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Im Schatten der Angst

Von Ronald Schönhuber

Politik

Bei den Präsidentenwahlen steht ein Kopf-an-Kopf-Rennen bevor. Ein knappes Ergebnis hat 2007 zu Unruhen geführt.


Nairobi. Den acht Stunden hatte die Konkurrenz lange nichts entgegenzusetzen gehabt. Denn nichts symbolisiert den wirtschaftlichen Aufschwung Kenias derzeit stärker als jene acht Stunden, die sich Reisende auf der Strecke Nairobi-Mombasa ersparen, seit die noch von den Briten in der Kolonialzeit erbaute Bahnstrecke vor zwei Monaten durch eine neue Hochgeschwindigkeitstrasse ersetzt wurde. Und Präsident Uhuru Kenyatta hatte so knapp vor den Wahlen kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um die neue Strecke als krönenenden Abschluss seiner großen Infrastruktur-Offensive anzupreisen.

Doch mittlerweile ist das 3,4-Milliarden-Euro-Projekt, das maßgeblich von China finanziert und umgesetzt wurde, aus der Spur geraten. Immer lauter wird die Kritik, dass es vor allem darum ging, das Prestigevorhaben rechtzeitig vor den Präsidenten- und Parlamentswahlen am 8. August fertig zu bringen, während alle damit verbundenen Probleme wie der Verkehrsinfarkt rund um die Bahnhöfe oder das Chaos beim Ticketverkauf ignoriert wurden.

Ähnlich starken Gegenwind spürt auch der Präsident selbst. Lag Kenyattas Jubilee-Partei zu Beginn des Wahlkampfs noch knapp 30 Prozentpunkte vor der National Super Alliance (Nasa) seines größten Gegners Raila Odinga, so ist dieser Vorsprung mittlerweile auf drei Prozentpunkte geschrumpft. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem der Ausgang tage- oder wochenlang in Schwebe sein könnte, scheint damit unausweichlich. Angesichts dieser Ausgangslage macht sich in der größten Volkswirtschaft Ostafrikas auch schon seit geraumer Zeit die Angst breit. Denn eine ähnliche Konstellation hatte im Jahr 2007 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt, als sich nach einem von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahlgang sowohl Odinga als auch der damalige Präsident Mwai Kibaki zum Sieger erklärt hatten. Aufgehetzte Parteianhänger zogen damals mit Macheten und Speeren durch die Straßen und töteten knapp 1200 Menschen.

Wahlleiter ermordet

Kenyatta, der 2007 Chef der Kanu-Partei war und zusammen mit seinem heutigen Stellvertreter William Ruto die Unruhen gezielt geschürt haben soll, musste sich deswegen sogar vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Wegen Mangel an Beweisen wurden die Ermittlungen gegen den 55-Jährigen, dessen Vater Jomo der erste Präsident des unabhängigen Kenias war, aber eingestellt.

Wie aufgeheizt die Lage auch diesmal ist, hat sich bereits in der vergangenen Woche gezeigt. So wurde am vergangenen Samstag Christopher Msando, der Leiter des digitalen Wahlsystems, tot aufgefunden. Laut Polizeiangaben war Msando, der auch für die elektronische Übertragung der Ergebnisse verantwortlich war, vor seiner Ermordung auch gefoltert worden. Nur einen Tag zuvor war das Haus von Vizepräsident Ruto von einem schwer bewaffneten Angreifer unter Feuer genommen worden.

Dass es für Kenyatta, der 2013 relativ deutlich gegen Odinga gewonnen hat, diesmal knapper werden dürfte, hat nach Ansicht vieler Experten vor allem damit zu tun, dass sich die Lebensumstände für viele Kenianer trotz aller Infrastruktur-Großprojekte kaum verbessert haben. So hat die Korruption im Land noch nie dagewesene Ausmaße erreicht, die ärmsten Bevölkerungsschichten wissen angesichts stetig steigender Unterhaltungskosten oft kaum noch, wie sie über die Runden kommen sollen. Auch bei den Arbeitslosenzahlen hat der wirtschaftliche Aufschwung bisher wenig Niederschlag gezeigt. 90 Prozent der neuen Arbeitsplätze würden im informellen Sektor geschaffen, sagt Jibran Qureishi, Ostafrika-Experte bei der Stanbic-Bank. Und dort gibt es oft nur Mini-Jobs, mit denen sich kaum Geld verdienen lässt.

Die Ethnie entscheidet

Helfen dürfte dem 72-jährige Odinga, der mittlerweile zum vierten Mal bei Präsidentschaftswahlen antritt, aber auch, dass er diesmal ein ungewöhnlich breites Oppositionsbündnis geschmiedet hat. Denn mit insgesamt fünf Oppositionsparteien stellt die Nasa nicht nur den bisher größten derartigen Zusammenschluss dar, auch die ethnische Zusammensetzung ist so vielfältig wie nie zuvor. Diese Breite könnte Odinga, der sein Maschinenbau-Studium in der DDR abgeschlossen hat, womöglich entscheidende Stimmen bringen. Denn bis heute wird ein Politiker in Kenia weniger wegen seiner Persönlichkeit oder seines Programmes gewählt, sondern vor allem wegen seiner Stammeszugehörigkeit.

Für Cecila Awuor spielt allerdings nicht einmal das eine Rolle. "Ich kann nicht meine Zeit damit verschwenden, dass ich mit anstelle, um einen Politiker zu wählen, der sich nur selbst bereichern will", sagt die 25-Jährige, deren Frustration vor allem viele junge Kenianer nachvollziehen werden können. Denn trotz eines abgeschlossenen Studiums gab es für sie am formellen Arbeitsmarkt kaum Angebote. Die Wirtschaftsinformatikerin arbeitet daher seit einem Jahr für 50 Dollar im Monat als Hausmädchen.