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Ehrenamtlich und ethisch

Von Holger Blisse

Reflexionen

In Österreich soll nun eine Bank für Gemeinwohl gegründet werden.


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Passend zum ursprünglichen Namen "Demokratische Bank" entsteht mit der BfG eine "Bank für alle". Doch deren (All-)Gemeinwohl darf nicht zu einer Leerformel werden.
© Jugolsav Vlahovic

Noch ist sie als Bank am Markt gar nicht aktiv. Doch der künftige Alleineigentümer der als Aktiengesellschaft geplanten Bank für Gemeinwohl (BfG), die BfG Eigentümer/-innen- und Verwaltungsgenossenschaft, ist bereits vor einem Jahr gegründet worden und wirbt seit einigen Monaten aktiv um Mitglieder und damit Eigentümer, um das erforderliche Eigenkapital für die Beantragung einer Bankkonzession bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) aufzustellen.<p>Der erste Meilenstein, eine Million Euro einzuwerben, konnte bereits aus dem engeren Kreis der zum Teil prominenten Befürworter heraus erreicht werden. Anfang Dezember hatte man die 1,7 Million-Euro-Schwelle auf dem Weg zu den mindestens anvisierten sechs bis zehn Millionen Euro überwunden und zählte über 2200 Mitglieder. Perspektivisch sollen rund 40.000 Mitglieder aus ganz Österreich gewonnen werden - und die Bank soll 2017 an den Start gehen können.<p>Es wäre dann sieben Jahre her, als alles seinen Anfang nahm und die Idee zur Bankgründung, die auf Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, zurückgeht und von ihm seitdem publizistisch und mit Vorträgen begleitet wird, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das zumeist ehrenamtliche Engagement vieler Interessierter hat die Idee über die Zeit getragen und wurde professionell unterstützt, als es konkreter zu werden begann. Organisiert wird der Dialog über verschiedene Arbeitskreise zu den Gründungsaufgaben in Wien und über Regionalgruppen in anderen Bundesländern.<p>

Ohne Filialen

<p>Das Gründungsvorhaben ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen fällt es in eine Zeit, in der das Geschäftsgebaren - vor allem international tätiger, großer - Kreditinstitute durch die Finanzkrise in die Kritik geraten ist. Gerade dies ist der Ansatzpunkt für die BfG, dem eine andere Art entgegenzusetzen, Bankgeschäfte zu betreiben, und möglichst viele zum Mitmachen zu aktivieren. Zum anderen gilt nicht nur der österreichische Markt als "overbanked": angesichts zunehmender Internet- und Mobilfunktechnologien erwartet man eher Filialschließungen und Bankenfusionen.<p>Als Folge dieser Konzentration entstehen aber wiederum größere Einheiten - mit allen Risiken für das Bankensystem. Die BfG ist zunächst als Direktbank ohne Filialen geplant. Sie sieht sich in der Tradition eines - historisch gesehen - alternativen Bankgeschäfts - und will dort wieder anfangen, wo Raiffeisen und Sparkasse begonnen haben. Zugleich würde mit der BfG ein Kreditinstitutstyp in Österreich entstehen, wie er in anderen Ländern Europas bereits Vorbilder besitzt und mit dem Begriff eines "ethisch-ökologisch-sozialen Kreditinstitutes" beschrieben werden kann.

<p>Dazu zählen im deutschsprachigen Raum zum einen aus der anthroposophischen Bewegung heraus entstandene Institute wie die bereits 1974 gegründete GLS Gemeinschaftsbank in Bochum (GLS = "Gemeinschaft für Leihen und Schenken") und die 1984 entstandene Freie Gemeinschaftsbank Genossenschaft mit heutigem Sitz in Basel; zum anderen die Alternative Bank Schweiz mit Hauptsitz in Olten oder die seit 2001 börsennotierte Nürnberger UmweltBank. Einen eigenen Weg hat die Volksbank Eisenberg in Thüringen mit ihrer EthikBank eingeschlagen, bei der es sich um eine Zweigniederlassung innerhalb der Bank handelt. Es können ebenso kirchlich geprägte Institute wie die kirchlichen Kreditgenossenschaften in Deutschland, etwa die Steyler Bank, die auch in Österreich eine Filiale unterhält, aber auch das Wiener Bankhaus Schellhammer & Schattera dazu gerechnet werden. Dieses Bankhaus dürfte auch nach dem kürzlich erfolgten Eigentümerwechsel seine ethisch-ökologische Ausrichtung beibehalten.<p>Diese Perspektive lässt sich nach Italien mit dem Ethical Banking der Raiffeisenbank Bozen und weiterer Raiffeisenbanken in Südtirol, das ähnlich konstruiert ist wie die deutsche EthikBank, und mit der genossenschaftlichen Banca Popolare Etica in Padua, die Niederlande, die skandinavischen Länder und nach Frankreich weiter verfolgen.<p>In allen Fällen tragen Menschen als Eigenkapitalgeber Verantwortung - und als Kunden dazu bei, ihre Unternehmung zu nutzen und prinzipiengetreu weiter zu entwickeln. Ohne den Einsatz des Einzelnen gibt es keinen gemeinschaftlichen Erfolg und kein Gemeinwohl. Keinesfalls sollte man in einer Genossenschaft oder einer dem Gemeinwohl orientierten Bank nur eine Spielart des Üblichen sehen, in dessen Rahmen der Einzelne zwar etwas zu Gunsten der Gemeinschaft einbringt, um am Ende beobachten zu müssen, wie sich nur wenige seinen "Verzicht" zu ihrem eigenen Vorteil aneignen.<p>

