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Kein Abtreibungsverbot, keine Fluthilfe

Von WZ-Korrespondentin Nicole Hofmann

Politik

17 Jahre nach "Katrina" braucht New Orleans dringend Geld für den Hochwasserschutz. Doch die Republikaner blockieren die zugesagten Mittel, um die demokratisch regierte Stadt dazu zu zwingen, das Abtreibungsverbot zu exekutieren.


Als die Dämme dem Wasser nicht mehr standhalten konnten, ging alles ganz schnell. Die von Hurrikan "Katrina" in das Stadtgebiet von New Orleans gedrückten Fluten strömten in den Lower Ninth Ward, das tief gelegene und vor allem von armen Afroamerikanern bewohnte Viertel stand binnen kurzer Zeit meterhoch unter Wasser. Hunderte Menschen starben in den ersten Stunden, nachdem "Katrina" auf Land getroffen war, andere mussten tagelang ohne Versorgung in brütender Hitze auf den Dächern ausharren, bis Hilfe kam.

Auch 17 Jahre danach sind New Orleans und seine Bewohner noch von der Katastrophe gezeichnet, die insgesamt 1.800 Menschen das Leben kostete und Schäden von mehr als 80 Milliarden Dollar anrichtete. Zuletzt schilderte etwa der Dokumentarfilm "Katrina Babies" die anhaltende Traumatisierung einer ganzen Generation ohnehin schon marginalisierter Kinder.

Regelmäßig flammt dabei auch die politische Diskussion über die Ursachen der schlechten Vorbereitungen auf. So waren die Dammanlagen, die die Jazz-Metropole vor dem Wasser hätten schützen sollen, nicht nur veraltet, sondern auch stellenweise völlig unterdimensioniert, was bis heute bei vielen in New Orleans den Verdacht nährt, es hätte möglicherweise bessere Präventions- und Evakuierungsmaßnahmen gegeben, wenn es sich um eine reichere und weißere Stadt gehandelt hätte.

Strenges Abtreibungsverbot

Für diesen Herbst ist nun wieder eine überdurchschnittlich starke Hurrikan-Saison prognostiziert. Einige Dämme müssen dafür dringend verstärkt werden, außerdem muss ein Kraftwerk abgesichert werden, um die Strom- und Wasserversorgung auch im Katastrophenfall zu gewährleisten. Dafür wurden der Stadt New Orleans auch bereits dringend benötigte Kredite in Höhe von 39 Millionen Dollar des Staates Louisiana zugesagt. Mit dem Geld könnten nach Angaben der Stadt bis zu 400.000 Personen nachhaltig vor Überflutungen und Ausfällen kritischer Infrastruktur geschützt werden.

Doch vor knapp zwei Wochen stimmte die politisch beschickte Schuldenkommission des Staates Louisiana mit einer knappen Mehrheit von 7 zu 6 Stimmen dafür, diese bereit zugesagten Gelder einzufrieren. Hintergrund der Entscheidung ist allerdings kein Streit über den Einsatz der Mittel. Vielmehr sehen die Republikaner auf Bundesstaatsebene die Gelder zur Hurrikan-Prävention als politisches Faustpfand an, um in der derzeit die USA in Atem haltenden Abtreibungsdebatte ihren Willen durchsetzen zu können. So hat die Schuldenkommission bereits offiziell erklärt, die Gelder würden so lange eingefroren, bis die Amtsträger in New Orleans einen Eid auf die Einhaltung des strengen Abtreibungsgesetzes des Staates Louisiana ablegen würden. "Die Entscheidung ist ein weiterer Schritt, um sicherzustellen, dass sich die Städte an die Staatsgesetze halten", schrieb Jeff Landry, republikanischer Generalstaatsanwalt von Louisiana mit Aussicht auf den Gouverneursposten, auf seiner Facebook-Seite.

