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Utopie vom friedlichen Nebeneinander

Politik

Die Zweistaatenlösung galt einst als wahrscheinlichstes Szenario für Nahost. Von dieser Hoffnung ist nichts geblieben.


Während Israelis und Palästinenser in einer Spirale von Gewalt und Gegengewalt festhängen, wird international eine Friedenslösung gesucht. Noch zeichnet sich eine solche nicht ab. Dem UN-Sicherheitsrat ist es nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Erklärung zu einigen. Diplomaten zufolge waren es die USA, die zuletzt blockierten. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnt zwar eindringlich vor unkontrollierbaren Folgen des Konflikts, bis jetzt verhallen seine Rufe aber ungehört.

US-Präsident Joe Biden will zwar die Waffen zum Schweigen bringen, mehr als schöne Worte kann er allerdings nicht anbieten. "Wir glauben, dass Palästinenser und Israelis gleichermaßen ein Leben in Sicherheit und Geborgenheit verdienen", so Biden in einer Videobotschaft. Zuvor hatte Washington wissen lassen, dass man Israelis und Palästinenser untererstützen wolle, wenn beide Seiten von sich aus einen Frieden anstreben sollten.

Von diesem Willen kann derzeit nicht die Rede sein.

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Biden ist nicht vorbereitet

Die Bedeutung der USA auf dem internationalen diplomatischen Parkett nimmt zudem seit Jahren kontinuierlich ab, die EU spielt traditionell eine geringe Rolle und kann ebenfalls nur hilflos zu einem Ende der Gewalt und der Rückkehr an den Verhandlungstisch aufrufen.

Bidens Amtsvorgänger Donald Trump wollte als Architekt einer großen Nahost-Friedenslösung in die Geschichte eingehen, doch war seine Administration so ungeschminkt auf der Seite Israels, dass die Rolle eines Vermittlers nicht in Frage kam. Und Biden, ein routinierter Politiker, wird knapp vier Monate nach seinem Einzug ins Weiße Haus von Raketenhagel und Luftangriffen unvorbereitet getroffen. Außenpolitisch hat er sich bisher darauf konzentriert, den Abzug aus Afghanistan einzuleiten und den Klimaschutz voranzutreiben.

Im Nahen Osten versuchte die aktuelle Administration vor allem, das von Trump aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran wiederzubeleben - gegen den erklärten Willen Israels. In Bidens Wahlkampfprogramm tauchte Israel kaum auf. Einen Sonderbeauftragten für den Nahen Osten gibt es nicht, ebenso gibt es keinen US-Botschafter in Israel.

Der Standpunkt Washingtons zum gegenwärtigen Konflikt ist trotzdem relativ klar umrissen: Israel hat das Recht, sich gegen die Angriffe aus dem Gazastreifen zu verteidigen, die USA appellieren an die Führung in Tel Aviv, Zivilisten und vor allem Kinder zu schützen. US-Außenminister Antony Blinken hat zuletzt betont, dass die USA weiterhin einer Zweistaatenlösung verpflichtet wären, die derzeitige Gewalt würde aber von diesem Ziel wegführen.

Die Zweistaatenlösung: Lange Zeit war sie ein realistisches Szenario, unter Optimisten wurde sie phasenweise sogar als wahrscheinlichste Lösung für Nahost gehandelt. Geblieben ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis und eine Utopie.

Die Idee einer Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen palästinensischen Teil geht in die Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zurück. Schon damals ging man davon aus, dass ein Miteinander von Juden und Arabern nicht möglich wäre. 1947 wurde der Plan von der UN-Vollversammlung aufgegriffen - damals scheiterte er am Widerstand der arabischen Staaten, die von einem eigenen Staat Israel absolut nichts wissen wollten.

Blaupause für Zukunft

Die Idee blieb in der Schublade und lieferte seither die Blaupause für so gut wie alle Versuche, den Konflikt beizulegen. Schließlich erkannte die PLO in den 80er-Jahren das Existenzrecht Israels indirekt an, Anfang der 90er-Jahre erhielten die Palästinenser dann beschränkte Autonomie im Westjordanland und in Gaza.

Dann stockte der Friedensprozess. Grund dafür ist bis heute, dass Israel im Westjordanland zielstrebig den Siedlungsbau vorantreibt. Strategischer Zweck der Wohnungen für jüdische Siedler ist es, einen durchgängigen arabischen Siedlungsraum und damit einen Palästinenser-Staat zu verhindern. Von Seiten der Palästinenser sorgten Terroranschläge dafür, dass der Friedensprozess, für den im Jahr 1994 Jitzak Rabin, Shimon Peres und Jassir Arafat den Friedensnobelpreis erhielten, gestoppt wurde.

Hardliner Netanjahu

Benjamin Netanjahu ist seit 2009 durchgängig israelischer Premier, im ewigen Konflikt tritt er als Hardliner auf. Einen unabhängigen Palästinenser-Staat will er um jeden Preis verhindern - schon alleine deshalb, weil er einen weiteren Überfall auf Israel für wahrscheinlich und das Land aufgrund geografischer Gegebenheiten für schwer zu verteidigen hält. Die derzeitigen Ereignisse bestätigen Netanjahu in seiner Sichtweise.

Die US-Vorschläge zur Beilegung des Konflikts unter Trump liefen darauf hinaus, dass die Palästinenser Israels Dominanz anerkennen, dafür finanziell entschädigt werden und international geschäftlich reüssieren können.

Dass unter Biden der große Wurf gelingt, ist unwahrscheinlich. Es hat sich Resignation breitgemacht. Wann die momentane Spirale aus Gewalt und Gegengewalt gestoppt werden kann, ist unklar. Klar ist: Amerika steht weiterhin an der Seite Israels, wobei es unter den regierenden Demokraten einige Abgeordnete gibt, die hier abweichen. Die prominente Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez etwa wirft Biden vor, sich an "die Seite der Besatzung" zu stellen. Ihre Kollegin Ilhan Omar sorgte in den USA und in Israel für Entrüstung, als sie israelische Luftangriffe im Gazastreifen "einen Akt des Terrors" nannte. Eine probate Lösung für das Problem haben auch diese beiden nicht parat.(schmoe)