Zum Hauptinhalt springen

"Links" drängt zur Wien-Wahl

Von Bettina Figl

Politik
Die "Links"-Sprecher Anna Svec (l.) und Can Gülcü mit Neo-Bezirksrätin Amela Mirkovic, die den Wiener Grünen den Rücken kehrt (M.).
© Mani Froh

Grüne Bezirksrätin wechselt zu neuer Linkspartei. Die Chancen auf den Einzug in den Gemeinderat sind gering.


Die Kleinpartei "Links", die mit ihrem Namen keinen Hehl um ihre politische Gesinnung macht, will bei der Wien-Wahl im Herbst den etablierten Parteien Konkurrenz machen. Einige mehr oder weniger bekannte Protagonisten gibt es bereits: Die ehemalige Junge Grüne Flora Petrik, die nach ihrem Zerwürfnis mit den Grünen für die KPÖ bei den Nationalratswahlen 2017 kandidierte, wurde bei der Gründungsveranstaltung im Jänner zur Geschäftsführerin gewählt.

Bei der zweitägigen Veranstaltung, an der pro Tag rund 400 Interessierte teilnahmen, wurden etliche Brandreden gehalten, unter anderem von Christoph Baumgärtel, ehemals stellvertretender Ortsparteivorsitzender der SPÖ Langenzersdorf*, der sich mit seinem Spitznamen "Leftie" vorstellte und erklärte, dass er den Roten "zu links" war. Deshalb ist er wohl auch Ende 2019 aus der SPÖ ausgetreten.

Enttäuschte Grüne wird erste "Links"-Bezirksrätin

Nun wechselt eine enttäuschte Grüne ebenfalls zu "Links": Amela Mirkovic, seit 2015 grüne Bezirksrätin in Wieden, wird erste "Links"-Bezirksrätin. "Kopftuchverbot oder Anhaltezentren: Ich kann das, was die Grünen im Regierungsabkommen mitbeschlossen haben, nicht mehr vertreten", begründet Mirkovic ihre Entscheidung gegenüber der "Wiener Zeitung".

Die 52-Jährige, die in Bosnien geboren ist und als Gastarbeiterkind nach Wien kam, wuchs in Penzing auf, ist seit vielen Jahre im Sozialbereich tätig und war unter anderem Lehrerin. "Der Krieg in meiner Heimat und mein Leben als Alleinerzieherin mit zwei Kindern haben mich sehr geprägt", sagt Mirkovic.

Sie kritisiert, Frauenpolitik komme im aktuellen Regierungsabkommen zu kurz: "Da steht, man möchte Frauen aufklären, was es für ihre Pension bedeutet, wenn sie Teilzeit arbeiten. Das tut das AMS seit 20 Jahren. Mit meinen Motiven, mich bei den Grünen zu engagieren, hat das nichts mehr zu tun. Ich erwarte mir echte Veränderung, etwa gerechte Löhne."

An zivilgesellschatliche Initiativen anknüpfen

"Links" wurde von Menschen ins Leben gerufen, die die Donnerstags-Demos gegen die türkis-blaue Regierung organisierten, beim Aufbruch oder den Jungen Linken aktiv waren. Man will an zivilgesellschaftliche Initiativen wie "Fridays For Future" anknüpfen: "Etablierten Parteien gelingt es nicht, engagierte Menschen in ihre starren Strukturen einzubinden", sagt Jus-Studentin und Rechtsberaterin Anna Svec, eine von drei "Links"-Sprecherinnen.

Doch wie will "Links" Wählerinnen und Wähler abseits der Bobo-Blase erreichen? "Wir werden viel laufen und viel Arbeit auf der Straße machen. Unser Ziel ist es, eine Organisation aufzubauen, die auch nach der Wien-Wahl da ist", sagt Svec.

Das unmittelbare Ziel der Organisation, die sich über Spenden finanziert, ist jedoch der Einzug in den Gemeinderat, wofür 50.000 Stimmen benötigt werden. Ausgehen kann sich das nur, wenn sich die notorisch zerstrittene Linke auf eine gemeinsame Kandidatur einigt. Mit der KPÖ Wien finden "intensive Gespräche" statt, so Svec, mit der Kleinpartei "Wandel", die bei der Nationalratswahl 0,5 Prozent erhielt, ist ein Treffen geplant. "Vorstellen können wir uns eine gemeinsame Kandidatur", sagt Didi Zach, einer von fünf Bezirksräten des Wahlbündnisses "Wien Andas" (eine Allianz aus KPÖ Wien und Unabhängigen), und kritisiert: "Einige wichtige, programmatische Fragen sind noch genauso offen wie Eckpfeiler des Wahlprogramms."

