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Georgia soll Joe Biden Luft verschaffen

Von WZ-Korrespondentin Nicole Hofmann

Politik

Bei der Stichwahl tritt der umstrittene Republikaner Herschel Walker gegen Raphael Warnock an.


Dass es die republikanische Partei nicht leicht haben wird mit Herschel Walker, ahnten einige bereits, als Donald Trump ihn für die parteiinternen Vorwahlen aufbaute. "Das wird ein Zielscheibenkandidat", konstatierte der Führer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell - und sollte damit recht behalten. Walker, der bei der Stichwahl in Georgia am 6. Dezember um den letzten noch zu vergebenden Sitz im US-Senat gegen den Demokraten Raphael Warnock antritt, ist nicht nur ein politischer Quereinsteiger, der noch nie für ein öffentliches Amt kandidiert hat. In den vergangenen Monaten wurden auch immer wieder Details aus dem Privatleben des ehemaligen College-Footballstars publik, die so gar nicht zu seinem politischen Anspruch passen mochten.

So trat Walker etwa als strenger Abtreibungsgegner auf. Mehrere Ex-Freundinnen sagten allerdings unter Eid und mit Belegen aus, von Walker zu von ihm auch bezahlten Abtreibungen gedrängt worden zu sein. Walker hatte auch schwarze Väter dafür kritisiert, sich nicht um ihre Kinder und Familien zu kümmern, nur um dann von seinen eigenen - bis dahin verleugneten - Kindern öffentlich der Vernachlässigung und der häuslichen Gewalt beschuldigt zu werden. Auch Behauptungen über Schul- und Collegeerfolge, den Dienst als Polizist und die Größe seines Unternehmens wurden mittlerweile widerlegt. Dazu kamen peinliche Blößen. Walker irrte sich bei der Anzahl der US-Bundesstaaten, schwadronierte wortreich und unverständlich über Vampirfilme und erklärte, Covid-19 sei durch "trockenen Nebel" heilbar.

"Eine Erektion für das Volk"

Unmittelbar vor der Stichwahl setzte die Grand Old Party dementsprechend auch alles daran, um zu verhindern, dass Walker seinen Gegnern im Endspurt nicht noch zusätzliche Wahlkampfmunition liefert. Zu einem Interview mit dem Nachrichtensender Fox News wurde der 60-Jährige von den republikanischen Senatoren Ted Cruz und Lindsey Graham eskortiert, die ihn wie ein Schulkind in die Mitte nahmen und auch im Wesentlichen auch für ihn antworteten. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden.

Ein Malheur konnten aber auch Cruz und Graham nicht verhindern. "Diese Wahl dreht sich nicht um Herschel Walker, diese Wahl ist für das Volk", sollte Walkers Text während seiner kurzen eigenen Redezeit sein. Da er im zweiten Teil des Satzes "election" mit "erection" verwechselte, versprach er wörtlich eine "Erektion für das Volk". Die resignierten Blicke von Cruz und Graham, die symptomatisch für den Umgang der republikanischen Elite mit Trump und seinen Kandidaten stehen, waren ein gefundenes Fressen für allerlei Talkshowformate.

Von Obama bis DeSantis

Die Stichwahl ist notwendig geworden, da beim regulären Wahltermin im November keiner der drei Kandidaten die absolute Mehrheit erlangen konnte. Nachdem die Demokraten unter anderem die Senatssitze in Nevada und Arizona halten und den Sitz in Pennsylvania dazugewinnen konnten, ist die Abstimmung in Georgia nicht zu der von vielen erwarteten Entscheidungsschlacht über die Kontrolle des Senats geworden. Denn auch bei einem republikanischen Sieg in Georgia und einer 50:50-Verteilung in der zweiten Kongresskammer kann Vizepräsidentin Kamala Harris mit ihrer Stimme ein allfälliges Patt zugunsten der Demokraten auflösen. Dennoch messen beide Parteien der Wahl höchste Priorität zu, was sich nicht zuletzt am enormen finanziellen Aufwand und an der Liste der hochrangigen Unterstützungsauftritte zeigt, die von Flordias Gouverneur Ron DeSantis bis Ex-Präsident Barack Obama reicht.

