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Raketen und Lobreden bei Beerdigung von Ariel Sharon

Von WZ-Korrespondent Andreas Hackl

Politik

Lobgesänge für Israels Ex-Premier, der für viele Palästinenser "Schlächter" bleibt.


Jerusalem. Israel hat sich am Montag in einer offiziellen Gedenkfeier vom ehemaligen Ministerpräsidenten (2001-2006) und General Ariel Sharon verabschiedet, der am Samstag nach acht Jahren im Koma 85-jährig gestorben war. Dabei wurden die Feierlichkeiten sowohl vor und nach seinem Begräbnis durch Raketenabschüsse aufgerüttelt.

Bereits am Vormittag vermeldete das Zweite Israelische Fernsehen den Abschuss zweier Raketen aus dem Gazastreifen. Laut Militär seien diese jedoch nicht in Israel eingeschlagen. Kurz, nachdem Sharon auf seiner Farm in der Negev-Wüste unweit des Gazastreifens begraben worden war, feuerten abermals bisher unbekannte Angreifer zwei Raketen nach Israel. Sie landeten in einer unbewohnten Gegend. Die doch eher symbolischen Warnschüsse aus dem durch Israel und Ägypten abgeriegelten Gazastreifen unterstreichen jedenfalls die große Kluft zwischen den Lobreden über Sharon in Israel und seinem Image unter Palästinensern. Während er als Staatsmann, Held und Kämpfer unter Beiwohnen internationaler Politiker begraben wurde, bleibt er für viele Palästinenser schlichtweg unter dem Spitznamen "Schlächter" bekannt. Das nicht zuletzt, weil er für die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila im Libanon mitverantwortlich war, nachdem er die israelische Armee 1982 als Verteidigungsminister bis nach Beirut geführt hatte. Bei dem Massaker wurden rund 1700 Palästinenser getötet, Beirut stand unter der Kontrolle israelischer Streitkräfte.

"Du warst eine Schulter, an die sich die Sicherheit unseres Landes lehnen konnte", sagte Israels Präsident Shimon Peres bei der Feier vor dem Parlament. Sharons Sarg war direkt vor dem Rednerpult aufgebahrt, bedeckt durch eine israelische Flagge und flankiert von Blumenkränzen, einige Meter davon entfernt zur linken und rechten Seite die hochrangigen israelischen und internationalen Gäste. Auch Verteidigungsminister Gerald Klug wohnte der Gedenkfeier bei. Neben Präsident Shimon Peres und Ministerpräsident Benjamin Netanyahu standen auch US-Vizepräsident Joe Biden sowie der ehemalige britische Ministerpräsident und derzeitige Sondergesandte des Nahost-Quartetts, Tony Blair, am Rednerpult.

Nicht nur die Ansprachen von Blair und Biden, sondern auch die historische Verantwortung ihrer beiden Länder hatte dabei starke Symbolkraft: Palästina stand bis 1948, als der Staat Israel nach einem Krieg gegen arabische Staaten sowie der Flucht und Vertreibung von hunderttausenden Palästinensern gegründet wurde, unter britischem Mandat. Großbritannien hatte in der Balfour-Deklaration von 1917 dem zionistischen Nationalprojekt in Palästina grünes Licht gegeben. Und die USA haben die Gründung Israels und sein Fortbestehen entscheidend durch Finanzhilfen von bisher rund 120 Milliarden Dollar überhaupt ermöglicht.

"Ein komplexer Mann"

"Sharon hatte einen Nordstern, dem er folgte (...) Dieser Nordstern war das Überleben des Staates Israel und des jüdischen Volkes", sagte US-Vizepräsident Joe Biden. Doch Sharon sei auch ein "Bulldozer" gewesen, wie er in den Gesprächen mit ihm über Sicherheitsfragen erkannt habe. "Er war ein komplexer Mann."

Dass sich Ariel Sharon zum Schluss "von einem Mann des Krieges zu einem Mann des Friedens" geändert habe, bezweifelte Tony Blair in seiner Ansprache. Sharon wollte seinen Staat schützen; "wenn es Kämpfe erforderte, kämpfte er, wenn es Frieden erforderte, suchte er Frieden", so Blair, der trotz seiner mit den USA geführten Invasionen in Afghanistan und im Irak den Titel "Nahost-Friedensgesandter" trägt.

Nach der Gedenkfeier wurde Sharons Sarg, begleitet von einem Konvoi an Familienmitgliedern, Politikern und Armeeangehörigen auf seine Farm in der Negev-Wüste gebracht. Acht Generäle brachten ihn aus einem Militärfahrzeug zur Grabesstelle, wo sie die Flagge vom Sarg nahmen und ihn langsam in die Erde senkten. "Die israelische Armee wird noch für viele Jahre in deine Fußstapfen treten", verabschiedete sich Generalstabchef Benny Gantz in seiner Grabesrede vom Ex-Premier.

Die Sicherheitsvorkehrungen für das Begräbnis waren immens. Hunderte Polizisten schwärmten aus, während ein Hubschrauber ständig über dem Himmel kreiste. Nachdem ausgewählte Gäste und Angehörige Blumenkränze ans Grab gelegt hatten, endete die Zeremonie mit Luftschüssen der israelischen Armee.