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Armutsfalle Energiepreis

Von Georg Hönigsberger

Politik
Leo, die Lebensmittelhilfe der Caritas, nimmt derzeit keine neuen Kunden mehr auf.
© David Visnjic

In Wien wird der Preis für Fernwärme bald verdoppelt. Strom und Gas sind bereits jetzt für viele kaum noch leistbar.


Der Zeitpunkt hätte wohl nicht ungünstiger sein können. Christoph S. wollte sich im Jahr 2020 seinen Traum erfüllen und machte sich als Messermacher selbständig. "Corona und jetzt die Teuerung haben es mir nicht leicht gemacht", sagt der heute 39-jährige Wiener. "Die Leute haben momentan andere Sorgen, als sich ein Messer zu kaufen." Sein Plan ist es dennoch, künftig als Vollzeit-Unternehmer zu arbeiten.

Christoph S. ist arbeitslos gemeldet und verdient als Selbständiger unter der Geringfügigkeitsgrenze dazu. Die Energiepreiserhöhungen machen ihn "ratlos", wie er selbst sagt. "Ich bin verzweifelt", meint der Jungunternehmer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Gaspreis beinahe vervierfacht

Was das für Kunden der Fernwärme Wien, die die Preise nahezu verdoppeln will, künftig bedeuten kann, rechnet der Messermacher vor, der diese Erfahrung schon mit anderen Energieträgern gemacht hat: "Der Gaspreis ist von 50 Euro auf 175 Euro pro Monat gestiegen." Wobei Wien-Energie hier noch der günstigste Anbieter gewesen sei. Für Strom müsse er nun 110 Euro pro Monat zahlen statt bisher 60 Euro. Die Energie-Fixkosten sind von einem Tag auf den anderen von 110 auf monatlich 285 Euro gestiegen.

Mit dem Geld vom AMS und dem geringen Zuverdienst hätte er bislang das Auskommen gefunden. "Jetzt weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen wird. Wie ich Strom und Gas zahlen soll, ist mir schleierhaft." Monatlich bleiben ihm nach Abzug der Fixkosten für Wohnen und Energie gerade einmal rund 200 Euro zum Leben.

Auch wenn die damalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) im Jahr 2018 meinte, man könne mit 150 Euro im Monat (Wohnen nicht mit eingerechnet) durchaus sein Leben schaukeln, sieht das Christoph S. anders. "Heute braucht man Internet, ein Telefon. Wie sollte ich sonst mein Geschäft aufbauen?"

Er hat sich um Hilfe an die E-Control gewandt. Von dort sei er zum AMS, vom AMS zu Sozialamt, vom Sozialamt zum Rathaus und von dort zur Caritas geschickt worden.

Kein Geld mehr für Nahrungsmittel

"Wir haben im Vergleich zum Vorjahr einen 30-prozentigen Anstieg der Anfragen", sagt Doris Anzengruber, Leiterin der Sozialberatung der Caritas Wien. Die Hilfesuchenden würden sich vor allem wegen Zahlungsrückständen aufgrund von Energienachzahlungen an die Beratungsstelle der Caritas wenden, aber auch weil sie keinen finanziellen Spielraum für den Kauf von Nahrungsmitteln mehr haben. "Es geht nicht mehr um notwendige Reparaturen oder um Fragen aus dem Gesundheitsbereich, sondern um die Frage der Existenzsicherung", sagt Anzengruber. Es geht mittlerweile ums Eingemachte.

Seitens der kirchlichen Hilfsorganisation sehe man sich bei jedem Klienten "die Situation individuell an". Etwa ob bereits um Wohnungsbeihilfe angesucht oder der Energiegutschein eingelöst wurde. "Zusätzlich haben wir die Möglichkeit, die Menschen mit Spendenmitteln bei Zuschüssen für die Mieten oder bei der Jahresabrechnung zu unterstützen." Betroffen seien vor allem Alleinerzieherinnen, aber auch "Menschen, die wissen, dass ihr Einkommen in absehbarer Zeit nicht mehr steigen wird, wie Pensionisten und kranke Menschen", sagt Anzengruber. "Da gibt es große Sorgen und Ängste."

Dass die Lage immer prekärer wird, merkt man auch bei der Nachfrage nach günstigen Lebensmitteln. Die Aktion Leo der Caritas, die in Wien und Niederösterreich Lebensmittelpakete verteilt, nimmt derzeit keine neuen Kunden mehr auf, erklärt Anzengruber. Man müsse potenzielle Neukunden an andere Sozialmärkte verweisen.

Ludwig präsentiert Maßnahmen

Unterdessen gab Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Montag bekannt, dass er Dienstagvormittag weitere Maßnahmen gegen die Teuerung der Energiekosten präsentieren wird. Die Stadt Wien ist über die Wiener Stadtwerke mittelbare Eigentümerin des Energiekonzerns Wien Energie, der die Gebühren für Fernwärme um 92 Prozent anheben will. Kritik gab es deswegen schon von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund.