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"Der Atomstreit mit dem Iran ist zu 80 Prozent gelöst"

Von Thomas Seifert

Politik
Daryl Kimball ist Direktor der US-Denkfabrik Arms Control Association.
© T. Seifert

Der US-Abrüstungsexperte Daryl Kimball ist optimistisch, dass es zu einer Einigung kommt - aber die Zeit drängt, meint er.


"Wiener Zeitung": Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm gehen nun offenbar in die Schlussphase.Daryl Kimball: US-Außenminister John Kerry hat zuletzt sehr positiv geklungen. Er hat im Prinzip nichts von dem, was der iranische Außenminister Javad Zarif gesagt hat, zurückgewiesen. Es gibt also eine klare Basis für weitere Verhandlungen.

Es hieß zuletzt, dass die meisten Kapitel verhandelt seien. Probleme gibt es noch bei der Uran-Anreicherungs-Kapazität, die dem Iran zugestanden werden soll.

Die UN-Sicherheitsratsmitglieder (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA, Anm.) plus Deutschland, die dem Iran bei den Verhandlungen gegenübersitzen, wollen verhindern, dass der Iran die Möglichkeit hat, eine Atombombe zu bauen. Der Iran muss seinerseits die riesigen Investitionen, die das Land in die Anreicherungstechnologie gesteckt hat, rechtfertigen und will genügend Anreicherungskapazitäten zur Verfügung haben, um die zukünftigen Energie-Anforderungen bewältigen zu können. Darüber wird derzeit am Verhandlungstisch hart gerungen. Es gibt noch weitere Probleme: Eines ist der noch in Bau befindliche Schwerwasserreaktor in Arak, aus dem der Iran Plutonium zum Bau einer Plutonium-Bombe gewinnen könnte. Der Iran hat sich bisher geweigert, die Arbeiten an dem Reaktor zu stoppen. Also arbeiten die Verhandler darauf hin, den Iran dazu zu bewegen, den Reaktor so zu verändern, dass weniger Plutonium produziert wird. Die Verhandler wollen auch, dass der Iran die unterirdische Anreicherungsanlage in Fordo zusperrt, der Iran ist dagegen. Der Kompromissvorschlag lautet, die Anlage als Forschungsanlage - ohne Produktionskapazität - zu betreiben. Und der Iran interessiert sich besonders dafür, wie die Sanktionen, die gegen das Land verhängt wurden, wieder aufgehoben werden. Das soll so passieren: Die Sanktionen werden Schritt für Schritt aufgehoben, wobei vermutlich die Europäer den Amerikanern voranschreiten. So wird das nötige Vertrauen aufgebaut.

Wie weit sind beide Seiten - sprich: Wie wahrscheinlich ist ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen?

Ich denke, der Atomstreit mit dem Iran ist zu 80 Prozent gelöst. Wenn man auf 100 Prozent kommen will, muss man die Zentrifugenproblematik (je mehr Zentrifugen, desto mehr spaltbares Uran kann innerhalb einer gewissen Zeitspanne angereichert werden) lösen. Da braucht man kreative Lösungen: Ein erster Schritt wäre ein Einfrieren der Zahl der Zentrifugen. Dann erlaubt man dem Iran, auf eine modernere Zentrifugengeneration umzusteigen, reduziert aber die Zentrifugen-Anzahl, während man die Anreicherungskapazität unter dem vereinbarten Rahmen hält. Dann könnte man dem Iran erlauben, die Anreicherungskapazität zu erhöhen für den Fall, dass er nicht genügend Brennstoff für den Reaktor in Bushehr bekommt. Wobei der Iran sich einem strikten Überwachungsregime unterwerfen muss, in dem sichergestellt wird, dass nicht zu große Mengen von spaltbarem Material im Land sind.

Wie geht es nun weiter?

Es sind noch viele Fragen offen. Ich denke, dass man rasch zu einem Ergebnis kommen will. Es besteht sonst die Gefahr, dass sich das diplomatische Fenster schließt. Es besteht die Gefahr, dass einige Abgeordnete im Kongress nach der Sommerpause im September dann sagen, sie haben US-Präsident Obama genug Zeit gegeben, mit dem Iran zu einer Lösung zu kommen. Wenn der Kongress dann aber den Druck auf den Iran erhöht, wird es für die Verhandler schwierig, und das könnte wiederum unerwünschte Reaktionen des Iran hervorrufen. Die Lösung der Nuklearfrage wäre wichtig für den Nahen Osten, der ohnehin schon unruhig genug ist. Eine Lösung der Nuklearfrage wäre wohl auch der Start neuer Beziehungen zwischen dem Iran und den USA.