Bagdad. Das Fußballstadion im Osten Bagdads füllt sich mit tausenden Anhängern der Schiitenmiliz Asa’ib Ahl Haq, der "Liga der Gerechten". Es ist die letzte Kundgebung vor den Parlamentswahlen heute, Mittwoch. Mit Bussen werden die Anhänger ins Stadion gefahren. Die meisten tragen zivile Kleidung, viele aber kommen in Uniform, die sich nicht wesentlich von jener der regulären irakischen Armee unterscheidet. Lediglich das gelbe Logo am Arm verrät, dass es sich um eine ganz spezielle Truppe handelt.

"Wir hoffen, dass es nicht zur Konfrontation mit der Isis kommen wird", sagt ein Uniformierter, der sich als Kämpfer von Asa’ib zu erkennen gibt, "wir sind aber bereit!" Eine Stunde später explodieren zwei Autobomben vor dem Stadion, und ein Selbstmordattentäter sprengt sich mitten unter den Versammelten in die Luft. Fast 40 Menschen sterben, mehr als 100 werden verletzt. Tags darauf übernimmt Isis, die Terrororganisation "Islamischer Staat im Irak und Syrien", in einem Bekennerschreiben die Verantwortung für den Anschlag.

Vermehrt hat in den Wochen vor den ersten irakischen Parlamentswahlen nach dem Abzug der US-Truppen Ende 2011 die bekämpft geglaubte und anfangs mit Al-Kaida verbundene sunnitische Terrororganisation Isis zugeschlagen. Sie hat Wahllokale angegriffen, Mitarbeiter der Wahlkommission bedroht, Kandidaten getötet - überall im Irak. Und als vorige Woche einige schwerbewaffnete Isis-Terroristen eine schiitische Universität im Westen Bagdads stürmten und Studenten als Geiseln nahmen, war klar: Die gefürchtete Terrortruppe ist auch in der Hauptstadt angekommen.

Isis ist die radikalste und rücksichtsloseste Gruppe im syrischen Bürgerkrieg. Ihre Kämpfer, in deren Reihen sich tausende ausländische Jihadisten befinden, haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten Syriens ein islamistisches Terrorregime errichtet. Sie schneiden Bashar al-Assads Kämpfern und rivalisierenden Rebellen die Kehlen durch und hacken Dieben die Hand ab. Ladenbesitzer, die während der Gebetszeiten ihre Läden nicht schließen, werden öffentlich ausgepeitscht, ebenso Männer, die angeblich ihre Eltern nicht in Ehren halten.

Nun macht sich Isis auch wieder im Irak, seinem Ursprungsland, breit. Die Organisation entstand aus dem "Islamischen Staat im Irak", der sich 2006 als irakischer Zweig von Al-Kaida gründete. Im April 2013 gab ihr Anführer Abu Bakr al-Baghdadi die Umbenennung der Gruppe in "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" bekannt. Inzwischen ist Isis aber selbst Al-Kaida-Chef Aiman al-Zawahiri zu radikal geworden. "Wir haben keine Verbindungen zu Isis", teilte er im Februar in einer schriftlichen Botschaft mit. "Isis ist keine Filiale von Al-Kaida." Die Führung von Isis wiederum sagte sich kurz darauf von Al-Kaida los.