Zum Hauptinhalt springen

Persian Feeling in Dubai

Von Arian Faal aus Dubai

Politik

Dubai ist der wichtigste Handelspartner Irans - mehr als 450.000 Perser leben in den Emiraten.


Dubai. Es ist kurz nach 13 Uhr. Die Sonne brennt. Der 24-jährige Farshid hat ein Gucci-Shirt an, die Haare aufgestellt und trägt ein iranisches Emblem als Halskette. Er muss sich beeilen, gleich beginnt seine Schicht. Seine Eltern haben ein Lebensmittelgeschäft in Dubai und er muss nachmittags die Ware, das Personal und die Eingänge kontrollieren und die Abrechnung machen.

Eigentlich läuft in der Bazarmeile des Dubaier Stadtteiles Al Ras alles wie gewohnt. Die Händler bieten günstige Zigaretten an. Da und dort wird in den Hinterhöfen Geld zu "günstigen Konditionen gewechselt" und die vielen Juweliergeschäfte sind wie die Restaurants gut besucht.

Eines von ihnen ist das bekannte persische Fast Food Restaurant Baharestan. Es ist ein Symbol für "persian feeling" im Emirat. Farshid besorgt sich noch schnell ein Kubideh-Sandwich dort. Rund 40 Leute warten vor ihm.

"Stur wie ein Perser"

Das Sprichwort "stur und stolz wie ein Perser" lebt Farshid in allen Zügen. Keinesfalls will er sich mit anderen Ausländergruppen im Emirat verglichen wissen. "Die Perser haben es nicht gern, wenn sie Chefs gehorchen müssen, sie sind lieber ihre eigenen Chefs. Schauen Sie sich Dubai an, die Perser sind die einzige Migrantengruppe, die vorwiegend für sich selbst arbeitet und nicht für andere", erklärt er mit strengem Blick auf die Fast Food Mitarbeiter aus Thailand, Pakistan, Indien und Bangladesch.

"Halten Sie mich für präpotent und arrogant, aber wir werden politisch sowieso täglich mit Verachtung konfrontiert, da wollen wir wenigstens im Business zeigen, dass wir es draufhaben. In Dubai sind wir Perser überall erfolgreich. Diese Menschen hier im Verkauf sind wichtige Arbeitskräfte und ich möchte ihre Arbeit nicht infrage stellen, aber ich bin froh, dass ich in unserem Familienbetrieb mein eigener Chef bin in einem fremden Land", resümiert er.

Überall duftet es nach Safranreis und Lammspießen. Im Erdgeschoß gibt es günstige Menüs ab umgerechnet drei Euro für die vielen Arbeiter, die in der Gegend arbeiten, im Obergeschoß muss man schon 10 bis 20 Euro mehr hinblättern, um in den Genuss eines persischen Menüs zu kommen. Salat, Reis, Suppen und Joghurt inklusive. Eine Kaffeetasse mit dem Emblem des Restaurants gibt es als Geschenk dazu.

Farshid nimmt sein Sandwich und geht in den nahegelegenen Trockenfrüchteshop seiner Eltern und beginnt mit der Abrechnung.

Farshids Bild von den reichen und noblen Persern in Dubai gerät schnell ins Wanken, wenn man einige Stunden später in den Patogh Club in einem Hotel in der Nähe der Union Square geht. Dort arbeiten junge Mädchen aus dem Iran als "Tänzerinnen", die zahlenden Kunden ab 500 Dirham (rund 100 Euro) jeden Wunsch erfüllen. Nachtbegleitung inklusive. "Es ist traurig, dass viele hübsche und junge Mädchen keinen anderen Ausweg wissen, als sich in den Emiraten zu prostituieren. Für sie zählt nur, dass sie aus dem Iran sind", erklärt einer der Kellner. Die Kunden des Clubs sind neureiche Araber und Perser, die die auftretenden Live-Künstler mit Ein-Dollar-Noten überhäufen und sich die Mädchen für die eine oder andere Gefälligkeit buchen. Ein Tisch kostet rund 160 Euro.

Die Kluft zwischen Reich und Arm wird deutlich, wenn man zehn Meter vom Hotel entfernt auf den Gehsteig blickt. Ein iranischer Junge um die 20 Jahre bittet die Passanten, ihm Geld für eine Unterkunft zu geben oder ihn mitzunehmen. "Ich mache alles, aber lassen Sie mich nicht hier sitzen", seufzt er.

