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Projekt Alkohol

Von Stephanie Schüller

Politik

Im Kampf gegen die Alkoholsucht geht Wien neue Wege, macht sich aber keine Illusionen.


Wien. Wien sagt der Alkoholsucht den Kampf an. Zumindest wenn es nach Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely geht: "Wienweit gibt es zwischen 35.000 und 75.000 alkoholkranke Menschen - Handlungsbedarf war dringend notwendig." Gemeinsam mit Vertretern der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und der Sucht- und Drogenkoordination Wien stellte Wehsely am Montag das neue Projekt "Alkohol 2020" vor: Erstmals arbeiten die PVA, die WGKK und die Stadt Wien gemeinsam an einer besseren Versorgung von an Alkoholsucht erkrankten Menschen. Ein Jahr lang haben Experten über der Entwicklung des Projektes gebrütet. Einzelne Ärzte seien daran genauso beteiligt wie zum Beispiel das Anton Proksch Institut.

"Das Schwierige am Umgang mit Alkohol im Gegensatz zu illegalen Drogen ist, dass Alkohol ein Genussmittel ist", erklärt Wehsely. Das neue Projekt soll in den kommenden Jahren - bis 2020 - ein Versorgungssystem schaffen, das die beteiligten Einrichtungen und Experten besser miteinander vernetzt - die "Wiener Zeitung" hat bereits darüber berichtet. "Bis jetzt hat jeder ein bisschen was in seinem Zuständigkeitsbereich gemacht. Das Projekt soll nun Schnittstellen zu Verbindungsstellen machen", so Wehsely.

Individueller Betreuungsplan

Der Betreuungsplan der Patienten soll so in Zukunft individuell festgelegt und an die Lebenssituation der Betroffenen angepasst werden. Die entsprechende Versorgung hängt dann von der Familiensituation ab und es kommt darauf an, ob jemand Arbeit hat oder nicht. "Die stationäre Aufnahme ist kein Muss, die ambulante Versorgung wird ausgebaut", erklärt WGKK-Obfrau Ingrid Reischl einen der wichtigsten Eckpunkte des Projektes. Denn jemand, der alleine lebt und keiner Arbeit nachgeht, befindet sich in einer komplett anderen Lebenssituation als ein erkrankter Familienvater, der einen Job hat - und muss demnach anders behandelt werden, so Reischl.

Soziale Hilfestellung

Bisher durften Betroffene während der Betreuung in der Regel nicht zu Hause übernachten, viele konnten ihren Beruf nicht mehr ausüben. Das soll sich nun ändern. Aus verschiedenen Modulen wird für jeden Patienten ein individueller Betreuungsplan zusammengestellt. Neu an diesem System ist auch die regelmäßige Zwischendiagnostik. "So kann man feststellen, wie sich die Situation des Betroffenen verändert hat und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen setzen", sagt Michael Dressel, Sucht- und Drogenbeauftragter der Stadt Wien.

Die Patienten sollen also im besten Fall nicht nur eine medizinische Behandlung bekommen, sondern auch soziale Hilfestellung erfahren. Gesundheitseinrichtungen sollen mit Selbsthilfegruppen, Suchtberatungsstellen oder Einrichtungen des therapeutischen Wohnens kooperieren. Auch die Angehörigenbetreuung ist Thema von "Alkohol 2020".

Regionale Kompetenzzentren

Zusätzlich zu den bereits bestehenden sollen neue Versorgungsstrukturen geschaffen werden. In regionalen Kompetenzzentren werden Ärzte, Sozialarbeiter und Psychologen Ansprechpartner für die Betroffenen sein. Vorübergehend wird es für die einjährige Testphase des Projektes ein solches Zentrum geben.

Rechtsträger wird die Suchthilfe Wien sein, der genaue Standort ist noch unklar. Weitere dieser Zentren werden - wenn sich das Projekt bewährt - in der ganzen Stadt entstehen. Verstärkt soll auch der niedergelassene Bereich in der Früherkennung, der Kurzintervention und der Nachbetreuung eingebunden werden, erklärte Dressel.

15 Prozent will man erreichen

Ziel sei es, 15 Prozent der erkrankten beziehungsweise gefährdeten Menschen mit dem Betreuungsangebot zu erreichen. Höhere Zahlen seien kaum realistisch, so Wehsely. Orientiert haben sich die Experten an bereits laufenden Projekten in Deutschland, besonders Hamburg sei dabei ein Vorbild gewesen. Um in Zukunft genauere Aussagen über die an Alkoholsucht erkrankten Menschen in Wien zu treffen, haben sich die Beteiligten auch auf gemeinsame Standards in der Dokumentation der Fälle und auf die bereits genannten Pflegemodule geeinigt.

Der PVA geht es bei dem Projekt vor allem um die Vorbeugung von zu vielen Frühpensionierungen, welche oft mit den Folgen der Alkoholsucht in Verbindung stünden.

Die einjährige Testphase für 500 Wiener startet im Oktober. Mitmachen kann jeder, der die formalen Kriterien (zum Beispiel Wohnort Wien) erfüllt. Bis die Marke der 500 erreicht ist. Dann heißt es abwarten, ob sich das Projekt lohnt. Die Kosten für das Pilotprojekt belaufen sich auf 3,5 Millionen Euro. 49 Prozent davon übernimmt die PVA, die anderen 51 Prozent teilen sich die WGKK und die Stadt Wien.