Wohnen, Verteilungsgerechtigkeit, Gesundheit, Pflege und unbezahlte Arbeit seien ihre Kernthemen, so die "Links"-Sprecher, das konkrete Wahlprogramm soll in den kommenden Wochen in Bezirksgruppen erarbeitet werden. Einige Positionen stehen bereits fest: "Jeder, der in Wien lebt, soll nach einer Zeit auch hier wählen dürfen." Derzeit ist ein Drittel der Wienerinnen und Wiener nicht wahlberechtigt. "Und natürlich sind wir gegen Abschiebungen. Menschenrechte werden nicht auf einmal verhandelbar, nur weil man wahlkämpft, im Gemeinderat oder in einer Regierung sitzt", sagt der Kulturschaffende Can Gülcü, ein weiterer Sprecher von "Links".

"Der Einzug in den Gemeinderat wird sich nicht ausgehen", prophezeit hingegen der Meinungsforscher und Politikberater Peter Hajek. "Plattformen wie diese machen nur dann Sinn, wenn man ein Thema hat, bei dem sich alle denken: ‚Endlich spricht mal jemand darüber‘, einen tollen Spitzenkandidaten oder ein unfassbar großes Budget - all das ist hier nicht der Fall." Dass "Links" den etablierten Parteien Wählerstimmen wegnehmen könnte, glaubt er nicht: "Das liegt im Bereich von einem Prozent." In Österreich gäbe es mit der SPÖ und den Grünen bereits zwei starke linke Gruppierungen, und "Links" sei lediglich für Wähler am linken Rand interessant. Zudem hätten linke Parteien in Österreich, anders als etwa in Ostdeutschland, kulturell keinen Boden, so Hajek.

"Es wäre noch Platz für eine linkspopulistische Partei"

Der Politikberater Thomas Hofer sieht das anders: "Es wäre noch Platz für eine linkspopulistische Partei. ‚Links‘ fehlt aber noch eine zugkräftige Persönlichkeit an der Spitze." Als Partei müsse man die Gesetze der Mediengesellschaft befolgen, so Hofer, denn Wähler wollen wissen, was mit ihrer Stimme passiert: "Wenn eine Partei noch nicht einmal in Umfragen vorkommt, ist es schwierig, beim Wähler Vertrauen aufzubauen."

Finanzielle Mittel seien nicht das allein Entscheidende, entscheidend sei die Fähigkeit, in einer hoch kompetitiven Medienlandschaft Aufmerksamkeit zu bekommen: "Die Medienwalze wird gewaltig sein, wir werden dutzende TV-Duelle erleben. Wenn man es nicht schafft, dass ein großer Anteil der Bevölkerung eine Partei oder Person mit etwas Positivem verknüpft, wird es schwierig." Laut dem Politikberater wird der Wahlkampf in Wien von folgenden Fragen dominiert werden: Kann die SPÖ das rote Wien retten? Wie geht der blaue Bruderkampf aus? Wer wird Bürgermeister einer türkis-grün-pinken Stadtregierung? "Das ist hochspannend, macht es Kleinparteien aber noch schwieriger, Aufmerksamkeit zu bekommen."

Insgesamt beobachtet der Politikberater, dass Inhalte bei Wahlen immer mehr ins Hintertreffen geraten - wenngleich Themen wie Leistbarkeit, Wohnen, Gesundheit, Verhältnis zum Bund, Infrastruktur bei der kommenden Wien-Wahl "schon auch diskutiert werden". Bei der letzten Wien-Wahl (2015) dominierten ebenfalls weniger die Inhalte als das "Duell um Wien" zwischen Ex-Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Ex-FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache.

"Message Control gibt es auch bei den Grünen"

Parteigründungen und Neuantritte gab es bisher bei jeder Wien-Wahl, etablieren konnten sich bisher aber nur die Neos, die sich 2012 gegründet haben und 2013 erfolgreich für die Nationalratswahl kandidierten. 2015 zogen die Pinken mit 6,16 Prozent auf Anhieb in den Wiener Gemeinderat ein. "Eine Überraschung war das nicht wirklich, ich hätte ihnen eher mehr zugetraut", sagt Hajek, der für die Neos als Berater tätig war.

"Ich bin überzeugt, dass ‚Links‘ das Vakuum füllen kann, das neben Rot und Grün entstanden ist", glaubt jedenfalls Mirkovic, die mit ihrer Kritik an den Grünen nicht alleine ist, wie sie sagt: "Viele äußern Kritik nur unter vorgehaltener Hand. ‚Message Control‘ gibt es auch bei den Grünen. Es gibt keinen Klubzwang, aber gleichzeitig will man uns vorschreiben, dass wir nicht nur übers Kopftuchverbot reden sollen."

Sie hofft nun, dass sich weitere Bezirksrätinnen und -räte - "egal welcher Fraktion" - ihrem Beispiel folgen und sich "Links" anschließen werden. Die Entscheidung über einen Spitzenkandidaten oder eine Spitzenkandidatin soll im Mai fallen.

*ursprünglich hieß es in diesem Artikel, Christoph Baumgärtel sei ehemaliger Bürgermeister von Langenzersdorf. Tatsächlich war er stellvertretender Ortsparteivorsitzender der SPÖ Langenzersdorf. Wir entschuldigen uns für den Fehler.