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Mit der Kraft des Kots

Von Saskia Blatakes

Politik
Getankt wird der Traktor mit Biogas, das Kleinbauern mit 15 Kühen selbst erzeugen können.
© Spirit Design

Am Donnerstag beginnt in der Wiener Hofburg das Vienna Energy Forum. Eine Wiener Firma wird dort ihr innovatives Projekt vorstellen, das Kleinbauern leistbare Energie bescheren soll: den weltweit ersten Biogas-Traktor.


Wien. Das kompakte Gefährt sieht aus wie eine Mischung aus einem Mondfahrzeug und einem Golfcart. Ch4pa lautet sein kryptischer Name, gesprochen Tschapa, was im brasilianischen Portugiesisch umgangssprachlich für Kamerad oder Kumpel steht. Doch hinter dem Namen steckt noch mehr, denn Ch4 ist die Formel für Methan, also Biogas und genau damit soll der kleine Traktor betrieben werden. Das Pilotprojekt hat in Brasilien bereits begonnen. Die Grundidee: Kleinbauern produzieren aus Kuh- und Schweinemist in kleinen Fermentier-Anlagen ihr eigenes Biogas und betreiben damit den Kleintraktor Ch4pa.

Brasilien gilt als Vorreiter, was Biogas anbelangt. Seit Ende vergangenen Jahres ist der Treibstoff dort zugelassen. "Davon sind wir hier im konservativen Österreich weit entfernt", so Georg Wagner, Geschäftsführer der in Ottakring ansässigen Firma Spirit Design, die den Bio-Traktor entwickelte.

Dabei stand am Anfang der guten Idee eine eher schlechte Idee. Georg Wagner erinnert sich an sein Aha-Erlebnis: "Wir wollten ursprünglich einen sehr billigen Traktor entwickeln, den sich auch Kleinbauern leisten können." Ein Freund, der in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist, macht ihm jäh einen Strich durch die Rechnung. Das Problem für die Bauern seien gar nicht die Anschaffungskosten für Traktoren, sondern die Erhaltungskosten und der Ölpreis, denn weltweit werden noch alle Traktoren mit Diesel betrieben. Ein Kleinbauer braucht zum Transport seiner Waren mindesten zwei bis drei Liter Diesel pro Stunde. Und der Dieselpreis ist in den letzten 20 Jahren um 250 Prozent gestiegen. Auch die Preise für die meistens aus Erdöl gewonnenen Düngemittel sind dementsprechend teurer geworden.

Die Folge: Viele Kleinbauern können sich den Treibstoff gar nicht mehr leisten und lassen ihre Fahrzeuge in der Scheune stehen. Die Früchte verderben auf den Feldern, weil sie weder geerntet, noch zu den Zwischenhändlern und Märkten transportiert werden können.

Kühe und andere Nutztiere als Kraftstoff-Quelle

Genau hier setzten die Wiener Macher von Spirit Design an und entwickelten den weltweit ersten Biogas-betriebenen Kleintraktor. Dafür wandten sich die Designer zuerst an den Fahrzeug-Experten Professor Bernhard Geringer von der TU Wien für eine erste Machbarkeitsstudie. Fahrzeugtechnikhersteller wie AVL List und Magna gaben hilfreiche Tipps. Der Prototyp entstand dann in der Firma Tobias, einem niederösterreichischem Traktorgroßhändler.

Nutzen soll der "Mist-Kumpel" vor allem kleinen landwirtschaftlichen Unternehmen. Weltweit gibt es derzeit laut Schätzungen der Weltbank 1,5 Milliarden Kleinbauern, der Großteil davon sind Selbstversorger. Die Wiener Idee richtet sich dabei nicht an Letztere, sondern an Kleinbauern mit mehreren Nutztieren. Wagner rechnet vor: Zum Beispiel könne sich eine brasilianische Bauernfamilie mit 15 Kühen durchaus eine eigene Biogasanlage leisten. Die günstigsten Fermentier-Anlagen kosten 20.000 Euro. Das selbst erwirtschaftete Biogas kann von den Bauern selbst verwendet, der Rest weiterverkauft werden. Auch Modelle, bei denen der Traktor geleast wird und die Anlage zur Verfügung gestellt und dann abbezahlt wird seien denkbar, so Wagner.

Derzeit wird noch gemeinsam mit der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (Unido) nach Lösungen gesucht. Die Unido unterstützt das 42 Millionen schwere Projekt mit einem Zuschuss von 7 Millionen. Jetzt geht es den Machern darum, es weltweit sichtbar zu machen und neben Brasilien weitere Kooperationspartner ins Boot zu holen.

Vor allem subtropische Länder bieten sich an, weil sich dort wegen der Wärme Biogasanlagen um einiges leichter betreiben lassen als in kühleren Gefilden. "Das Problem hier in Europa ist der Winter", sagt Wagner. "Es gibt nicht genug Abfälle und die Anlagen müssten sogar geheizt werden, um die Gasproduktion nicht zu unterbrechen. Die Bedingungen in südlicheren Ländern sind dagegen perfekt." Diese globalen Businesspartner hofft er nun in den kommenden Tagen beim Vienna Energy Forum ausfindig zu machen.

Das alle zwei Jahre stattfindende Experten-Treffen wurde 2008 von der österreichischen Regierung, der Unido und dem Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse ins Leben gerufen. In den kommenden drei Tagen werden mehr als 1500 hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft über nachhaltige Entwicklung und ökologische Energieversorgung diskutieren.

In Österreich will man nichts ändern

Doch gerade in ihrer Heimat stoßen die Macher des Biogas-Traktors auf taube Ohren. "Hier in Österreich will man nichts am Status quo ändern. Das hat viel mit Ideologie zu tun. Außerdem wird immer noch viel Geld in die Entwicklung von Diesel- und Benzinmotoren gesteckt." Dagegen sei Brasilien bereits weltweit an dritter Stelle, was Erdgasautos anbelangt. "Dort wo Gas verfügbar ist, setzt es sich nämlich auch durch", sagt Wagner. Dabei könnten Benzinmotoren leicht auf Erdgas umgerüstet und Erdgasautos könnten ohnehin mit Biogas betankt werden. "Wenigstens setzen viele Ölfirmen bereits verstärkt auf Gas. Gas wird sich durchsetzen."

Experten sehen das nicht ganz so positiv. "Biotreibstoffe werden nie 100 Prozent des Transporttreibstoffs bestreiten können. Das wird sich einfach nicht ausgehen", sagt etwa Martin Mittelbach, Professor für Chemie an der Uni Graz und Bioenergie-Experte.

Auch die Europäische Union scheint zurückzurudern, was "grüne" Energie betrifft. Ab 2020 wird es von der vermutlich keine konkreten Angaben mehr geben, wie hoch der Anteil an Biotreibstoffen pro Land sein muss. An die Stelle der Prozentzahl-Vorgaben werden dann allgemeine Ziele zur CO2-Einsparung rücken.

Sicher ist, dass die Erdölpreise weiter steigen und damit weltweit die Existenzen von Kleinbauern bedroht sind. Ein Flickenteppich aus verschiedenen alternativen Energien scheint da für viele die Lösung zu sein. Auch darüber werden die Teilnehmer des Vienna Energy Forum 2015 in den nächsten Tagen diskutieren.