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Nur jeder fünfte Asylberechtigte bekam Job

Von Karl Ettinger

Politik

Laut einem vertraulichen AMS-Bericht zur Jobbörse scheiterten die Betroffenen schon bei der Online-Anmeldung.


Wien. Das mediale Aufsehen war groß, die damalige türkis-blaue Bundesregierung war angeführt von Bundeskanzler Sebastian Kurz angerückt, Chefs großer Unternehmen waren ebenfalls gekommen. Bei der Jobbörse in der Gösserhalle in Favoriten am 23. Jänner haben Asylberechtigte eine lange Schlange gebildet, so stark war der Andrang. Ein vertraulicher Bericht des Wiener Arbeitsmarktservice (AMS), der der "Wiener Zeitung" vorliegt, zeigt einige Monate nach dem Trubel ein nüchternes Bild. Von 1040 Teilnehmern, die schließlich tatsächlich einen Bewerbungstermin absolviert haben, konnten nach dem Ende April erstellten Bericht 184 ein Dienstverhältnis per 31. März 2019 vorweisen, ein knappes Fünftel.

Mindestens ebenso aufschlussreich bei den Bemühungen, Asylberechtigte, die in Österreich arbeiten dürfen, eine Arbeitsstelle zu vermitteln, sind die darüber hinaus gewonnenen allgemeinen Erfahrungen über die Schwierigkeiten für anerkannte Flüchtlinge. Denn viele jobsuchende Flüchtlinge scheitern an einer technischen Hürde.

Logik von Saisonarbeit wurde nicht verstanden

Zu den Erfahrungen heißt es im AMS-Bericht: "Für das AMS Wien ist eine wesentliche Erfahrung aus dieser Jobbörse, dass es sich als große Hürde für die Zielgruppe der asyl- und subsidiär Schutzberechtigten herausgestellt hat, dass ein Großteil der Betriebe ihr Auswahlverfahren über Online-Bewerbungs-Portale abwickelt und somit im Rahmen der Jobbörse auf diese verwiesen hat." Daher werde man bei den Beratungs- und Betreuungseinrichtungen "ein noch größeres Augenmerk auf diese Form der Bewerbung legen". Österreichweit waren Ende Mai 30.695 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte arbeitslos gemeldet.

Noch eine Schwierigkeit wurde offenkundig, nämlich eine Diskrepanz zwischen den Vorstellungen potenzieller Arbeitgeber in Österreich und anerkannter Flüchtlinge. Es habe sich laut Bericht gezeigt, "dass die Logik der saisonalen Arbeit von der Zielgruppe nicht zu hundert Prozent verstanden wird, also das Übersiedeln für einen definierten Zeitraum. Wir haben uns deshalb im AMS Wien entschieden, zum Thema Saisonarbeit eigene Informationsveranstaltungen durchzuführen."

Rund 300 Asylberechtigte, die an der Jobbörse teilgenommen haben, wurden daraufhin besonders intensiv betreut. Dabei bestätige sich, dass die Online-Portale eine Hürde im Bewerbungsverfahren darstellen. Der Hauptgrund dafür ist laut AMS-Bericht, dass "ein Großteil der Zielgruppe nicht über einen eigenen Computer verfügt". Die Nutzungsmöglichkeit von Online-Portalen mit einem Smartphone sei jedoch "oft nicht gegeben". Deswegen werde in den Intensivprojekten mit den Teilnehmern an den Bewerbungen gearbeitet. Erste Erfolge in Form von Vermittlungen habe man auch in dem kurzen Zeitraum bereits erzielen können. Wie groß der Einsatz für diese Jobsuchenden ist, zeigt der Nachsatz: "Für jede Person werde ein Bericht verfasst, der etwaige Erfolgsverhinderungsgründe erfasst, die in der Beratung durch das AMS abgebaut werden sollen."

