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"Es wird auch noch einen vierten Atomtest geben"

Von Klaus Huhold

Politik
Rüdiger Frank ist Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften an der Universität Wien und arbeitet schwerpunktmäßig zu Nordkorea.

Sanktionen stoppen nicht Nordkoreas Aufrüstung, sagt Ostasien-Experte Frank.


"Wiener Zeitung": Was hat Nordkorea dazu bewogen, diesen Atomtest durchzuführen?

Rüdiger Frank: Es sind wohl langfristige Gründe ausschlaggebend. Der Atomtest ist Teil eines Programms und basiert auf einer strategischen Entscheidung, die schon vor langer Zeit getroffen wurde. Es gab 2006 den ersten, 2009 den zweiten, jetzt den dritten und es wird auch einen vierten Atomtest geben. Gleichzeitig versuchen die Nordkoreaner, ein Raketenprogramm zu entwickeln, damit ihnen diese Sprengköpfe auch etwas nutzen. Im offiziellen Statement Pjöngjangs heißt es ja auch, dass es sich um ein kleineres Gerät mit einer größeren Sprengkraft handelt, und das deutet schon in Richtung Atomsprengkopf hin. Die Nordkoreaner ziehen ihr Programm durch.

Ziel dieses Programms ist es, eine Atommacht zu werden?

Ja, Nordkorea will eine Atommacht sein, mit dem erklärten Ziel der Abschreckung, weil Pjöngjang sich nach eigener Aussage von den USA bedroht sieht. Die Nordkoreaner verfügen über keine Schutzmacht, der sie vertrauen. Sie sind der Meinung, dass sie sich selbst verteidigen müssen. Und die Nordkoreaner wissen, dass ihre konventionellen Streitkräfte einem ernst gemeinten Angriff der USA nicht standhalten würden, dementsprechend fokussieren sie sich auf ihr Atomprogramm.

Und das hat ja auch Auswirkungen auf die ganze Region.

Ja. Die größte Gefahr ist, dass es zu einem atomaren Wettrüsten in Nordostasien kommt. In Japan und Südkorea gibt es ja schon seit längerer Zeit Stimmen, die fordern, dass man als Reaktion auf Nordkoreas Politik selbst Atomwaffenprogramme auflegt. Beide Länder hätten die Möglichkeiten dazu. Sie haben dutzende Atomkraftwerke, sind technologisch hoch entwickelt und haben das Kapital. Bisher gab es verständliche innen- und außenpolitische Bedenken dagegen. Die sind jetzt schwächer geworden und die Befürworter einer Nuklearisierung Japans und Südkoreas sind jetzt gestärkt. Das wäre dann eine Tragödie globalen Ausmaßes, weil die Folgen unabsehbar sind.

Die internationale Gemeinschaft verschärft ja immer wieder die Sanktionen gegen Nordkorea. Zeigt das überhaupt noch Wirkung?

Nordkorea lebt seit Jahrzehnten mit den Sanktionen. Und das ist das große Problem: Sanktionen wirken immer weniger, je länger sie dauern.


Hat die internationale Gemeinschaft also überhaupt eine Möglichkeit, das Atomprogramm der Nordkoreaner zu stoppen?

Nein, hat sie nicht. Kurz- und mittelfristig sehe ich nichts, was die internationale Gemeinschaft unternehmen könnte. Außer laut zu protestieren. Aber was soll sie sonst machen?

Zuletzt gab es ja Berichte, dass es vor allem in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang unter dem neuen Führer Kim Jong-un erste Reformen gibt, ein wenig privater Handel zugelassen wird. Hat der Atomtest Auswirkungen darauf?

Es wird für das Ausland noch schwieriger werden, mit den Nordkoreanern zu kooperieren. Denn es wird politisch schwer zu erklären sein, warum man mit so einem Land Außenhandel betreibt oder gar investiert - auch wenn das rein pragmatisch gesehen durchaus sehr sinnvoll wäre. Die nordkoreanischen Reformen werden deshalb langsamer vorankommen, als es sonst möglich gewesen wäre.

Haben innenpolitische Gründe bei dem Test eine Rolle gespielt?

Wir wissen leider zu wenig über die Dynamik der Führung Nordkoreas. Wir wissen nicht, ob Kim Jong-un alleine über den Atomtest entschieden hat oder als Teil einer Gruppe oder wer ihn berät. Deshalb können wir auch kaum darüber spekulieren, welche Auswirkungen der Test auf das innenpolitische Machtgefüge haben wird.