Das Abtreibungsgesetz in Louisiana ist eines der strengsten seiner Art, es verbietet Abtreibungen auch im Fall von Inzest und Vergewaltigung. Ähnlich wie die demokratisch regierten Städte Atlanta und Indianapolis hat sich News Orleans nach dem umstrittenen Supreme-Court-Urteil allerdings in einer Resolution dazu entschieden, das strenge Gesetz des Staates Louisiana nicht mit eigenen Mitteln zu exekutieren. Verstöße werden damit weder polizeilich noch strafrechtlich verfolgt. "Dieses Gesetz ist inakzeptabel. Es ist eine Kampfansage an die Frauen, an das Recht auf die persönliche Entscheidung von Frauen", hatte LaToya Cantrell, die demokratische Bürgermeisterin von New Orleans, bereits unmittelbar nach der Verkündigung der Entscheidung des Höchstgerichts erklärt. Die afroamerikanische Bürgermeisterin ist die erste Frau in diesem Amt und hatte ihre politische Laufbahn mit ihrem Nachbarschaftsengagement für den Wiederaufbau nach "Katrina" begonnen. Cantrells Schlagabtausche mit dem Hardliner Landry sind legendär und werden als exemplarisch für die Konflikte von liberalen Städten in den Südstaaten wahrgenommen.

Trotz der Weigerung, das Gesetz zu exekutieren, sind Abtreibungen in New Orleans mittlerweile aber nicht mehr möglich. Weil die Resolution des Stadtrates nur eine programmatische Erklärung ist, die juristisch Ärztinnen und Ärzten keinerlei Sicherheit auf Straffreiheit geben kann, haben inzwischen alle drei Anbieter in New Orleans ihre Kliniken zugesperrt oder in andere Staaten verlegt. Gibt man "New Orleans" auf der Seite Abortionfinder.org ein, so erhält man nur den dürren Hinweis, dass Abtreibung in Louisiana vollständig verboten sei, man aber in einen anderen Bundesstaat reisen dürfe, um eine Abtreibung vorzunehmen.

"Gebären, um zu begraben"

Zuletzt hatte ein Fall Schlagzeilen gemacht, bei dem einer mit einem als lebensunfähig diagnostizierten Fötus schwangeren Frau die Abtreibung verwehrt wurde. "Sie zwingen mich, mein Kind auf die Welt zu bringen, um es zu begraben", kommentierte die betroffene Frau ihren Zustand im US-Fernsehen. Trotzdem verteidigt Generalstaatsanwalt Landry die Entscheidung der Schuldenkommission, die Gelder einzufrieren, gegen die auch einige Republikaner gestimmt haben. Kritik auch aus den eigenen Reihen, die Verbindung der beiden Themen sei unsachlich, weist er dabei kategorisch zurück. Man solle nicht zögern, alle zur Verfügung stehenden Mittel auszunutzen, New Orleans zum Umkehren zu bewegen.

Vor allem Abtreibungsbefürworterinnen werfen Landry und anderen republikanischen Pro-Life-Aktivisten deshalb Heuchelei vor. "Sie sagen, es geht ihnen um Leben. Aber sobald wir geboren sind, ist unser Leben ihnen egal. Dann können wir ruhig ertrinken. Das ist es, was Pro-Life für sie bedeutet", sagte die 20-jährige afroamerikanische Collegestudentin Selma gegenüber dem lokalen Fernsehsender WDSU.

Erfolg dürften die Abtreibungsgegner mit ihrer Strategie in New Orleans aber ohnehin nicht haben, denn weder die Bürgermeisterin noch der Stadtrat wollen in der Sache klein beigeben. "Für die Frauen und als Frau kann ich diesem Gesetz nicht zur Wirkung verhelfen", sagte Bürgermeisterin Cantrell. Sie werde das Recht auf Selbstbestimmung verteidigen und so gut wie möglich für die Modernisierung der Infrastruktur gegen Überflutungen sorgen - notfalls auch ohne staatliche Gelder.