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Bagdad zieht Bilanz: "100.000 Tote als Folge des US-Einmarschs"

Von Michael Schmölzer

Politik

Abzug aller US-Soldaten bis Jahresende, Irak kritisiert "Arroganz" der Besatzer.


Bagdad/Washington. Noch sind 13.800 US-Soldaten im Irak stationiert, mit Ende des Jahres sollen auch sie in ihre Heimat zurückkehren. Der zunächst geplante Verbleib eines US-Truppenkontingents wurde abgesagt, da die irakische Regierung den ausländischen Soldaten die Immunität verweigert.

Zum Ende des im März 2003 gestarteten US-Militäreinsatzes zieht man in Bagdad und in Washington Bilanz, das Resümee fällt vernichtend aus. Die irakische Regierung hat am Mittwoch darauf hingewiesen, dass in Folge der Präsenz von US-Truppen "mehr als 100.000 Iraker gestorben" seien. "Die amerikanischen Soldaten waren im Umgang mit den Irakern arrogant, was bei uns zu einer großen Krise geführt hat. Der Anblick eines US-Panzers, der durch unsere Straßen fuhr, war für uns nur schwer zu ertragen", so der irakische Regierungssprecher Ali al-Dabbagh im Staatsfernsehen.

Während die Regierung in Washington klargestellt hat, dass man künftig keine Verantwortung mehr für den Irak tragen werden, sind die Militärs pessimistisch. US-Generalstabschef Martin Dempsey meinte vor dem Streitkräfteausschuss des Senats, er blicke "mit Beunruhigung" in die Zukunft des Irak. Er verwies auf das viele "vergossene Blut" und die enormen Summen, die die USA seit der militärischen Intervention zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein 2003 ausgegeben hätten. Der Totalabzug der USA sei daher ein Fehler. In Washington fürchtet man unter anderem, dass der Iran seinen Einfluss im Irak ausbaut. Erste deutliche Anzeichen dafür gibt es bereits. Am Montag haben sich der Kommandant der iranischen Revolutionswächter und der irakische Generalstabschef zu einer engen künftigen Kooperation bekannt.

Nach den Erkenntnissen des US-Generalinspektors der Wiederaufbau-Behörde, Stuart Bowen, ist der Lage im Irak derzeit gefährlicher als noch vor einem Jahr. In der Tat häufen sich die Selbstmordanschläge. Am Donnerstag starben zehn Menschen, als nördlich von Bagdad ein Auto in die Luft flog. Am Montag wurden bei einem Anschlag auf einen Militärstützpunkt 19 Menschen getötet, am Samstag davor starben in Falluja sechs Personen. Die Liste der verheerenden Anschläge, die in den Medien kaum noch Platz finden, ließe sich weiter ausdehnen.

Auch die USA haben einen nicht unerheblichen Blutzoll im Zweistromland gezahlt. Fast 4500 Militärangehörige kamen seit dem Einmarsch ums Leben. Das Image der Vereinigten Staaten als Vorkämpfer von Freiheit und Demokratie hat unter dem Abu-Ghraib-Skandal schwer gelitten. US-Soldaten folterten und demütigten irakische Gefangene, zur Rechenschaft gezogen wurden in der Folge fast ausschließlich niedere Dienstgrade.