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"Die Welt will, dass wir uns vertragen"

Von Michael Schmölzer

Politik

Präsident Trump probt die Annäherung an Moskau - und sorgt damit in den USA für Empörung.


Helsinki/Wien. Mehr als zwei Stunden dauerte das Gespräch unter vier Augen, das US-Präsident Donald Trump mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Helsinki führte. Das Treffen fand hinter geschlossenen Türen statt, Berater waren nicht anwesend, lediglich zwei Dolmetscher – obwohl Putin hervorragend Englisch spricht.Überschattet wurde die Zusammenkunft von den Vorwürfen mutmaßlicher Hackerangriffe des russischen Geheimdienstes während des US-Wahlkampfs 2016. Knapp vor Beginn des Treffens bezeichnete Trump das Verhältnis zwischen den USA und Russland als historisch schlecht und sorgte dann für einen Eklat: "Unsere Beziehung zu Russland war NIEMALS schlechter, dank vieler Jahre amerikanischer Torheit und Dummheit und nun wegen der manipulierten Hexenjagd!", so Trumps Tweet.

Russland über Trumps Standpunkt erfreut

US-Demokraten, Kommentatoren und nicht wenige Republikaner standen Kopf und wiesen auf den ihrer Ansicht nach kuriosen Umstand hin, dass Trump die USA für das schlechte bilaterale Verhältnis verantwortlich machte und nicht etwa die im Raum stehenden russischen Hackerangriffe. Etwas Derartiges habe es noch nicht gegeben, so die durchgängige Analyse der führenden US-Qualitätsmedien. Die Reaktionen reichten von "höchst ungewöhnlich" bis "bizarr". Damit würde sich die Position Trumps exakt mit der Putins decken. Des Anführers jenes Landes, das derzeit die größte Bedrohung für die US-Demokratie darstelle.

Zuvor hatte Trump zur Annexion der Ukraine durch Russland gemeint, dass sein Amtsvorgänger Barack Obama das zu verantworten habe. Unter ihm, Trump, wäre so etwas nicht passiert. Die ganze Welt, so Trump, wolle, dass die USA und Russland gut miteinander auskämen. Das russische Außenministerium zeigte sich jedenfalls erfreut und versah Trumps Tweet mit einem "we agree".Unmittelbar nach dem Treffen meinten Putin und Trump, dass das Treffen ein Erfolg gewesen sei. Man habe einen "höchst produktiven Dialog" geführt, der "gut für die ganze Welt" sei, sagte Trump, der anders als bei seinem Auftritt bei den Verbündeten der Nato in der vergangenen Woche deutlich um Harmonie bemüht war.

Der US-Präsident wiederholte, dass das Verhältnis so schlecht wie nie zuvor gewesen sei, aber "das hat sich vor etwa vier Stunden geändert." Erste Schritte in Richtung einer besseren Zukunft seien schon gesetzt worden.Auch Putin plädierte dafür, den Blick nun nach vorne zu richten. Der Kalte Krieg sei vorbei, es wäre Zeit, die neuen Herausforderungen in Angriff zu nehmen, erklärte der russische Präsident. Es gehe nun darum, zusammenzuarbeiten und das Vertrauen wiederherzustellen. Nukleare Abrüstung sei ein gemeinsames Ziel, auch die Zusammenarbeit im Bereich Cyber-Security.

Ein Feld möglicher Kooperation ist laut Putin zudem der Krieg in Syrien. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz hatte der russische Präsident Trump einen Ball der Fußball-WM überreicht und dies mit einem Aufruf für mehr Engagement im Bürgerkriegsland verbunden. "Der Ball ist nun auf ihrer Seite", sagte Putin.Nach den Worten von Trump wurde im Rahmen des Gipfels aber auch lange über die angebliche Einmischung Russlands in die US-Wahlen gesprochen. Bei der Pressekonferenz bekräftigte Putin seine Position, dass sich Russland niemals eingemischt habe. Trump zeigte sich damit demonstrativ zufrieden. "Ich habe großes Vertrauen in meine Geheimdienst-Leute, aber ich sage Ihnen, dass Präsident Putin extrem stark und kraftvoll bei seinem Dementi heute war", sagte Trump. Er selbst wies Vorwürfe geheimer Absprachen mit Russland bei seinem Wahlsieg im Jahr 2016 ebenfalls entschieden zurück. "Wir haben eine brillanten Wahlkampf geführt, und deshalb bin ich Präsident", sagte er.

