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"Wie viel vom Leben lässt man sich nehmen?"

Von Alexander U. Mathé

Politik

Der CIO-Summit findet am Mittwoch mit mehr als 500 Teilnehmern statt. Organisator Michael Ghezzo im Interview.


Der Confare CIO-Summit ist der erste große physisch stattfindende Kongress in Wien seit dem Lockdown. Mehr als 500 Teilnehmer werden am Mittwoch zum Gipfeltreffen der deutschsprachigen Chief Information Officer, also der Leiter der EDV-Abteilungen, in der Metastadt im 22. Bezirk erwartet. Organisator und Confare-Chef Michael Ghezzo sprach mit der "Wiener Zeitung" über Trends in der IT-Branche und die Herausforderung, so ein Event den Corona-Maßnahmen zum Trotz stattfinden zu lassen.

"Wiener Zeitung":Wieso findet ausgerechnet der CIO-Summit physisch statt? Gerade in der IT-Branche wäre es aufgelegt, das Ganze virtuell stattfinden zu lassen?Michael Ghezzo: Hybrid-Events sind nur in bestimmten Situationen eine wirklich passende Lösung. Oft vereinen sie lediglich die Nachteile aus der virtuellen und der physischen Welt: Auf der einen Seite termingebunden mit fixem Programm, auf der anderen Seite findet das im Internet statt - in Konkurrenz zu Google und YouTube, wo ich mir jeglichen Inhalt zeitunabhängig anschauen könnte. Es ist auch grundsätzlich wichtig zu zeigen, dass solche physischen Events möglich sind.

Warum?

Man muss sich überlegen, wie viel man sich von seinem Leben nehmen lässt. Warum geht die Wirtschaft derzeit so dramatisch den Bach runter? Das ist nicht, weil der Konsum so wahnsinnig nachgelassen hätte. Was eigentlich passiert, ist, dass all jene Bereiche eingeschränkt wurden, wo Menschen zusammenkommen, wo gemeinsam Dinge vorangetrieben werden können. Das sind die Büros, das sind die Lokale, das sind die Events. Gerade in der jetzigen Zeit sind wir draufgekommen, dass es einen wichtigen Faktor für den Erfolg gibt, und das sind die Menschen. Die Technologie ist nicht mehr die Grenze des Machbaren, sondern es ist, was die Menschen daraus machen können. Wir werden immer Menschen als Kunden haben, Menschen als Mitarbeiter haben und Menschen haben, die Ideen entwickeln. Dafür braucht es Inspiration und dazu braucht es Austausch.

Es dürften mehr als 500 Menschen zum CIO-Summit kommen. Ist es da überhaupt möglich, ausreichend Schutz zu bieten?

Mit Herz und Hirn und einem 18-seitigen Präventionskonzept ist es machbar. Es ist sicher nicht unsere Absicht, einen IT-Cluster in Österreich zu schaffen oder unsere Mitarbeiter zu gefährden. Nur zur Orientierung: Wir haben keine Disco, in der die Menschen Schulter an Schulter stehen müssen. Wir singen nicht, sodass wir Aerosolstürme auslösen würden. Wir spielen nicht einmal laute Musik, damit die Leute beim Reden nicht die Köpfe zusammenstecken müssen. Wir haben eine riesige Halle. Wir haben den offensichtlichen Eingangsbereich verlegt und empfangen jetzt in der Lkw-Einfahrt, weil wir dort vier Check-ins machen können statt einem. Wir haben einen großen Outdoor-Bereich, wo sich die Leute gut verteilen können.

Wenn 400 Leute einen Vortrag hören wollen, kann es trotzdem schon einmal eng werden?

Wir übertragen die Vorträge live von einem Raum in den nächsten. Das heißt, dass die Leute ausweichen können, bevor es zu viele werden. Wir sprechen da auch nicht von einer Dimension, bei der hunderttausende Besucher kommen würden.

Es gibt einen großen Fachkräfte-Mangel im IT-Bereich. Wieso kann man dann den Eindruck gewinnen, dass es CIOs wie Sand am Meer gibt?

Ich habe nicht den Eindruck, dass es so viele gibt. Aber die Rolle des CIO hat sich in Österreich stark gewandelt. Hier war der CIO immer so etwas wie der Leiter der IT-Abteilung, nur mit einem anderen Namen. Das war im Prinzip ein Techniker, den man irgendwann CIO getauft hat, um eine Karriereoption zu bieten. Also: Infrastruktur zu betreiben ist sicherlich nicht ein Modell mit wahnsinnig viel Zukunft und auch nicht das, was einen Führungsanspruch rechtfertigen würde. Heute verantwortet der CIO nicht mehr nur die Technik. Im Gegenteil: Dieser Aufgabenbereich nimmt sogar ab, weil ja auch die Technik in den Unternehmen abnimmt. Vieles wandert beispielsweise in die Cloud. CIOs sind Manager, aber nicht Fachkräfte, die am Server schrauben. Inzwischen ist der CIO entscheidend für den Erfolg des Unternehmens und unserer Gesellschaft.

Inwiefern?

Wenn wir uns die wichtigsten Trends der kommenden Jahre ansehen, dann ist nichts davon angenehm, nichts davon einfach und nichts davon geht ohne IT. Von der Eindämmung der Pandemie über die Rezession bis hin zu Nachhaltigkeit und Klimawandel.

Welche Trends kommen in der IT-Branche auf uns zu?

Der bestimmende Trend ist und bleibt die Digitalisierung. Wir werden nicht umhinkommen, Prozesse weitestgehend zu digitalisieren. Dabei spielt die Automatisierung eine große Rolle, wenn es beispielsweise um Updates, Patches und Back-ups geht. Da sind die Unternehmen weniger weit, als man glauben möchte. Aber interessant wird Digitalisierung dort, wo es nicht um Kostensenkung geht. Man kann ja einen Helpdesk digitalisieren, dadurch Mitarbeiter abbauen und so Kosten sparen. Aber das bringt das Unternehmen nicht voran. Man muss neue Produkte entwickeln und bestehende weiterentwickeln, um Kunden einen Mehrwert zu bieten. Das geht mit Digitalisierung relativ leicht, braucht aber viel Inspiration und Abstimmung. Vor allem muss diese klassische Aufteilung von IT und Business aufgehoben werden und gemeinsam gestaltet werden.