Womit Farshid aber recht hat, ist die Omnipräsenz der Perser im arabischen Emirat. In allen wichtigen Stadtteilen haben sich wohlhabende iranische Familien niedergelassen und machen erfolgreich Geschäfte.

Wenn man einen Spaziergang durch den noblen Dubai Marina Bereich macht, hat man zeitweise den Eindruck, in Teheran zu sein. Mehrere persische Restaurants reihen sich hier aneinander. Die meisten haben das Geld für ihre Investitionen in Dubai aus lukrativen Immobiliengeschäften im Iran verdient. Dubai fungiert angesichts der westlichen Wirtschaftssanktionen im Zusammenhang mit dem Atomstreit als lukrativer Katalysator und Handelsdrehscheibe für den Gottesstaat. Hier kann man mittels Drittfirmen die lästigen Strafmaßnahmen umgehen und Güter aller Art in den Iran exportieren. Das Motto lautet: "Sprich nicht laut darüber, sondern unterschreibe und kassier deinen Anteil." Bei 15 und 30 Prozent Gewinnspanne lassen sich viele Unternehmer nicht zweimal bitten.

Schlupfloch

Mittlerweile hat Farshid den Tagesumsatz von 10.000 Dirham gezählt, die Ware in Empfang genommen und gönnt sich nun einen persischen Tee. "Ich denke, dass wir stolz sein können, dass wir trotz der internationalen Isolation so viele kluge Köpfe haben, die ihren Weg machen", meint er und bietet Tee an. Nachsatz: Durch den westlichen Handelsrückgang mit dem Iran ist Dubai ohnehin der Umschlagplatz schlechthin. Nicht von ungefähr bezieht die Islamische Republik ihre meisten Importe aus dem reichen Ölemirat. Von Dubai aus werden beispielsweise 85 Prozent des iranischen Fotomarktes mit Fuji-Artikeln beliefert. Der Hintergrund: Die beiden Hauptanbieter Agfa und Kodak liefern aus Angst, es sich mit den Amerikanern zu verscherzen, nicht mehr nach Teheran.

Geregelt werden diese und andere Lieferungen vom Iranian Business Council in Dubai. Wenn Letzterer tagt, dann kommen viele iranische Handelstreibende aus allen Teilen der Vereinigten Arabischen Emirate nach Dubai. "Dubai ist für Teherans Bazar, die Schlagader der iranischen Wirtschaft, ein wichtiges Schlupfloch, ein Katalysator, um die vom UN-Sicherheitsrat verhängten Wirtschaftssanktionen zu umgehen. Längst sind die Europäer von den Emiraten und der Türkei verdrängt worden", so der Großhändler Arturio G. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Schon jetzt würden mehr als 20 Prozent der Importe des Iran hier abgewickelt. "Das Geschäft boomt, doch wirklich freuen kann ich mich nicht, denn meine Landsleute im Iran leiden sehr stark unter den Sanktionen", erläutert er.

Auch das offizielle Iran hat Dubai für sich entdeckt. Daher gibt es einige Filialen der wichtigsten iranischen Handelsbanken Bank Melli, Bank Saderat und Bank Tejarat. Eine Ironie des Schicksals ist nur, dass man in den iranischen Banken selbst keine iranische Währung wechseln kann. Dafür muss man zum Beispiel in eine der auf den Iran spezialisierten Wechselstuben gehen, die vor allem die wichtigste Anlaufstelle für die tausenden Touristen aus dem Iran selbst sind. Mit Sondermaschinen, Spezialtarifen und Konzerten inklusive westlichen Urlaubsfeelings lockt das Emirat jährlich die überwiegend junge iranische Bevölkerung nach Dubai. Manche verbinden dabei Arbeit und Urlaub und nehmen bei ihrem Aufenthalt auch Geschäftstermine wahr. Interessant ist bei den Business Meetings aber auch, dass viele europäische Firmen ihre Nahost-Repräsentanten nach Dubai schicken, um hier Geschäfte mit den iranischen Händlern abzuschließen. Wenn ein Franzose mit einer iranischen Delegation zu Klängen der iranischen Popsängerin Homeyra über Gold, Diamanten und Wechselkurse philosophiert, dann wird einem klar: Die Wirtschaft Dubais floriert und die Perser sind nicht unbeteiligt daran.