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Jemens Stunde null nach Saleh

Von Nadja Kwapil

Politik
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Nachfolger des Langzeitherrschers als Übergangspräsident vorgesehen.


Sanaa.Wäre es möglich, würde sie selber gerne kandidieren und ebenso gerne gewinnen, sagte die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin und Journalistin Tawakkul Karman im Dezember letzten Jahres. Im Vorjahr hatte Tawakkul Karman eine führende Rolle bei den gewaltsamen Protesten gegen den seit 1978 amtierenden Präsidenten Ali Abdallah Saleh übernommen.

Proteste, die mittlerweile nicht mehr nur Symptome der Unzufriedenheit, sondern Zustände sind, in diesem tief gespaltenen Land, in dem Separatisten und Terrororganisationen verschiedener Herkunft mit unterschiedlichen politischen Intentionen gewaltsam um Kontrolle und Macht kämpfen. Mit der kommenden Wahl am Dienstag soll das Blutvergießen in dem südarabischen Land rund um die Demonstrationen gegen Saleh im vergangenen Jahr nun aber endlich aufhören - ein Übergangspräsident soll friedlich gewählt werden und das Ruder von Saleh übernehmen.

Aber entgegen der jemenitischen Verfassung, die eigentlich einen "kompetitiven Wahlprozess" für die Bestimmung des Staatspräsidenten vorsieht, gibt es nicht mehr viel zu wählen. Nur einen offiziellen Kandidaten wird es geben, sein Name steht schon längst fest: der bisherige Vizepräsident und "treue Diener Salehs" Abd Rabbo Mansur Hadi soll sein Mandat für eine Übergangszeit von zwei Jahren ausüben. Erst anschließend sind Parlamentswahlen sowie eine erneute Präsidentenwahl geplant.

Grundlage für die Wahl Hadis ist ein vom Golfkooperationsrat der sechs konservativen Monarchien Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar, Oman und Vereinigte Arabische Emirate vorgelegtes Abkommen über eine geregelte Machtübergabe, das im Dezember 2011 zur Gründung einer Regierung der nationalen Einheit führte. Auch Saleh hatte es nach langem Hin und Her im November unterzeichnet. Im Gegenzug erhielt Saleh absolute Strafffreiheit, obwohl ihm eigentlich wegen des Todes von Demonstranten während der regierungsfeindlichen Massenproteste der vergangenen Monate der Prozess gemacht werden sollte.

Wahl von Gewalt begleitet

Ein umstrittenes Zugeständnis also, das wiederum gewaltsame Proteste im Land schürte. Bis zur kommenden Wahl am Dienstag bleibt der 69-jährige Saleh formell als "Ehrenpräsident" im Amt - obwohl er sich seit geraumer Zeit in den USA befindet. Bereits im Juni vergangenen Jahres hatte Saleh das Land wegen medizinischer Behandlungen im Ausland verlassen, da er bei einem Angriff auf seinen Präsidentenpalast schwer verletzt worden war. Auch in dieser Zeit hatte Hadi gemäß der Verfassung als De-facto-Präsident des Landes amtiert.

Das kommende Votum wird von schwerer Gewalt überschattet, zumal die Regierung in Sanaa durch die langen Proteste die Kontrolle über ganze Regionen des Landes verloren hat. Im Norden liefern sich schiitische Rebellen und sunnitische Islamisten immer wieder Kämpfe, und im Jänner übernahm die radikal-islamische Terrorgruppe Al-Kaida vorübergehend die Kontrolle über die Stadt Radda. Der Süden wird unterdessen von Anschlägen der Separatisten erschüttert, die sich für eine erneute Abspaltung des Südjemen einsetzen, der vor 1990 noch eine eigene, sozialistisch geprägte Volksrepublik war. Vor allem in der südjemenitischen Hauptstadt Aden kam es immer wieder zu Anschlägen auf Wahlbüros und Drohungen gegen Wahlteilnehmer.

Erst am Freitag wurden bei gewalttätigen Zusammenstößen dutzende Menschen verletzt: Die "Bewegung des Südens" hatte zum Boykott der Präsidentschaftswahl ausgerufen, weil dadurch die "Besatzung" durch den Norden zementiert werde.