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Wie viel Ego hält die Welt aus?

Von Klaus Huhold

Politik

Seine Biographen zeichnen das Bild eines selbstverliebten Lügners. Was bedeutet das für seine Präsidentschaft?


Washington/Wien. Donald Trump ist in den ersten Tagen seiner US-Präsidentschaft etwas gelungen, das er schon sein Leben lang ausgezeichnet beherrscht hat: Er hat riesengroße Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Das liegt freilich in der Natur seines Amtes: Als Präsident der Weltmacht USA ist ihm große Beachtung gewiss, beeinflusst er doch mit seinen Entscheidungen weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus das Schicksal von Millionen Menschen. Das zeigte sich bereits hierzulande, als Passagiere aus bestimmten muslimischen Ländern plötzlich am Wiener Flughafen feststeckten, weil ihnen ein präsidiales Dekret die Weiterreise verunmöglichte.

Doch genau das Beispiel der in aller Welt feststeckenden Passagiere macht auch deutlich, dass Trump wieder einmal auf Trumpsche Art für Aufmerksamkeit gesorgt hat: Er hat polarisiert. Trump hat Wut und Entsetzen ausgelöst, etwa bei Wirtschaftstreibenden, die um die USA als Anziehungspunkt für die weltbesten Talente fürchten, oder bei Kommentatoren in den Medien, die den Rassismus der Aktion anprangern, da Menschen aus bestimmten Ländern (Syrien, Irak, Iran, Sudan, Libyen, Jemen und Somalia) pauschal die Einreise verweigert wird. Der US-Präsident hat aber auch bei vielen seiner Anhängern Begeisterung ausgelöst, was sich in den sozialen Medien zeigt. Tenor: Er schützt das Land vor Terror, er hält, was er verspricht.

Jedenfalls steht Trump im Mittelpunkt der Welt. Deshalb stellt sich die Frage, wie dieser Mann tickt, welche Eigenschaften ihn auszeichnen. Und: Was bedeutet das für seine Politik, was lässt das für seine Amtszeit, die gerade erst begonnen hat und noch vier Jahr dauert, erwarten?

Über die Persönlichkeit Trumps haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Leute berichtet, Biographien wurden über ihn veröffentlicht, ehemalige Mitarbeiter und Weggefährten von den Medien befragt. Freilich ist eine Charakterisierung auch immer eine Frage des Standpunkts, und viele, die über Trump schrieben, sind nicht seine Freunde. Doch gibt es ein paar Eigenschaften, die Leute, die Trump über einen längeren Zeitraum begegnet sind oder ihm nachgeforscht haben, unabhängig voneinander nennen: Demnach giert Trump nach Aufmerksamkeit, ist selbstverliebt, ein Lügner und unfähig, mit Kritik umzugehen.

"Lügen ist seine zweite Natur"

Einer, der Trump besonders gut kennt, ist Tony Schwartz. Er hat Trump in den 1980er Jahren eineinhalb Jahre lang begleitet, traf ihn in seinen Anwesen, saß mit ihm Büro, flog mit dem Immobilien-Tycoon und Kasinobetreiber im Helikopter. Schwartz hat als Co-Autor mit Trump das Buch "Die Kunst des Erfolges" geschrieben, ein Bestseller, der den Mythos von Trump als genialen Geschäftsmann befeuerte.

Mittlerweile bereut Schwartz, dass er Trump nach eigener Auskunft wesentlich sympathischer dargestellt habe, als der Republikaner tatsächlich ist. Und Schwartz leistete Abbitte, indem er bereits im Sommer mit dem Magazin "New Yorker" ein ausführliches Gespräch darüber führte, wie er den mittlerweile mächtigsten Mann der Welt tatsächlich sieht: als Soziopathen, dem es immer nur um das eigene Ego geht.

Schwartz sagt dabei Bemerkenswertes über Trumps Bezug zur Wahrheit: "Er hat Lügen strategisch eingesetzt. Er hatte deshalb auch überhaupt kein schlechtes Gewissen." Das habe Trump immer wieder "einen komischen Vorteil" eingebracht.

