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Trump spielt auf Risiko

Von Klaus Huhold

Politik

Bei seinem Gipfeltreffen mit Kim Jong-un lässt sich Donald Trump auf eine sehr schwammige Abschlusserklärung ein. Es wird sich weisen, ob der US-Präsident damit Frieden stiftet - oder sich über den Tisch ziehen hat lassen.


Singapur/Wien. "Fantastisch, großartig, wunderbar." US-Präsident Donald Trump war den ganzen Tag nicht um Superlative verlegen: Während der Fototermine mit Kim Jong-un, bei kurzen Zwischenstatements, und auch die abschließende Pressekonferenz hielt Trump in der typischen Trump-Diktion ab.

In sichtlich guter Stimmung berichtete der frühere Reality-TV-Star einer Heerschar von Journalisten von seinem Gipfeltreffen mit Nordkoreas Machthaber. Er ging diesmal geduldig auch auf kritische Fragen ein, verkündete gar, dass dieser Moment zu historisch sei, als dass er sich mit Journalisten streiten wolle.

Tatsächlich hat die Welt an diesem Dienstag in einem Luxushotel auf der zu Singapur gehörenden Vergnügungsinsel Sentosa noch nie Dagewesenes erlebt. Erstmals haben ein US-Präsident und ein nordkoreanischer Machthaber direkte Gespräche miteinander geführt. Und die beiden Männer dieser seit Jahrzehnten verfeindeten Staaten, die sich vor kurzem noch Zerstörung und Vernichtung angedroht und einander als "seniler Greis" (Kim über Trump) und "kleiner Raketenmann" (Trump über Kim) beschimpft haben, verstanden sich sichtlich gut, lächelten, schüttelten Hände und unterzeichneten schließlich ein Dokument, auf das Trump bei der Pressekonferenz stolz verwies.

Trump will Manöver mit Südkorea beenden

In diesem ist dann auch vom Kernproblem die Rede, das die Korea-Krise so brandgefährlich macht und die internationale Öffentlichkeit so gebannt auf diesen Gipfel blicken ließ: Nordkoreas Atomprogramm. Die isolierte Diktatur besitzt Atombomben und kann nach eigenen Angaben mittlerweile die USA mit Raketen erreichen, die mit Atomsprengköpfen bestückt sind.

Nun, in dem Gipfeldokument, verpflichtet sich das Regime in Pjöngjang, "auf eine vollständige Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel hinzuarbeiten". Was auf den ersten Blick nach einem epochalen Durchbruch ausschaut, erweist sich auf den zweiten Blick als wenig Neues. Genau dasselbe hat Kim auch beim innerkoreanischen Gipfel mit Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in Ende April versprochen. Und in dieser vagen Formulierung fehlen die entscheidenden Details: Nordkorea hat sich zu keinem Zeitrahmen verpflichtet, bis wann es seine Atomwaffen vernichtet. Und es gibt auch keinerlei Plan, wie die versprochene Abrüstung überwacht und überprüft werden soll.

Trump meinte dazu, dass keine Zeit geblieben sei, derartige Details zu verhandeln. Dass aber Nordkoreas Denuklearisierung "sehr schnell" beginnen und international überwacht würde. Außerdem verwies er darauf, dass man erst am Anfang des Verhandlungsprozesses stehe und noch weitere Treffen folgen würden, um Details festzuzurren.

Der Immobilientycoon beharrte auch darauf, dass die USA selbst noch nichts hergegeben hätten. Denn die Sanktionen bleiben aufrecht. Und zwar so lange, "bis Nordkoreas Nuklearwaffen nicht mehr einatzfähig sind".

Allerdings ließ Trump doch mit einem Entgegenkommen aufhorchen. "Wie werden die Kriegsspiele auf der Koreanischen Halbinsel beenden", verkündete er. Offenbar will er die gemeinsamen Militärmanöver mit Südkorea beenden. Bei der Pressekonferenz beklagte er sich auch darüber, dass diese viel zu viel kosten würden. Und er spielt sich sogar mit dem Gedanken, die mehr 30.000 US-Soldaten - auf lange Sicht - ganz aus Südkorea abzuziehen. Schließlich habe er versprochen, die US-Truppen nach Hause zu bringen.

Der Schritt schien nicht mit Südkorea abgesprochen, zumindest zeigte sich Seoul äußerst überrascht. Für Südkorea und für Japan - auch hier haben die USA Truppen stationiert - wäre ein Rückzug ihrer Schutzmacht aus Ostasien äußerst heikel.

