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"Führt auf keinen Fall einen Baseballschläger mit euch"

Von WZ-Korrespondent Felix Lill

Politik

Der G7-Gipfel startet - im Zentrum von Hiroshima herrscht Ausnahmezustand.


Wenn die G7-Staaten tagen, ist die Gegnerschaft meist laut: Kritiker der Gipfeltreffen erheben den Vorwurf, die Mitgliedsstaaten spielten sich als Weltregierung auf. In Hiroshima sind solche Stimmen aber auffallend leise. "Führt auf keinen Fall einen Baseballschläger mit euch herum!", warnte Yasuhiro Inoue zu Beginn dieser Woche seine Studierenden. "Selbst wenn ihr gerade vom Training kommt und alles erklären könnt. Vorsicht!"

Inoue, Professor für Medienwissenschaften an der Hiroshima City University, habe von Fällen gehört, in denen Fans des in der westjapanischen Stadt beliebten Baseballklubs Hiroshima Carps festgenommen worden seien, nachdem sie mit einem frischsignierten Schläger durch die Stadt gelaufen waren. Die Polizei habe Gewaltbereitschaft unterstellt. "Das kann euch auch passieren!"

Was Inoue seinen Studierenden damit sagen wollte: Die Polizei sei diese Tage hysterisch, sehe in allen möglichen auch nur theoretisch als Waffe einsetzbaren Gegenständen eine akute Gefahr für die Sicherheit. Während Hiroshima den G7-Gipfel veranstaltet herrscht im Zentrum der Millionenstadt eine Art Ausnahmezustand: Straßen, die zu jener Hauptverkehrsachse führen, die von den Delegationen der G7-Staaten diese Tage genutzt werden, sind abgesperrt und bewacht. Aus ganz Japan sind 24.000 Polizisten zusammengetroffen. Die Sicherheit der Regierungschefs hat Priorität.

Reichlich Lärm

Das Aufgebot an Sicherheitskräften ist deshalb so üppig, weil Gipfeltreffen der G7 und G20 immer wieder große Proteste provozieren: Die Regierungschefs dieser wenigen reichen Länder spielten sich als Weltregierung auf, lautet ein häufiger Vorwurf. Beim G20-Gipfel in Hamburg im Jahr 2017 zum Beispiel arteten die Demonstrationen sowie die Reaktionen der Polizei in Gewalt aus, hinterließen ein Schlachtfeld samt brennender Autos und verwüsteter Straßen.

Auch in Hiroshima wird protestiert. Schon am Mittwochabend etwa, zwei Tage vor Beginn des Gipfels, marschierten Hunderte Gegner durch die Innenstadt und machten reichlich Lärm. "Kein imperialistischer Gipfel", forderte ein Plakat, "Kein G7" prangte auf mehreren Schildern. Trommeln gaben den Rhythmus vor, die Anführerin rief durch ein Megafon vor, was die Menge dann wiederholte: "Wir wollen keinen Gipfel! Wir wollen keine Atomwaffen!" In Japan ist über diese Proteste relativ viel berichtet worden. Denn im ostasiatischen Land sind Demonstrationen generell eher selten, sodass schon einige Hunderte Protestierende eine Notiz wert sind. Dabei ist die hier zum Ausdruck gebrachte Anti-Haltung im Vergleich zu Gipfeln der G7 oder G20 in anderen Ländern klein.

"Ich hätte mehr Opposition erwartet", sagt Hironori Matsumoto, Journalist bei der in der Region um Hiroshima führenden Regionalzeitung Chugoku Shimbun. Schließlich sei der Unmut über den Gipfel in Hiroshima zwar groß. Seit dem Atombombenabwurf durch die USA zu Ende des Zweiten Weltkriegs übt sich Hiroshima als Stadt des Pazifismus. Der Bürgermeister ist praktisch qua Amt ein Advokat nuklearer Abrüstung.

Der Bildungssektor hier sieht seinen Auftrag auch darin, den Nachwuchs zu Friedfertigkeit zu erziehen. So gäbe es jenseits des generellen Vorwurfs, dass bei G7-Gipfeln wenige Staaten für die ganze Welt weitreichende Entscheidungen beschließen, auch noch diese Kritik: Aus Hiroshima werden diese Tage wohl nicht nur Friedensbotschaften gesendet, sondern auch eine deutliche militärische Sprache. Fragt man in Hiroshima herum, wird man auch genau diese Sorge hören: Man fürchtet, das Friedensimage von Hiroshima werde dafür ausgenutzt, dass sich die G7-Staaten einerseits friedlich geben, andererseits aufrüsten. In der Innenstadt aber sind diese Meinungen aber kaum zu hören. Umso mehr wimmelt es dafür vor Polizisten.