ÖBB konnten selbst gute Bewerber nicht anheuern

Im Detail bilanzierte das AMS Wien, dass mit Stand Ende April, das war gut drei Monate nach der Jobbörse, insgesamt 14 teilnehmende Betriebe ein Dienstverhältnis mit zumindest einem Flüchtling auf Arbeitssuche abgeschlossen hatten, mehrere Unternehmen auch mehrere Dienstverhältnisse. So zeigte die Auswertung, dass zum Beispiel bei der Rewe-Supermarktgruppe, zu der auch Billa gehört, fünf Dienstverhältnisse abgeschlossen waren, mit zehn weiteren Asylberechtigten lief der Bewerbungsprozess zu dem Zeitpunkt noch. Die Firma Ströck meldete drei Anstellungen, bei der Post lautete die vorläufige Bilanz zwei Dienstverhältnisse.

Mehrere Unternehmen waren zwar - offenbar auf Betreiben der Bundesregierung - bei der Jobbörse in der Gösserhalle vertreten, obwohl es keine freie Arbeitsstelle gab. Das gilt etwa für die Flughafen Wien AG. Dazu ist bei der Evaluierung ähnlich wie bei anderen Firmen auch vermerkt: "Es wurden nur Informationsgespräche geführt, da keine offenen Stellen zu besetzen waren. Betrieb bleibt mit der zuständigen AMS-Betreuung in Kontakt."

Die ÖBB haben laut dem Bericht bei der Jobbörse immerhin 131 Interviews mit Flüchtlinge als Bewerber geführt. Trotz des Hinweises, dass noch eine Online-Bewerbung notwendig sei, habe das "kaum jemand" gemacht. Die Bilanz fiel letztlich ernüchternd aus: "Es wurden gute KandidatInnen extra noch einmal angerufen und sie gebeten, sich explizit auf eine Ausschreibung zu bewerben. Es wurden keine Asylberechtigten eingestellt. Gründe für eine Absage waren vorrangig unzureichende Deutschkenntnisse (z.B. für Telefondienst mit Bundesländern) oder zu wenig bis keine Berufserfahrung. Bei vielen hat sich auch herausgestellt, dass die Rahmenbedingungen (Dienstort, Gehalt, Arbeitszeiten) nicht den Vorstellungen entsprachen."

Erfolgsgeschichten werden geschildert

Allerdings werden im AMS-Bericht ausdrücklich auch "Erfolgsgeschichten" bei de Jobsuche genauer dargestellt. Etwa jene eines 29-jährigen Syrers, der bei der Bäckerei Felber einen Job bekam. Das liest sich in etwa so: "Herr D. konnte in seiner Heimat Syrien nur die Grundschule abschließen. Er arbeitete erst eine Zeit lang in einer Gerberei (ein Familienbetrieb in Aleppo, Anm.), später in einer Kaffeerösterei in Saudi-Arabien. Er verfügt aus dieser Zeit über weitgehende Spezialkenntnisse über Kaffeesorten und Kaffeeröstung. Herr D. kam 2014 nach Österreich und hat hier Deutschkurse und den Kompetenzcheck besucht. Die Jobbörse nutzte er, um mit vier verschiedenen Firmen ins Gespräch zu kommen, die ihn alle als geeignet einstuften. Bei einem dieser Unternehmen - der Firma Felber - begann er am 4. Februar 2019 ein Dienstverhältnis."

Berichtet wird auch über das Schicksal einer 30-jährigen Frau aus dem Iran. Über ihre Erfolgsgeschichte ist im Bericht nachzulesen: "Frau M., 1989 im Iran geboren, kam 2016 nach Österreich und 2018 von Vorarlberg nach Wien. Ihr im Iran begonnenes Studium der Architektur hat sie nicht abgeschlossen. In Österreich besucht sie Werte- und Orientierungskurse und Deutschkurse bis Niveau B1. Bei der Jobbörse der Bundesregierung kam sie mit drei Firmen ins Gespräch, darunter mit der Firma Ströck. Dort trat sie Ende Februar ein Dienstverhältnis."