Zwölf Geheimdienstmitarbeiter unter Verdacht

Das US-Justizministerium hatte am Freitag zwölf Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU beschuldigt, Computer der US-Demokraten und von Hillary Clintons Wahlkampflager angegriffen zu haben. Es war das erste Mal, dass das Ministerium den Geheimdienst und damit Putins Regierung direkt für die Attacken verantwortlich macht, die Clinton wesentlich geschadet haben dürften. Die Demokraten hatten daraufhin gefordert, das Treffen in Helsinki abzusagen.  Die Erwartungshaltung war aber zumindest die, dass Trump sein russisches Gegenüber mit aller Schärfe mit der Verdachtslage konfrontieren würde.Entsprechend empört fielen nach dem Treffen auch die Reaktionen der Demokraten aus. In der gesamten Geschichte der USA habe noch nie ein Präsident einen "Widersacher" derart unterstützt, wie dies Trump jetzt getan habe, sagte Fraktionsführer Chuck Schumer.

Senator John McCain bezeichnete Trumps Auftritt in Helsinki als "Tiefpunkt in der Geschichte der amerikanischen Präsidentschaft". Kritik kam allerdings nicht nur aus dem demokratischen Lager. So beklagte der republikanische Senator Lindsey Graham einen "schlechten Tag für die Vereinigten Staaten". Trumps Äußerungen zu den Cyberattacken würden von Russland als "Zeichen der Schwäche" gesehen werden.Dass das Treffen im finnischen Präsidentenpalast unter vier Augen stattfand, hatte in den USA bereits im Vorfeld für Verunsicherung gesorgt. So wurde unter anderem die Befürchtung laut, Trump könnte Putin desaströse Zugeständnisse machen. Die Angst war da, dass Trump Dinge aus der Hand geben würde ohne überhaupt zu verstehen, was er tut – während Putin jede Möglichkeit erkennen und nutzen würde.

EU, Russland und China gleichermaßen "Gegner"

Westliche Diplomaten äußerten zudem den Verdacht, Trump würde die gemeinsame Feindschaft gegen Nato, EU und die Russland-Ermittlungen in den USA verwenden, um einen guten Start mit Putin hinzulegen. Wenn es schlecht laufe, dann werde Trump Putin besser behandeln als die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, hieß es im Vorfeld. Vor dem Treffen hatte Trump die EU, Russland und China noch über einen Kamm geschoren und alle drei als "Gegner" bezeichnet. Auch das ein ganz klares Signal an Putin, das einer weiteren Annäherung der USA an Russland dienlich sein sollte.EU-Ratspräsident Donald Tusk rückte umgehend als Krisenfeuerwehr aus. "Amerika und die EU sind beste Freunde", schrieb Tusk auf Twitter.

Der deutsche Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, sah das ein wenig kritischer. Trump versuche, Europa zu spalten. Außenministerin Karin Kneissl meinte, "Österreich sieht die USA sicherlich nicht als Feind, die EU sicherlich auch nicht." Der deutsche Außenminister Heiko Maas reagierte schärfer: Die Europäische Union müsse angesichts solcher Aussagen ihre Partnerschaft mit den USA "neu vermessen". "Wenn der amerikanische Präsident die Europäische Union als ‚Gegner‘ bezeichnet, zeigt das leider einmal mehr, wie breit der politische Atlantik geworden ist, seit Donald Trump im Amt ist", so Maas.Im Kreml hatte man den Gipfel hingegen begrüßt. Das Verhältnis zwischen den beiden Staatsoberhäuptern sei gut, man rechne daher mit einem erfolgreichen Gipfel, hieß es hier. "Sie achten einander. Und sie können ziemlich gut miteinander reden", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.

Putins Limousine – größer als Trumps Cadillac

Vor dem Gipfel war es in Helsinki zu Demonstrationen gekommen, mehrere tausend Menschen hatten sich versammelt. Sie prangerten vor allem Angriffe auf Menschenrechte und Pressefreiheit an. "Weinerliches, dementes Männer-Baby trifft bösartigen Meisterspion. Was könnte dabei bloß schiefgehen?", war wenig schmeichelhaft auf einem Banner zu lesen. Auf einem anderen Schild verlangten Demonstranten: "Befreit die Kinder, inhaftiert Trump" - in Anspielung auf die umstrittenen Familientrennungen an der US-mexikanischen Grenze.

Wenige Stunden vor dem Treffen schlugen dann aber auch die Russen schärfere Töne an. Die Äußerungen des US-Präsidenten zur Pipeline Nord Stream 2 seien ein ungeheuerliches Beispiel für den skrupellosen Wettbewerb der USA, hieß es aus Moskau. Trump hatte die Leitung, durch die russisches Erdgas nach Deutschland und in die EU fließen soll, als Trauerspiel bezeichnet. Deutschland sei weitgehend abhängig von Energieimporten aus Russland, das sei schlecht sowohl für die Bundesrepublik als auch für die Nato.Die weitere Choreografie war dann bemerkenswert: Putin traf wie so oft unpünktlich am Gipfelort ein, das Gespräch mit Trump begann damit mit 50-minütiger Verspätung. Dazu kam, dass die Limousine, mit der Putin zu dem Treffen kam, größer war als "The Beast", also der Cadillac, auf den der US-Präsident sichtlich sehr stolz ist. Kleinigkeiten, die, wie man weiß, für Trump eine große Bedeutung haben.