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Die große Niederlage von "Gucci Grace"

Von Klaus Huhold

Politik

Seinen letzten großen Machtkampf hat Langzeitherrscher Robert Mugabe offenbar verloren.


Harare/Wien. Die politische Karriere von Grace Mugabe begann bei Tee und Keksen: Damals hieß sie noch Grace Marufu und war Sekretärin von Simbabwes Herrscher Robert Mugabe. Dieser erkundigte sich, wie sie später in Interviews berichtete, immer wieder charmant nach ihrem Befinden. 1996 heiratete sie dann bei einem pompösen Fest Robert Mugabe, mit dem sie drei Kinder hat.

Die First Lady wurde bald eine der einflussreichsten politischen Figuren. Sie wurde Vorsitzende der Frauenliga der herrschenden Partei Zanu-PF, tourte durch das Land und war in ihren Reden für ihre spitze Zunge bekannt. Doch ihre verarmten Landsleute hat sie allein durch ihren Lebensstil vor den Kopf gestoßen: Während Robert Mugabe sich gerne als Asket darstellte, der nur für sein Land arbeiten will, war seine Frau Grace für ihre exzessiven Shoppingtouren im Ausland bekannt, was ihr den Beinamen "Gucci Grace" einbrachte.

Am Ende scheint es die 52-Jährige aber mit ihrem Machthunger übertrieben zu haben: Sie wollte Nachfolgerin ihres Mannes werden. Dieser unterstützte sie dabei. Robert Mugabe besaß sein ganzes politisches Leben lang den richtigen Instinkt sowie genügend Brutalität und Skrupellosigkeit, um politische Machtkämpfe für sich zu entscheiden. Nur gegen Ende, mit 93 Jahren, hat sich der Langzeitherrscher aber verschätzt. Zu groß war offenbar der Widerstand gegen Grace in der Zanu-PF, zu mächtig waren ihre Gegenspieler, allen voran der ehemalige Vizepräsident Emmerson Mnangagwa.

Mugabe stehtunter Hausarrest

Zu den Mittagsstunden erreichten die Bewohner Simbabwes Nachrichten, die jahrzehntelang unvorstellbar schienen: Robert Mugabe, der einst übermächtige Präsident des Landes, stehe unter Hausarrest. In einem Telefonat mit Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat Mugabe diesem gesagt, dass er in seinem Anwesen festgehalten werde. Seit 1980 hat Mugabe, der zuvor einer der Anführer des Kampfes gegen die weiße Vorherrschaft war, Simbabwe regiert. Gerne und oft hat er dabei sich seines Sicherheitsapparates bedient, um Regimekritiker zu verfolgen. Doch nun haben sich die Gewehrläufe offenbar gegen ihn selbst gerichtet.

In der Nacht auf Mittwoch sind in der Hauptstadt Harare die Panzer ausgerollt. In der Nähe von Mugabes Wohnsitz waren Schüsse gefallen, später blockierten Panzer das Parlament in Harare. Auch der staatliche Fernsehsender, ein Sprachrohr Mugabes, wurde von Soldaten besetzt. Das Wiener Außenamt forderte österreichische Staatsbürger auf, die Lage vor Ort genau zu beobachten und sich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten.

Das Militär bestand aber in einer Verlautbarung darauf, dass es sich um keinen Putsch handle. Vielmehr wolle es gegen "Kriminelle" im Umfeld von Robert Mugabe vorgehen, sagte Generalmajor SB Moyo am Mittwoch im staatlichen Fernsehen. Und er versicherte auch gleich, dass es Mugabe und seiner Frau gut gehe.

Es war ein Staatsstreich, der mit wenigen Schüssen abging. Und auch sonst war es in Harare für die Umstände sehr ruhig, berichtete der Politanalyst Derek Matyszak, den die "Wiener Zeitung" in Harare erreichte.

Passanten scherzten sogar mit den in den Straßen der der Stadt postierten Soldaten. "Es scheint, dass die Bürger erleichtert sind, dass die Mugabe-Ära zu Ende geht. Mehr, als dass sie sich Gedanken über die Zukunft machen" sagt Matyszak, der für die Denkfabrik "International Institute for Strategic Studies" über Simbabwe forscht.

