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Der stockende Wandel

Von Klaus Huhold

Politik

Myanmars Reformen sind ins Stocken geraten - was dem Land nun Kritik von US-Präsident Obama einbringt. Dabei haben sowohl weite Teile von Myanmars Elite als auch der Westen Interesse daran, dass die Öffnung des Landes weitergeht.


Naypyidaw/Wien. So abgeschieden, wie seine Hauptstadt liegt, so isoliert war früher Myanmar (Burma). Naypyidaw befindet sich im Nirgendwo im Landesinnern, dort, wo einst nur Wald, ein paar Dörfer und Reisfelder waren. Gegründet wurde die Stadt von den einstigen Militärdiktatoren, sie spiegelt deren Gigantismus wider - in einer Mischung aus traditioneller buddhistischer Architektur und Zuckerbäckerstil wurden kolossale Regierungsgebäude aus dem Boden gestampft. Doch als 2005 Naypyidaw die Küstenmetropole Rangun als Hauptstadt ablöste, konnte Diktator Than Shwe in der Folge lediglich ein paar Delegationen aus den asiatischen Nachbarländern empfangen. Sonst wurde Myanmar, vor allem vom Westen, gemieden - es war wegen seinen Foltergefängnissen, seiner Verfolgung von Minderheiten und seiner Unterdrückung der Opposition ein Pariastaat.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Diese Woche geben sich hochrangige internationale Politiker in Naypyidaw die Türklinke in die Hand: US-Präsident Barack Obama besucht Myanmar ebenso wie Chinas Premier Li Keqiang. Und von Indonesien bis Singapur sind auch Staats- und Regierungschefs aus den Asean-Staaten im Land. Der südostasiatischen Staatengemeinschaft ist sein einst geächtetes Mitglied nicht mehr unangenehm. Myanmar darf nun sogar den Asean-Gipfel abhalten, der gestern, Mittwoch, begonnen hat und bis heute Donnerstag dauern wird.

Denn das Land hat einen Wandel vollzogen: Der gefürchtete Than Shwe steht nicht mehr an der Staatsspitze, Präsident ist seit Anfang 2011 mit Thein Sein ein Ex-General, der die Uniform abgelegt hat. Der 69-Jährige hat Reformen eingeleitet: So wurden etwa politische Häftlinge freigelassen und lange Zeit verfolgte Oppositionelle können sich nun frei bewegen. Auch mit Infrastrukturprojekten, etwa dem Aufbau eines Autobahnnetzes, sucht Myanmar den Weg aus der Isolation.

Nobelpreisträgerin warnt

Haben die Reformen anfänglich noch Euphorie ausgelöst, wurden zuletzt aber immer mehr kritische Stimmen laut. So sagte die Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsikone Aung San Suu Kyi, dass es seit zwei Jahren keine substanziellen Fortschritte mehr gegeben habe. Suu Kyi, die selbst rund 15 Jahre unter Hausarrest gehalten wurde und nun im Parlament sitzt, warnte den Westen davor, die Entwicklung zu optimistisch zu sehen. Und prompt mahnte nun auch Obama, der Suu Kyi am Freitag treffen wird, Myanmars Staatsführung, "auf Reformkurs zu bleiben". Denn dieser habe sich verlangsamt, merkte der US-Präsident in einem Gespräch mit dem von Exil-Burmesen gegründeten Magazin "Irrawaddy" kritisch an.

Dass der Wandel in Myanmar, nachdem er anfänglich mit großem Tempo vorangetrieben worden war, nun ins Stocken geraten ist, analysieren auch viele Beobachter. Zwar wurde die Pressezensur gelockert, aber noch immer werden Journalisten verfolgt - so sorgte erst kürzlich der mysteriöse Tod eines investigativen Reporters, der sich in den Händen der Armee befunden haben soll, für Empörung. Zwar wurde mit aufständischen Minderheiten ein Friedensprozess eingeleitet, doch noch immer berichten Menschenrechtsorganisationen, dass Angehörige von Minderheiten Zwangsarbeiten verrichten müssen.

Besonders schlimm ist die Lage für die Rohingya - zehntausende Angehörige der moslemischen Minderheit leben nach Zusammenstößen mit der buddhistischen Mehrheitsbevölkerung in Internierungslagern, in denen erbärmliche Zustände herrschen. Zudem verweigert die Regierung vielen Rohingya Papiere, was sie rechtlos macht.

Entscheidende Wahl

Wie weit sich Myanmar demokratisiert, bleibt fraglich. Noch immer dominiert eine von der Armee gegründete Partei das Parlament, behält sich das Militär Schlüsselministerien vor und bestimmt die Verfassung. Erst die Wahlen 2015, bei denen der Opposition ein Sieg vorausgesagt wird, werden zeigen, wie sehr die Armee bereit ist, Macht abzugeben. Klar ist aber: Große Teile der Elite aus Myanmars Militär und Geschäftswelt haben ein Interesse daran, die Öffnung des Landes weiter voranzutreiben. Sie wollen die Abhängigkeit von China, die sich in Zeiten der Isolation aufbaute, verringern. Und auch Europa und die USA möchten mit Myanmar im Gespräch bleiben: Denn immer mehr westliche Investoren zieht es in das Land, das Ressourcen wie Öl, Gas oder seltene Hölzer besitzt.