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"Sparen alleine ist nicht genug"

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Barack Obama ist zu Besuch in Athen.|Der scheidende US-Präsident stärkt dem umstrittenen Premier Tsipras den Rücken.


Athen. Strahlender Sonnenschein, strahlende Gesichter: Der scheidende US-Präsident Barack Obama ist am Dienstag unter drakonischen Sicherheitsvorkehrungen zu einem offiziellen Besuch in Athen eingetroffen. Heute Mittwoch fliegt Obama nach Berlin weiter. Athen und Berlin sind die beiden Stationen der letzten Auslandsreise von Obama als amtierender US-Präsident, bevor er am 20. Jänner die Amtsgeschäfte an seinen frisch gewählten Nachfolger Donald Trump übergibt.

Schon zum Auftakt seiner Visite in der griechischen Hauptstadt, um exakt 14.37 Uhr Ortszeit, sagte Obama vor laufenden Kameras im Amtssitz des griechischen Premierminister Alexis Tsipras vom "Bündnis der Radikalen Linken" ("Syriza) genau das, worauf seine griechischen Gastgeber sehnlichst gewartet hatten. Obama wörtlich: "Die Reformen (in Griechenland) waren nicht leicht, aber sie waren notwendig. Sie haben die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger gemacht. Zugleich werde ich in meiner Botschaft an den Rest Europas unsere Sicht der Dinge betonen: Austerität alleine kann nicht zu Prosperität führen. Es wird wichtig sein, sowohl eine Schuldenerleichterung (,dept relief‘) durchzuführen als auch andere passende Maßnahmen zu ergreifen, um den Griechen auf diesem Weg der Anpassung zu helfen."

Balsam auf griechischer Seele

Obamas deutliche Worte waren mehr als Balsam für die krisengebeutelten Griechen. Die Strategie der Regierung Tsipras, die nach ihrer triumphalen Wiederwahl am 20. September vorigen Jahres in Umfragen wegen des fortgesetzten rigiden Sparkurses in Athen schon längst immer neue Tiefstwerte verbucht, vorgezogene Neuwahlen aber trotz der hartnäckigen Forderung der konservativ-liberalen Opposition kategorisch ablehnt, ist es, dass schon bis Ende des laufenden Jahres einen Abbau der griechischen Staatsschuld beschlossen wird.

Das Narrativ der Regierung in Athen ist, dass nur so Direktinvestitionen aus dem Ausland im großen Stil in Griechenland angelockt und ein kräftiges Wirtschaftswachstum ab 2017 erreicht werden könne. Ferner sei eine zeitnahe Schuldenerleichterung aus Sicht Athens zwingend erforderlich, damit fortan auch die griechischen Staatsanleihen in das sogenannte QE-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgenommen werden könnten.

Dies würde wiederum den Weg dafür ebnen, dass das ewige Euro-Sorgenland wieder auf die internationalen Kapitalmärkte zurückkehrt, so die Lesart in Athen.

Hintergrund: Gegenwärtig sind für griechische Staatsanleihen immer noch über 7 Prozent Zinsen zu berappen. Dies sind die mit Abstand höchsten in der gesamten Eurozone. Brisant: Die Zinsen liegen damit auch noch deutlich höher als im Frühjahr 2010, als Griechenland faktisch bankrott ging. Seither hängt Hellas am Tropf seiner öffentlichen Geldgeber EU, EZB, IWF und neuerdings Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) - freilich zu deutlich besseren Konditionen als auf dem freien Markt.

Trotz eines ersten, großen Schuldenschnitts für private Gläubiger im Frühjahr 2012 gilt aber auch: Die griechische Staatsschuld steigt und steigt. Betrug sie Ende 2009 noch 298 Milliarden Euro, ist sie per Ende Juni 2016 auf fulminante 328,341 Milliarden Euro gestiegen. Davon entfallen mittlerweile 226 Milliarden Euro auf den ESM.

Statement "glasklar"

Prompt freute sich der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos, Chef von Tsipras’ Koalitionspartner "Unabhängige Griechen" (Anel), über Obamas Ausführungen. "Das Statement von Barack Obama war glasklar, klarer geht es nicht."

Auch Tsipras nahm Obamas Steilvorlage in der Schuldenfrage dankend an. "Die substanzielle Reduzierung der griechischen Staatsschuld, die Modifizierung der vereinbarten Haushaltsüberschüsse (nach unten ab dem Jahr 2018, Anm.) sowie die Eingliederung in das QE-Programm ist alles, was Griechenland zusteht - und der Zeitpunkt dafür ist jetzt", erklärte Tsipras auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Barack Obama in Athen.

Der Umstand, dass "Europas Führung auf der Sparpolitik beharre", führe zur Stagnation in Europa. Und dies "verursache Probleme", so Tsipras weiter. Ein klarer Seitenhieb von Tsipras auf Berlin und Brüssel. Denn insbesondere der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnt einen Schuldenabbau in der Causa Hellas zum jetzigen Zeitpunkt strikt ab.

Angesichts der von beiden Seiten beigemessenen Bedeutung der griechischen Schuldenfrage avancierten die anderen Themen am ersten Tag des Obama-Besuchs in Athen fast zu Nebensächlichkeiten: die Flüchtlingskrise sowie die so nah wie nie scheinende Lösung im schon Jahrzehnte währenden Zypern-Konflikt, sprich: die Überwindung der Teilung der Mittelmeerinsel.

Obama lobte dabei ausdrücklich die Haltung der Griechen in der Flüchtlingskrise. Hierzulande weilen nach der Schließung der berühmt-berüchtigten Balkanroute im Februar und dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals im März mittlerweile mehr als 60.000 Flüchtlinge und Migranten.

Heute Mittwoch steht für Obama noch ein Besuch des Akropolis-Museums auf dem Programm. Der 44. Präsident der USA will eine Rede mit der Akropolis im Hintergrund halten. Ursprüngliche Pläne, wonach Obamas Rede auf der Pnyx stattfinden sollte, dem Hügel direkt westlich der Akropolis gelegen, wurden jedoch im Vorfeld fallengelassen - aus Sicherheitsgründen, wie es im Vorfeld hieß.