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Wut auf Ausländer und Regierung

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Die Koran-Proteste in Afghanistan gingen auch am Freitag weiter.


Kabul. "Tod den Amerikanern" (Marr ba Amrika), ruft ein junger Demonstrant auf der Jalalabad Road in Kabul. Trotz der eisigen Kälte sind erneut Tausende Menschen in Afghanistan auf die Straße gezogen, um gegen die Koran-Verbrennung auf dem Militärstützpunkt in Bagram zu protestieren. Dabei kamen am Freitag wieder mindestens sieben Menschen ums Leben.

Neben dem Ärger über die offenbare Respektlosigkeit der ausländischen Truppen ist auch es viel aufgestaute Frustration, die sich hier Luft macht. Die Bevölkerung leidet unter dem härtesten Winter seit 15 Jahren; die Preise für Brennholz, Kochgas und Benzin sind explodiert.

Das trifft vor allem die arme Bevölkerung. Doch nicht alle unterstützen die Proteste auf der Straße. "Diese Demonstrationen bringen uns doch gar nichts", sagt Jan Mohammed, ein 38-jähriger Taxifahrer aus der Gegend von Karta-i-Naw, im Osten Kabuls. "Niemand hört auf uns. Wir werden getötet, verletzt, und es nützt nichts." Der junge Mann ist besorgt über die Ausschreitungen der letzten Tagen, bei denen mindestens 16 Menschen starben. Mohammed hat Angst vor Selbstmordattentätern, die sich unter die Menschenmenge mischen könnten, und er mag es nicht, dass Demonstranten auch Läden plündern und Autos und andere Sachen mutwillig zerstören. "Die Politiker sollten demonstrieren", schlägt Mohammed vor. Es habe keinen Sinn, sich von der Polizei verprügeln zu lassen.

Maulana Din Khabar, Geistlicher und Religionsgelehrter in einer Moschee im Bagrami-Distrikt von Kabul, sieht das ähnlich: "Wenn Demonstrationen zu Ausschreitungen werden, ist das schlecht für jeden. Der Koran wurde von Amerikanern verbrannt und nun schießen muslimische Polizisten auf muslimische Demonstranten." Damit vergrößere sich der Schaden noch. Der Islam-Lehrer ist vorsichtig mit seinen Worten: Als Religionsführer werde er niemals die Gläubigen in seiner Moschee auffordern, an solchen Demonstrationen teilzunehmen.

Die Bevölkerung gehe nicht auf die Straße, wenn die aufständischen Taliban Moscheen oder Schulen bombardierten und dabei Exemplare des Koran zerstörten, kritisiert Fauzia Kufi, eine unerschrockene Politikerin aus Kabul. Die Parlamentarierin wünscht eine umfassende Untersuchung der Umstände der Koran-Verbrennung in Bagram. "Warum haben die afghanischen Reinigungskräfte dies nicht schon früher an ihre amerikanischen Vorgesetzten gemeldet?", fragt sie. Man müsse prüfen, ob es nicht eine Verbindung zu Pakistan gebe.

Viele Afghanen machen das islamische Nachbarland für den Terror in Afghanistan verantwortlich und glauben auch, dass Pakistan aus eigenem Interesse Friedensbemühungen in Afghanistan hintertreibt. Kufi sieht mit Sorge, dass die ausländischen Truppen sich auf ihren Abzug vorbereiten. "Es gibt eine große Unsicherheit, was die Zukunft anbelangt", sagt sie. Daher gebe es im Moment eine große Verwirrung bei der Bevölkerung.

Bundeswehr räumt Lager

Die Bundeswehr räumte angesichts der Unruhen vorzeitig ihr Feldlager in Talokan, im Norden des Landes, und verlegte die rund 50 Soldaten ins Feldlager in Kunduz. Im vergangenen Jahr waren bei Protesten vor dem Camp in Talokan mindestens zehn Menschen getötet worden. Auch am Donnerstag hatte es dort wieder Demonstrationen gegeben.

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Newt Gingrich zeigte sich unterdessen empört über die Entschuldigung der US-Regierung wegen der Koranverbrennungen und meinte, dass vielmehr der afghanische Präsident Karzai sich bei den USA entschuldigen müsse.