Grace Mugabe und Emmerson Mnangagwa hatten sich in den vergangenen Wochen einen heftigen Machtkampf. Grace Mugabe bezeichnete ihren Konkurrenten Mnangagwa als "Schlange", der man "auf den Kopf schlagen" müsse. Schließlich verlor der 75-Jährige seinen Posten als Justizminister und als Vizepräsident und wurde zudem aus der Regierungspartei Zanu-PF ausgeschlossen. In einer Erklärung wurden ihm "Illoyalität, Respektlosigkeit, Verlogenheit und Unzuverlässigkeit" vorgeworfen. Auch dutzende Mitstreiter, teilweise hochrangige Parteimitglieder, hat Robert Mugabe Anfang dieser Woche vom Hofe der Zanu-PF gejagt. Das war offenbar sein großer Fehler, Mugabe hatte seine Macht überschätzt. Denn kurz darauf schritt das Militär ein. Die Armeespitze galt schon länger als Verbündeter von Mnangagwa.

Zwar hat sich die Jugendliga der Zanu-PF hinter das Ehepaar Mugabe gestellt. Die Revolution und den Präsidenten zu verteidigen, "ist ein Ideal, für das wir zu sterben bereit sind", verkündete Anführer Kudzai Chipanga. Allerdings scheint das Militär einheitlich hinter dem Staatsstreich zu stehen. Schon am Montag drohte die Armeeführung einzugreifen, falls die Lage aus dem Ruder läuft. Versammelt bei dem öffentlichen Statement waren alle hochrangigen Generäle. Der Machtkampf scheint daher entschieden - auch wenn die Lage unberechenbar bleibt.

"Das Krokodil" istnun der starke Mann

Der neue starke Mann in Simbabwe ist offenbar Mnangagwa. Dass unter ihm sich nun die Politik ändert, ist sehr zweifelhaft. Der Politiker, der den Spitznamen "Das Krokodil" trägt, war jahrzehntelang ein treuer Mitstreiter Mugabes. "Er war der Mann für das Grobe und für die Repression verantwortlich", erklärt der Historiker Walter Sauer, der in Wien dem Dokumentations- und Kooperationszentrum für das Südliche Afrika vorsteht.

Viele Beobachter vermuten nun, dass es den neuen Machthabern zunächst darum gehen wird, die Zanu-PF von den Anhängern Grace Mugabes zu säubern. So wurde mit Finanzminister Ignatius Chombo bereits ein prominenter Unterstützer festgenommen.

Nach äußerst umstrittenen Wahlen im Jahr 2013, die die Opposition als gestohlen bezeichnete, regiert die Zanu-PF wieder alleine. Oppositionelle müssen bis heute fürchten, dass sie verschleppt und verprügelt werden. Zudem ist die einstige Kornkammer Afrikas, in der Mugabe die weißen Farmer enteignen ließ und viele Ländereien Günstlingen zuschanzte, wirtschaftlich am Sand. Die Inflation liegt derzeit bei rund 50 Prozent, die Importgüter werden knapp, in manchen Gegenden liegt die Arbeitslosigkeit bei mehr als 90 Prozent. Das Land steht - wieder einmal - vor dem Kollaps.

Das könnte Mnangagwa zum Einlenken bewegen. "Er hat in Sachen Demokratie einen schlechten Ruf, in ökonomischen Fragen präsentiert er sich aber als Pragmatiker" berichtet Matyszak. "Vielleicht kommt er zu der Überzeugung, dass eine Regierung, die die Opposition einbindet, und wirtschaftliche Reformen der beste Weg sind, um das Land aus seiner Krise zu führen."

Ein derartiger Reformkurs könnte Mnangagwa international viel Anerkennung und damit auch finanzielle Hilfen bringen. Wie es in Simbabwe weitergeht, wird daher auch von den internationalen Reaktionen abhängen. Ende November findet ein EU-Afrika-Gipfel statt - die Union hat mal vorerst zum "Dialog" in Simbabwe aufgerufen. Südafrika hat bereits eine Delegation nach Harare zur Vermittlung entsandt. Aber es gibt noch andere Mitspieler. Erst vergangene Woche hat Militärchef General Constantino Chiwenga China besucht.