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Hoffen auf ein Scheitern

Von Arian Faal

Politik

Analyse: Irans Ultrakonservative profitieren von den Sanktionen - ein Atomdeal würde nur stören.


Wien/Lausanne/Teheran. Auch nach Ablauf der Deadline für eine politische Rahmen-Vereinbarung im Atomstreit mit dem Iran wurde in Lausanne am Mittwoch weiterverhandelt. Die Berichte über eine bevorstehende Einigung waren genauso widersprüchlich wie die Dementis.

Wohl mit einer großen Portion Schadenfreude beobachteten die ultrakonservativen Kräfte und Hardliner im Iran die schwierigen Verhandlungen in der Schweiz. Sie trauen dem Westen nicht über den Weg und können einem Deal nichts abgewinnen - haben sie doch von der derzeitigen Isolation des Iran am meisten profitiert.

So haben die Revolutionsgarden, die in der Islamischen Republikgroße Vermögenswerte besitzen, durch den Notstand an Medikamenten und medizinischen Geräten infolge der westlichen Sanktionen ein lukratives Geschäft aufgebaut. Herzpräparate wurden etwa um das Zehnfache des normalen Wertes verschachert.

Die Lösung des Nuklearkonflikts ist eines der Prestigeprojekte der Regierung von Präsident Hassan Rohani und seinem Außenminister Mohammad Javad Zarif. Mit den Fortschritten in der Schweiz steuert auch der inner-iranische Konflikt zwischen der Regierung und seinen zahlreichen Widersachern aus dem Lager der erzkonservativen Kräfte auf einen neuen Höhepunkt zu. Eines ihrer mächtigsten Sprachrohre ist der Freitagsprediger Ahmad Jannati, der gleichzeitig Chef des Wächterrats ist. Er und seine ultrakonservativen Kleriker-Kollegen schreiben das "magere Ergebnis" der bisherigen Verhandlungen ihrem nachhaltigen Widerstand zu.

Für den Fall, dass es doch zu einem Atomdeal kommt, wollen sie notfalls im Parlament, wo sie die Mehrheit haben, einen Beschluss durchbringen, der das unabdingbare Recht des Iran auf die Nuklearforschung und -entwicklung wie auch eine hohe Zahl an Zentrifugen festschreibt. Zugleich soll die sofortige Aufhebung aller Sanktionen verlangt werden. Dass Irans Verhandlungspartner dem niemals zustimmen werden - schon gar nicht die Konservativen im US-Kongress -, wissen die Hardliner nur zu gut; und sie legen es genau darauf an.

Schlachtrufe

Und sie bereiten bereits ätzende Kommentare für den Fall des Scheiterns der Atom-Gespräche vor. Schon nach der Verlängerung der Frist im November 2014 in Wien titelten konservative Blätter in Anspielung auf die USA: "Dem Dorfführer war nicht zu trauen. Das Sanktionsregime wurde verlängert." Ein anderes Blatt ließ seine Titelseite mit dem Wort "Nichts" übermalen. Zarif wird damals wie jetzt vorgeworfen, sich vom Westen "über den Tisch ziehen zu lassen".

Die Hardliner wissen, dass ein Deal ihre Position schwächen würde, und tun alles, um einen solchen zu verhindern. Noch stellen sie im Parlament, beim Militär und auch in der Justiz und dem Polizeiapparat die Mehrheit. Dort wird bereits lautstark verkündet, dass man mit dem Westen weiterhin mit Härte umgehen müsse.

Rohani stößt sich an dieser "Politik der Zwischenrufe" und bezeichnete seine Opponenten schon im vergangenen September als "politische Feiglinge". Gemeint hatte er vor allem deren Vorbehalte gegen die Atomgespräche, bei denen nun der 30. Juni 2015 als neue Deadline gilt.

"Sobald wir verhandeln, beginnen sie zu zittern. Schert euch zum Teufel und sucht euch einen warmen Ort", hatte Rohani damals den Ultrakonservativen ausgerichtet. Kurz darauf hagelte es Kritik am Präsidenten. Wenige Tage später wurde einer der wichtigsten Unterstützer des Reformkurses Rohanis, Wissenschaftsminister Reza Faraji Dana, vom Parlament abgesetzt. Rohani ernannte ihn noch am selben Tag zu seinem persönlichen Berater.

Das letzte Wort in diesem innenpolitischen Machtkampf hat der Oberste Geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei. Und der stellte sich in den vergangenen Wochen - sehr zum Ärger der Hardliner - immer wieder offen auf die Seite Rohanis. Dieser hat hoch gepokert und alles auf die Atomkarte gesetzt. Gelingt Rohani hier kein außenpolitischer Erfolg, dann verliert er sein gesamtes politisches Kapital bei Khamenei. Schafft er einen Deal, dann würde ihm das weitreichende Spielräume eröffnen, um die Wirtschaftslage zu verbessern, eine Bürgerrechtscharta zu erstellen und seine Parteifreunde für die Parlaments- und Expertenratswahlen 2016 zu positionieren.