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Der Trump der Tropen

Von Thomas Seifert

Politik

Brasiliens Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro outete sich als Fan der Militärdiktatur.


Rio de Janeiro. Mord und Totschlag, Bandenkriminalität, Drogenhandel, Entführungen, Raub, Korruption. Das sind die Themen, um die sich die Schlagzeilen in den brasilianischen Boulevardblättern drehen. In Brasilien gab es im Jahr 2017 56.101 Morde - das entspricht einer Mordrate von 29,2 Morden pro 100.000 Einwohner (nach einer anderen Studie beträgt die Mordrate 32,4 Morde pro 100.000 Einwohner, also 64.357 Morde im Jahr - in Österreich gab es im Jahr 2017 54 Mordfälle, 0,62 Morde pro 100.000 Einwohner).

Der frühere sozialdemokratische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva musste eine Haftstrafe wegen Schmiergeldzahlungen antreten. Michel Temer, der amtierende Präsident, ist äußerst unbeliebt, nur fünf Prozent der Brasilianer sind nach Umfragen mit seiner Amtsführung zufrieden. Temer tritt deshalb bei den Präsidentenwahlen im Oktober nicht an, die zentristische Partei Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB), der Temer angehört, schickt den früheren Finanzminister Henrique Meirelles ins Rennen.

Die politische Klasse ist durch eine Reihe von Korruptionsskandalen völlig diskreditiert, die Wählerinnen und Wähler sind frustriert. Und so wird im fünftgrößten Land der Erde der Ruf nach einem starken Mann immer lauter.

Und dieser starke Mann ist Jair Bolsonaro, ein Ex-Soldat, der heute für die Region Rio de Janeiro im Kongress in Brasília sitzt. Derzeit rangiert er in den Umfragen klar auf Platz zwei hinter Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der aber aufgrund seiner Haftstrafe bei den Präsidentenwahlen im Oktober dieses Jahres wohl nicht kandidieren darf.

In einem auf Twitter verbreiteten Video erklärt Bolsonaro nun, dass nur zwei Dinge seine Kandidatur verhindern können: "Wenn sie mich feige durch irgendeinen (juristischen) Prozess aus dem Rennen nehmen oder wenn sie mich töten." Der 62-jährige der stramm rechten Sozial-Christlichen Partei inszeniert sich als Anti-Korrutions-Kämpfer und Garant für mehr Sicherheit in Brasilien. Fast die gesamte politische Klasse ist in den Sog des Lava-Jato-Korruptionsskandals um jahrelange Schmiergeldzahlungen bei öffentliche Aufträgen gezogen worden. In den Lava-Jato-Skandal sind neben dem brasilianischen Ölkonzern Petrobras, Unternehmen aus anderen wichtigen Branchen der brasilianischen Wirtschaft verwickelt.

"Ich bin für die Diktatur!"

"Ich bin eine Person, die komplett außerhalb des Establishments steht", sagt Bolsonaro. Der Präsidentschaftskandidat ist für sein Lob der Zeit der Militärdiktatur berüchtigt. Als Kongressabgeordneter war er zuletzt als solcher bei der Debatte über die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff aufgefallen. Er hat sein "Ja" zur Amtsenthebung der linken Politikerin 2016 mit einem Lob für Carlos Alberto Brilhante Ustra verbunden. Der Militär war unter anderem für die Folterung der Guerillakämpferin Rousseff während der Militärdiktatur (1964-1985) verantwortlich gewesen. Bolsonaro versucht mit seinem Lob des Junta-Regimes den bis heute im Land weit verbreiteten Mythos zu nähren, dass während der Zeit der Militärdiktatur die Korruption im Land ausgerottet worden sei. Tatsächlich hat ein Bericht einer Historikerkommission zutagegefördert, dass die totale Kontrolle der Militärs über die Justiz und die Pressezensur das Fundament für diesen Mythos gelegt haben. Bolsonaro: "Die Zeit der Militärdiktatur war eine Zeit der Glorie für Brasilien, eine Zeit, in der Kriminelle Kriminelle waren, eine Zeit, in der jene, die hart arbeiteten, befördert wurden und sogar im Fußball wurden wir damals nicht so erniedrigt, wie heute - ich erinnere an die 7:1-Niederlage gegen Deutschland im Semifinale von 2014."

Von Bolsonaro - der sich in der Vergangenheit auch wiederholt als Fan des ehemaligen chilenischen Militärdiktators Augusto Pinochet geoutet hat - ist das Zitat überliefert: "Ich bin für die Diktatur". Zu der Politikerin Maria do Rosário von der linken Arbeiterpartei hat er einmal gesagt, sie habe es nicht verdient, vergewaltigt zu werden, "weil sie sehr hässlich ist".

Neben seiner offen rassitischen, misogynen, schwulen- und ausländerfeindlichen Rhetorik warnt er auch vor einem Ausverkauf des Landes an China. Die afro-brasilianische Gemeinde - genannt quilombos - hat er als "sogar zur Fortpflanzung ungeeignet" bezeichnet und über die Vertreter von Schwulen-, Lesben und Transgenders meinte er, sie sollte man am besten an die Wand stellen. Bolsonaro bezeichnet Donald Trump als sein politisches Vorbild, aber selbst Trump würde wohl solche Dinge nicht sagen. Der US-Präsident würde zum Beispiel nicht vorschlagen, dass man Kriminalität dadurch löst, dass man der Polizei die Lizenz zum Töten erteilt, so wie Bolsonaro das getan hat.

Eduardo Bolsonaro, Sohn von Jair Bolsonaro - und wie sein Vater Kongressabgeordneter - sagt, sein Vater wäre Teil einer "globalen Bewegung", zu der auch der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen und eben auch Donald Trump gehören. Bei den Evangelikalen wiederum punktet Bolsonaro mit seiner strikten Ablehnung der Abtreibung. Bolsonaros Gegner hoffen auf das brasilianische Wahlsystem: In einer Stichwahl wird es der polarisierende Bolsonaro schwer haben.