trump wäre stolz auf seinen Sohn: Er ist tatsächlich ein "Killer", der ohne Rücksicht alle Mittel einsetzt, um zu gewinnen. Deshalb sollte man Trump trotz aller schlechten Umfragewerte bei der US-Wahl im November nicht abschreiben.

Sachbuch

Mary L. Trump

Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf.

Heyne Verlag; 22,70 Euro