Es war schon Trumps Taktik während seines Wahlkampfes und scheint auch Teil seiner Präsidentschaft zu sein: Man braucht etwas nur oft und laut genug in die Welt hinauszuschreien, dann wird es irgendwann wie ein Faktum behandelt. So hat Trump, der mehr Wahlmänner, aber weniger abgegebene Stimmen als Hillary Clinton auf sich vereinen konnte, erst kürzlich erneut von Wahlbetrug gesprochen. Und wieder hat er keine Beweise geliefert.

Die Verstellung und der kreative Umgang mit Fakten sind freilich immer wieder und vielerorts Teil der Politik. Doch Trump treibt das Spiel mit Unwahrheiten besonders weit. Und Schwartz meint auch, dass einerseits das Lügen die "zweite Natur" von Trump sei. Dass Trump aber andererseits die Eigenschaft besitze, sich selbst davon zu überzeugen, dass das, was er sagt, in der einen oder andern Form wahr ist oder wahr sein sollte.

Das trifft vor allem zu, wenn es seinen eigenen Ruhm betrifft. Trump reagiere impulsiv und empfindlich auf Kritik, berichtet Schwartz. Davon können auch der Wirtschaftsanalyst Marvin Roffmann und der Reporter Wayne Barret ein Liedchen singen, wie die beiden gegenüber der "Zeit" berichteten. Roffmann verlor nach einer Intervention Trumps seinen Job, Barret verbrachte nach einer Anzeige Trumps eine Nacht in einer Gefängniszelle. Der Grund: Die beiden hatten in den 1990er Jahren Trumps Geschäftsmodell in Frage gestellt.

Auch der Präsident Trump reagiert sehr dünnhäutig auf Kritik. Beispiel dafür ist der Streit, ob bei seiner Inauguration mehr Leute als bei der von Obama vor acht Jahren waren (laut vergleichenden Aufnahmen bei der von Obama, Trump und sein Team behaupten das Gegenteil). Trump sprach daher nach seiner Amtseinführung von einem "fortlaufenden Krieg" mit den Medien, die wiederum ihrerseits Trump mit offener Abneigung begegnen. Seine Gefechte mit seinen Kritikern werden sich wohl durch seine gesamte Präsidentschaft ziehen.

Die ersten Wochen der Trumpschen Präsidentschaft haben auch gezeigt, dass es keinen anderen Donald Trump gibt. Als Präsident ist er genau so wie als Wahlkämpfer. Trump "ist 70 Jahre alt, warum sollte er sich dann ändern", sagte der Journalist David Cay Johnston, Autor des Buches "Die Akte Trump", dem "Tagesspiegel".

Auch Johnston lässt kein gutes Haar an Trump: Er beschreibt ihn als ignorant und frei von Selbstkritik. Die einzig Positive, was er über Trump zu sagen weiß, ist, dass er seinen Namen zu einem Label gemacht hat. Das sei immerhin eine Leistung.

Profiteur der sozialen Medien

Und das müssen auch seine Gegner anerkennen: Trump ist ein begnadeter Entertainer. Das haben diejenigen Berater erkannt, die ihn drängten, in die Politik zu gehen. Davon profitieren die Medien, denen er Aufmerksamkeit und Quote bringt.

Dabei hat kaum jemand die Boulevardisierung des öffentlichen Diskurses so für sich zu nutzen gewusst. Er war stets ein Objekt der Klatschpresse und der Promi-News, er hatte Shows im Fernsehen - befreit von Schamgefühl, bediente er Voyeurismus und Unterhaltungslust. Auch das Aufkommen der sozialen Medien und des Smartphones waren wahrscheinlich kein Nachteil für ihn. Kampagnenmanager berichten, dass die durchschnittliche Verweildauer bei einem Video in den sozialen Medien 22 Sekunden beträgt. Das fördert markige Sprüche und nicht Argumente, und das beherrscht Trump.

Der Autor Michael D’Antonio schriebt in dem Buch "Die Wahrheit über Donald Trump": "Facebook, Twitter, Instagram und selbst die Selfies, die in Unmengen ins Internet gestellt werden, sind Ausdruck jener Form von Eigenwerbung, die Trump sein Leben lang so erfolgreich betrieben hat. Der einzige Unterschied besteht darin, dass er es als Erster und in viel größerem Maßstab tat."

Vielleicht ist das die Frage, die die Präsidentschaft von Trump beantworten wird: Wie viel Ego und Boulevardisierung hält die Demokratie aus?