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Tanzende Staatsfeinde

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik
Guerillero Adenar hofft nun auf den Schutz des Staates.
© T. Käufer

Beim Nationalen Kongress verabschiedet sich Farc-Guerilla mit Kitsch und Klischee. Ein Lokalaugenschein.


El Diamante. Der Weg zu den ehemaligen Staatsfeinden führt sechs Autostunden über Schotterpisten vorbei an Autowracks und staunenden Einsiedlern. Hier irgendwo im Grenzgebiet zwischen der Provinz Caqueta und Meta, wo der Dschungel mit der Savanne um die Vorherrschaft kämpft, startet die linksgerichtete Guerilla-Organisation Farc ihre Metamorphose. Eingeladen haben die Rebellen die Weltpresse. Mehr als 300 Journalisten machten sich auf die beschwerliche Reise in das Camp "El Diamante". Von San Vicente de Caguan, der letzten Stadt, bevor das "Nichts" beginnt, wie sie in diesem Teil des Landes über die menschenleeren Gebiete im drückend heißen Rücken der Anden sagen.

Es geht höflich, aber bestimmt zuweilen sogar militärisch zu. Farc-Pressesprecherin Milena Reyes, eine junge, aber sehr selbstbewusste Guerillera mit rotgefärbten Haaren und in den obligatorischen Gummi-Stiefeln, dirigiert die internationalen Korrespondenten ans Mikrofon. "Name, Medium!", ruft sie unmissverständlich mit finsterem Blick in den überfüllten Presseraum, wenn ein Journalist eine Frage an die Kommandanten stellen will. Beide Seiten tun sich noch ein bisschen schwer mit der neuen Nähe. Trotzdem überrascht die Farc mit einer großen Professionalität bei der Organisation dieses großen Events. Das ist deswegen bemerkenswert, waren Interviews und Nähe zum allmächtigen Sekretariat zu Zeiten, als sich die Kommandanten noch im Dschungel versteckten, undenkbar.

Guerilla betont freundlich

Doch die Zeiten ändern sich. Rasend schnell. Das merkt auch die Guerilla-Basis, die sich auffallend freundlich und zugänglich zeigt. Viele wirken intensiv gebrieft, denn die Antworten ähneln sich fast aufs Wort. Der ideologische Unterricht zeigt seine Wirkung. Guerillero Ademar, der mit richtigem Namen Francisco heißt, spult sein Antwortprogramm runter, als es um die Frage geht, ob die Kolumbianer denn Angst vor den Kämpfern haben müssten, die jetzt zurück in die Gesellschaft drängen. "Das Regime", wie Guerillero Ademar die demokratisch gewählte Regierung des Landes nennt, "hat die Menschen über die TV-Sender RCN und Caracal manipuliert. Wir sind ganz normale Menschen, vor uns muss niemand Angst haben."

Angst vor rechten Paramilitärs

Angst haben aber auch die Guerilleros: Vor Racheakten der rechten Paramilitärs, die weiterhin mordend durchs Land ziehen. In Zukunft sind die Farc-Rebellen diesen Banden schutzlos ausgeliefert und müssen den staatlichen Institutionen und der Armee vertrauen. Ausgerechnet den Militärs, die sie jahrelang bekämpften.

Um die Angst geht es vor allem bei diesem Nationalen Kongress, der vordergründig sein Ja zum Friedensvertrag mit dem kolumbianischen Staat gab, der am Montag in Cartagena unterschrieben wurde. Es geht darum, den Menschen die Angst zu nehmen. Ein buntes Kulturprogramm sorgt für die passenden Bilder von tanzenden Rebellen und schmusenden Guerilleros samt Baskenmützen mit Che-Guevara-Konterfei. Damit bewegt sich die Guerilla auf einem schmalen Grat, denn nicht alle Kolumbianer halten das für angebracht. Solange Opfer der Farc vergeblich eine Erklärung über den Aufenthaltsort seit Jahren verschwundener Angehöriger verlangen, wäre ein bisschen mehr Demut angebracht. Zugleich versucht sich die Farc-Spitze in einem Entschuldigungswettlauf, um bei Opfern oder deren Angehöriger für Massaker in der Vergangenheit um Vergebung zu bitten.

Der am Wochenende zu Ende gegangene Nationale Guerilla-Kongress markiert eine Kehrtwende in der Geschichte der Farc. Viele Rebellen müssen sich auf einen neuen Lebensabschnitt einstellen. Und manche träumen von einem bürgerlichen Leben, wie Ademar, der studieren und sich weiterentwickeln will. Er strahlt Zuversicht aus. "Ich glaube, dass wir den richtigen Weg gehen. Ich bin optimistisch."

Siehe dazu auch: Ein Vertrag für die Geschichtsbücher