Für die Demokraten wäre die Arbeit im Senat mit einer "echten" Mehrheit deutlich einfacher, da sie Vorhaben wie etwa Richterbesetzungen nicht erst mühsam aus den paritätisch besetzten Ausschüssen ins Plenum holen müssten, sondern direkt in den Ausschüssen entscheiden könnten. Auch für das Erstellen von Tagesordnungen wäre die Partei von Präsident Joe Biden dann nicht mehr auf die Republikaner angewiesen. Der größte Vorteil für die Demokraten wäre aber, dass sie nicht mehr auf eine Stimme der beiden häufig abtrünnigen demokratischen Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema angewiesen wären. Vor allem Manchin verhinderte in der ersten Halbzeit Bidens trotz einer demokratischen Mehrheit in beiden Kongresskammern viele zentrale Vorhaben des Präsidenten oder schwächte sie deutlich ab.

Für beide Parteien geht es bei der Wahl in Georgia aber auch darum, eine möglichst gute Ausgangslage für das Jahr 2024 zu schaffen. Denn bei den dann gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahlen abgehaltenen Kongresswahlen wird nicht nur ein Drittel des Senates neu gewählt, sondern es stehen auch überdurchschnittlich viele demokratische Sitze zur Abstimmung. Hier möchte jede Partei mit einem zusätzlichen Sitz als Polster ins Rennen gehen, zumal ab 2024 aufgrund von Pensionierungswellen unzählige Richterbesetzungen anstehen werden.

Ob es jedoch diese strategischen Überlegungen im fernen Washington sind, die die Bevölkerung Georgias am 6. Dezember an die Urnen locken, ist fraglich. Die Ausgangslage ist denkbar knapp, valide Umfrageergebnisse existieren nicht. Politische Beobachter sind sich aber einig, dass die Wahlbeteiligung den Ausschlag geben wird. Beobachtungen bei der seit letzten Samstag möglichen vorzeitigen Stimmabgabe deuten auf eine relativ hohe Wahlbeteiligung hin. Weil im Senat keine republikanische Mehrheit mehr möglich ist, dürften aber vor allem Anhänger der Grand Old Party zu Hause bleiben, zumal ein relevanter Anteil jener Wähler, die beim Urnengang im November den republikanischen Gouverneurskandidaten Brian Kemp gewählt haben, bei der Senatswahl explizit nicht für Herschel Walker gestimmt hatten.

Rassismus als Thema

Obwohl beide Kandidaten Afroamerikaner sind, dürfte bei der Wahl auch das Thema Rassismus eine Rolle spielen. Gerade in Georgia hat es zuletzt stark beachtete Bewegungen gegen die systematische Marginalisierung schwarzer Wähler gegeben. Entsprechend groß ist in dieser Community auch die Sensibilität, wenn es um die Frage der Repräsentation in Washington geht. Walker ließ dabei mit der Aussage aufhorchen, Rassismus sei ein Problem der Vergangenheit. Keiner könne Rassist sein, wenn er nicht mindestens 185 Jahre alt sei. Warnock steht dagegen als Reverend einer Kirche vor, die einst Martin Luther King geleitet hat, und präsentiert sich als Kämpfer gegen strukturellen Rassismus. "Wir wissen um den Wert unseres Stimmrechts. Sonst würden sie es uns nicht so schwer machen wollen", sagte ein schwarzer Wähler, der bei der vorzeitigen Stimmabgabe stundenlang angestanden ist, gegenüber dem Nachrichtensender CNN. "Ich werde alles dafür tun, um zu verhindern, dass einer der wenigen schwarzen Repräsentanten in Washington ein von Weißen gesteuerter Idiot ist."

Bei einem Sieg wäre die Partei des Präsidenten nicht mehr ihrem chronisch abtrünnigen Senator Joe Manchin ausgeliefert.