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Slam-Dunk-Diplomatie

Von WZ-Korrespondent Fabian Kretschmer

Politik

Ex-NBA-Legende Dennis Rodman ist überraschend nach Pjöngjang gereist. Dort trifft er seinen "Freund fürs Leben": Diktator Kim Jong Un. Und prompt lässt Nordkorea den US-Studenten Otto Warmbier frei.


Seoul. Am Dienstagnachmittag stolziert Dennis Rodman durch die Korridore des Kim-Il-Sung-Flughafens. Wie immer erscheint der Basketball-Exzentriker in abgedunkelter Sonnenbrille, tief ins Gesicht gezogener Baseballcap und klunkerschweren Nasenpiercings. Auf seinem T-Shirt prangt das Logo einer "digitalen Bank für die Marihuana-Industrie" - der obskure Sponsor eines ebenso obskuren Trips. Zum fünften Mal seit 2013 reist der 56-jährige NBA-Star bereits in die abgeschottete Diktatur, die keinerlei diplomatische Beziehungen zu den USA unterhält.

Was Rodman dort genau vorhat, kann ihm der CNN-Korrespondent in Pjöngjang nicht entlocken. Jedoch deutet er an: "Donald Trump ist sicherlich glücklich darüber, dass ich hier bin, und etwas zu erreichen versuche, das wir beide wollen". Ob Rodman damit die Freilassung der vier derzeit unter anderem für Spionage einsitzenden US-Amerikaner meint, ließ er offen. Kurz danach sorgt jedoch die Meldung für Furore, dass einer der inhaftierten US-Studenten Otto Warmbier nach 17 Monaten im nordkoreanischen Gefängnis freigelassen wurde.

Rodmans Besuch kommt zu einer Zeit, in der die Beziehung zwischen den Staaten auf einen neuen Tiefpunkt zuläuft. Das Kim-Regime hat heuer 16 Raketen getestet, Washington drohte mit einem militärischen Erstschlag gegen Pjöngjang. Könnte Dennis Rodman da zu einer Deeskalation beitragen? Der ehemalige Chicago-Bulls-Spieler inszeniert sich als Brückenbauer zwischen den verfeindeten Nationen, und sieht sich in der Tradition der Ping-Pong-Diplomatie, bei der mithilfe von Tischtennisturnieren Nixons Amerika und Maos China in den Siebzigerjahren zueinanderfanden.

"Diese Farce ignorieren"

Tatsächlich hat bereits US-Außenministerin Madeleine Albright bei ihrem Nordkorea-Besuch im Jahr 2000 einen von Michael Jordan unterschriebenen Basketball im Gepäck dabei gehabt. Der 2012 verstorbene Kim Jong Il galt nämlich als ausgesprochener Fan des amerikanischen Ballsports - und hat seine Leidenschaft auch an seinen Sohn Jong Un weitergegeben. Ein Jugendfoto zeigt den damals schmächtigen Teenager in Rodman-Trikot. Jahrzehnte später, mittlerweile im Diktatorensessel, hat sich Kim Jong Un mit Dennis Rodmans erstem Nordkorea-Besuch wohl einen Kindheitstraum erfüllt. Gemeinsam schauten sie sich Basketballspiele an, sangen Karaoke (Frank Sinatras "My Way") und entspannten mit Kims neugeborener Tochter im Familiendomizil an der Ostküste.

Der Kanadier Michael P. Spavor, der Rodmans Reise und Visa organisiert hat, war damals ebenfalls mit von der Partie. "Am Anfang war ich sehr nervös, aber schon bald hat es sich angefühlt, als seien wir alte Freunde", sagt Spavor über die gemeinsame Zeit mit Kim Jong Un. Dieser sei sehr intelligent, charismatisch und humorvoll. Genau wie Rodman benutzt er führ gewöhnlich den offiziellen Titel "Marschall", wenn er den nordkoreanischen Diktator spricht.

"Dennis Rodman ist überaus ignorant gegenüber der Situation im Land", sagt der Koreanologe Benjamin R. Young, der derzeit mit einem Fulbright-Stipendium in Seoul forscht: "Wer Hoffnungen hegt, dass so jemand das Nordkorea-Problem lösen könnte, wird bitter enttäuscht." Sein Vorschlag: "Am besten sollte man diese Farce einfach ignorieren." Den mitgereisten TV-Journalisten des kanadischen Hipster-Mediums "Vice" gelang bei Rodmans erstem Nordkorea-Besuch 2013 ein unverhoffter Scoop, als dieser nach einem Freundschaftsspiel zwischen dem nordkoreanischen Nationalteam und der Showtruppe der Harlem Globetrotters, zu einer Rede ansetzte: "Es tut mir leid, dass unsere beiden Länder nicht gut miteinander auskommen", lallte der sichtlich angetrunkene Rodman in der prall gefüllten Halle, bevor er sich direkt an Kim Jong Un neben ihm wendete: "Mit mir hast du einen Freund fürs Leben!". Von den anwesenden Parteikadern erntete er stehenden Applaus, doch die Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten zeigte sich erzürnt. Auch die Obama-Regierung sagte unverhohlen, dass sie die Nordkorea-Besuche Rodmans am liebsten verbieten würde, wenn sie die rechtlichen Mittel dazu hätte.

Setzt Trump auf Rodman?

Jedoch lässt sich nicht abstreiten, dass der Ex-Basketballer der einzige US-Amerikaner ist, der Nordkoreas Diktator privat kennengelernt hat. Donald Trump, der seit Wochen verzweifelt versucht, inoffizielle Kommunikationskanäle nach Pjöngjang aufzubauen, hat sich in Interviews sowohl anerkennend über Kim ("ein schlaues Kerlchen") als auch Rodmans Nordkorea-Besuche geäußert. Auf den zweiten Blick scheinen sich die drei menschlich durchaus nicht fremd zu sein. Trump kennt Rodman noch von seiner Reality-Show im Fernsehen. Offiziell heißt es aus Washington jedoch, dass Rodman "rein privat" unterwegs sei und nicht von den USA gesandt.

Von einigen Nordkorea-Experten genießt Rodman auch Rückenwind: Der renommierte Andrei Lankov von der Seouler Kookmin Universität argumentiert etwa, dass jeglicher Austausch mit Nordkoreanern dazu führe, dass diese ihre Vorurteile über "blutrünstige US-Imperialisten" überdenken würden. Ob Rodman dafür ein geeignetes Vorbild ist, bleibt mehr als fraglich: Seine Besuche waren stets auch von Alkoholexzessen und verbalen Ausrutschern geprägt. Während eines berüchtigten Fernsehinterviews etwa beschimpfte ein aus Pjöngjang zugeschalteter, sichtlich berauschter Rodman den CNN-Moderator für seine kritischen Fragen.