Eine Frohbotschaftfür China

Eine Frohbotschaft wäre das aber für Nordkorea - und vor allem für China, das mit den USA um Einfluss und Vorherrschaft in der Region ringt. Überhaupt war China, obwohl nur Zuschauer, ein Gewinner des Gipfeltreffens. Aus Peking kam am Dienstag auch gleich der Vorschlag, dass die Sanktionen gegen Nordkorea gelockert werden sollen.

Somit könnte die Volksrepublik als wichtigster Handelspartner mit guten Argumenten - schließlich zeigt Kim nun Gesprächsbereitschaft - ein Druckmittel der USA unterminieren. Und das Aufbrechen der wirtschaftlichen Isolation wäre auch ganz im Sinne Kims. Der ökonomische Aufbau seines Landes ist offenbar eines seiner großen Ziele. Die Infrastruktur wird gerade ausgebaut, es gibt immer mehr gut ausgebildete Geschäftsleute, berichtete bei einem Hintergrundgespräch ein Kenner des Landes, der Nordkorea regelmäßig besucht. Kommt Nordkorea aus dem Isolationseck, winken Milliardengeschäfte - und das dann nicht nur mit China, sondern etwa auch mit Südkorea.

Trump bezeichnete Kim als "würdigen und harten Verhandlungspartner". Und tatsächlich hat Nordkoreas Staatschef, der das Treffen einen "guten Auftakt für den Frieden" nannte, viel erreicht, ohne konkrete Konzessionen zu machen. Schon allein dadurch, dass der Gipfel stattfand, wurde Kim massiv aufgewertet. Trump hat ihn als gleichwertigen Verhandlungspartner akzeptiert und einen Präzedenzfall geschaffen, vor dem seine Vorgänger im Präsidentenamt zurückschreckten. Denn Nordkorea wurde somit für seine atomare Aufrüstung belohnt.

Zudem zeigte Trump keine Scheu, voll des Lobes für einen Diktator zu sein, der politische Gegner hinrichten lässt und in dessen Land zehntausende Menschen in Gefangenlager gesperrt sind, wo sie laut den übereinstimmenden Berichten nordkoreanischer Flüchtlinge zur Zwangsarbeit verpflichtet werden, teils weder reden noch lachen dürfen und in Zellen gesperrt werden, die so eng sich, dass sich die Insassen weder hinlegen noch aufrichten können. Trump sagte, dass die Menschenrechte kurz angesprochen wurden und dass es auch hier im Laufe der Verhandlungen Verbesserungen geben werde.

Und er verwies immer wieder darauf, dass er durch sein Treffen mit Kim den Weg zu einem historischen Frieden frei gemacht habe. Tatsächlich könnte nun demnächst eine Friedensvereinbarung den Korea-Krieg, in dem von 1950-53 vier Millionen Menschen starben, nun auch formal beenden. Zudem wollen Nordkorea und die USA nun auch die sterblichen Überreste Gefallener überstellen.

Immerhin: Es wird verhandelt und nicht geschossen

Der US-Präsident nutzte den Gipfel, um als Friedensstifter aufzutreten. Gleichzeitig geht Trump mit seinem Entgegenkommen hohes Risiko ein. "Die Nordkoreaner haben diese Zusagen schon mehrmals zuvor gemacht und sie jedes Mal gebrochen", sagte Anthony Ruggiero von der in den USA beheimateten "Stiftung zur Verteidigung von Demokratien" der Nachrichtenagentur Reuters. Von Journalisten gefragt, warum Pjöngjang diesmal tatsächlich abrüsten solle, meinte Trump: Weil es nun in den USA eine bessere, fähigere Regierung gebe, die zudem mit einem anderen nordkoreanischen Machthaber als die Vorgängeradministrationen verhandle.

Ob sich Trump über den Tisch ziehen hat lassen, wird erst die Zukunft weisen. Nordkorea hat ihm noch am Dienstag die Vernichtung eines Testgeländes für Raketen versprochen. Sonst könnte Kim aber darauf setzen, dass er vieles versprechen kann und Papier geduldig ist. Bisher sah Nordkoreas Regime die Atomwaffen als Schutzschild für das eigene Überleben an. Die Gipfelerklärung bringt in der Frage der Abrüstung wenig Substanzielles.

Allerdings: Es wird nun immerhin verhandelt und das hat die hochgefährliche Lage auf der Koreanischen Halbinsel entspannt. Solange geredet wird, fallen keine Bomben.