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Ungehorsam soll Myanmars Militär in die Knie zwingen

Von Klaus Huhold

Politik

Nach dem Putsch hat eine Protestwelle Myanmar erfasst, Aktivisten rufen zum Generalstreik auf. Mit dieser offenen Konfrontation wagen die Regimegegner viel.


Die Warnung kam plötzlich per eingeblendetem Ticker im Fernsehen: Die Demokratie könne auch zerbrechen, wenn keine Disziplin herrsche, hieß es. "Gesetzlose Übeltäter" sollten "beseitigt werden". Der Absender dieser Botschaft im Fernsehsender MRTV war die Militärjunta in Myanmar, die am Montag vergangener Woche durch einen Militärputsch die Demokratie abgeschafft und die Macht an sich gerissen hat.

Die Adressaten dieser Botschaft waren Bürger, die sich gegen diesen Staatsstreich wehren. Denn die Junta ist mit einer Protestwelle konfrontiert, die immer mehr anschwillt: Nicht nur werden jeden Abend die Städte von großem Lärm erfüllt, weil die Bürger aus Protest gegen den Putsch bei offenen Fenstern auf Kochtöpfe trommeln. Seit dem Wochenende kommt es auch zu Massenkundgebungen.

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"Schäm dich, Diktator"

In der nördlichen Großstadt Mandalay trugen Demonstranten am Montag durchgestrichene Fotos des Generals Min Aung Hlaing, der nun die Macht übernommen hat. "Schäm dich, Diktator", war darauf zu lesen. Auch in der Metropole Rangun und der Hauptstadt Naypyidaw wurde am Montag demonstriert. Viele Teilnehmer trugen dabei rote T-Shirts und rote Stirnbänder, denn Rot ist die Farbe der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), die die Wahlen im November mit mehr als 80 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Und überall waren Fotos der Anführerin der NLD, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, zu sehen, der nach wie vor weitaus populärsten Politikerin in Myanmar, die nun offenbar unter Hausarrest steht.

Der Protest geht aber weit über Demonstrationen hinaus: So soll auch ziviler Ungehorsam die Junta zu Fall bringen. In vielen staatlichen Krankenhäusern sind Ärzte in den Streik getreten und führen nur noch die notwendigsten Behandlungen durch. Vor Universitäten versammeln sich Studenten und lassen sich mit Plakaten, die zum Widerstand aufrufen, ablichten. Und oft sind es nur kleine Gesten: Beamte binden sich eine rote Schleife um den Arm, um ihren Zuspruch für die NLD auszudrücken. Oder sie heben drei Finger in die Höhe, was in Anlehnung an die Hollywood-Saga "Tribute von Panem" zum Zeichen des Widerstands wurde.

Mutige Gesten

Schon solche kleine Andeutungen erfordern viel Mut: Dass das Militär in Myanmar vor großer Brutalität nicht zurückschreckt, hat es hinlänglich bewiesen. Viele Minderheiten, in deren Regionen die Armee ganze Dörfer zerstört und unzählige Menschen vertrieben hat, können davon berichten. General Min Aung Hlain war offenbar auch einer der Hauptverantwortlichen bei der Vertreibung der moslemischen Minderheit der Rohingya. Rund 700.000 Rohingya wurden in das benachbarte Bangladesch verjagt.

Und auch politische Proteste hat die Armee, die mit Ausnahme der vergangenen zehn Jahre von 1962 an das Land beherrschte, bereits brutal unterdrückt. Die Unruhen 1988, die sich an der miserablen Wirtschaftspolitik und dem Unterdrückungsapparat der Militärs entzündeten, hat die damalige Junta derart niedergeschlagen, dass tausende Tote zu verzeichnen waren. Und bei der Safranrevolution 2007 hatte das Militär nicht einmal davor zurückgeschreckt, auf die hoch verehrten buddhistischen Mönche, die den Protest damals anführten, zu schießen.

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Auch diesmal sind buddhistische Mönche Teil der Proteste, allerdings ist ihre Rolle zwiespältig. In Mandalay haben sie die Demonstrationen gegen die Militärjunta angeführt. Eine Fraktion nationalistischer Mönche, die auch immer wieder gegen die Moslems im Land agitieren, unterstützt hingegen den Putsch.

Ob das Militär diesmal versucht, die Proteste auszusitzen, oder wieder mit aller Härte zuschlägt, ist unabsehbar. Bisher hielt es sich noch relativ zurück, in der Hauptstadt Naypyidaw wurden aber bereits Wasserwerfer eingesetzt. Die Junta will offenbar zunächst die Führungskader der NLD isolieren. Suu Kyi etwa soll angeklagt werden, weil sie angeblich fünf Funkgeräte illegal in das Land importiert hat. Zudem gab es Montagabend erste Berichte, dass eine Ausgangssperre verhängt werden soll.

Darüber hat das Militär Neuwahlen versprochen. Das hat es aber auch gleich nach dem Putsch gemacht, und kaum jemand glaubt, dass diese, sollten sie überhaupt stattfinden, fair verlaufen würden.

Von ausländischen Akteuren - der Westen hat Sanktionen angedroht - hat sich die Junta in den vergangenen Jahrzehnten recht wenig sagen lassen. Entscheidender wird wohl die Entwicklung im Land selbst sein. Wenn dabei das Militär fürchtet, die Kontrolle zu verlieren, steigt die Gefahr, dass es gegen die eignen Bürger zur Waffe greift. Und die Armee muss fürchten, dass sich der Protest immer mehr ausweitet.

Denn der Vorwand des "Wahlbetrugs", mit dem die Junta den Putsch rechtfertigt, ist vorgeschoben - wenn jemand benachteiligt wurde, dann einzelne ethnische Minderheiten, aber nicht die Partei des Militärs, die eine krachende Niederlage einfuhr. Vielmehr scheint der überragende Wahlsieg der NLD, von der nicht wenige Politiker einst in den Foltergefängnissen der Militärdiktatoren saßen, den Generälen Angst gemacht zu haben.

Aktivismus im Internet

Die Popularität der NLD könnte nun einen großen Mobilisierungseffekt haben. Aktivisten haben bereits zu einem Generalstreik aufgerufen. Auch wenn die Junta immer wieder das Internet oder verschiedene Dienste sperrt, schaffen es die Regimegegner, sich auf Sozialen Medien zu verabreden, wo auch internationale Sympathisanten und Myanmaren aus dem Ausland ihre Unterstützung kundtun.

Immer wieder posten die Regimegegner Fotos von Aung San Suu Kyi. Auch wenn die Tochter des Unabhängigkeitshelden Aung San im Westen wegen ihres Schweigens zu der Gewalt an den Rohingya viel Ansehen verloren hat - in ihrer Heimat verehren sie viele immer noch als unbeugsame Kämpferin gegen die Armee. Ein Ausspruch von ihr wird derzeit im Netz laufend geteilt: "Das einzig wahre Gefängnis ist die Angst. Und die einzig wahre Freiheit ist das Freisein von Angst."