Kredit-Transparenz

<p>Die Zahlen über den Zuwachs an Kunden und das Bilanzgeschäft dieser sozialen Kreditinstitute, insbesondere nach Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise, belegen deren zunehmende Akzeptanz als kreditwirtschaftliche Alternativen. Beispielsweise konnte die GLS Bank die Zahl ihrer Kunden seit Anfang 2010 von 73.000 auf heute rund 190.000 steigern, die Bilanzsumme wuchs im gleichen Zeitraum von 1,35 auf über 4,0 Milliarden Euro. Natürlich ist die Versuchung groß, sich den kommerziellen Instituten anzunähern. Doch trotz der zunehmenden Größe behält man bewährte Maßnahme bei, wie etwa die Transparenz bei Kreditvergaben durch namentliche und betragliche Offenlegung.<p>Kunden können aus Branchen wählen, in denen ihre Einlage als Kredit vergeben wird. Hinsichtlich der Konditionen können Sparer teilweise oder ganz auf ihre Zinsen verzichten zu Gunsten preiswerterer Kredite. Dieses Konzept dürfte auch die BfG übernehmen und ihm mit der Idee einer Gemeinwohl-Bilanzierung ein neues Entscheidungskriterium bei der Kreditvergabe hinzufügen. Ein gebührenfreies Girokonto wird es bei ihr wohl nicht geben, wenngleich dies ein gelungenes Beispiel für Mitgliederförderung in einer von einer Genossenschaft betriebenen Bank wäre. Es bietet den Sparda-Banken in Deutschland und Österreich einen Wettbewerbsvorteil und hat ihnen viele neue Mitglieder als Kunden eingebracht.<p>Doch auch auf Mitgliederförderung oder Gemeinwohl bedachte Kreditinstitute müssen für wirtschaftlichen Erfolg sorgen, um langfristig am Markt bestehen zu können. Sie operieren nicht im wettbewerbs- und regulierungsfreien Raum. Für sie gelten gleichermaßen die steigenden Eigenkapitalanforderungen. Dies hat beispielsweise bei der GLS Bank dazu geführt, das Prinzip, keine Dividende auf die Geschäftsguthaben der Mitglieder zu zahlen, aufzugeben. Seit 2012 zahlt die Bank eine Dividende, deren Höhe von der Generalversammlung beschlossen wird und zwischen zwei und vier Prozent liegt.<p>Diese Maßnahme fand jedoch nicht nur Zustimmung, weshalb diese Veränderung von der Errichtung einer Stiftung als weiterem Bankeigentümer begleitet wurde, in die Mitglieder ihre Geschäftsguthaben einbringen und an die sie ihre Dividende überweisen lassen können, sodass dieser Teil des Kapitals dauerhaft und unabhängig von Mitgliederein- und -austritten fortbesteht. Damit betont die Bank das in ihrem Namen GLS abgekürzte "Schenken".<p>An Vorbildern für die Bank für Gemeinwohl mangelt es also nicht. Sie beschreitet mit ihrem Zugang der Gemeinwohlorientierung aber einen eigenständigen Weg, auch wenn die Sparkassen gerade diesen Grundsatz seit ihrer Gründung konzeptionell vertreten und mit der Zweiten Wiener Vereins-Sparcasse auch eine Innovation eingeführt haben, die von Bankgeschäften ausgeschlossenen Menschen eine Kontoverbindung ermöglicht und sie dabei begleitet, wieder bankfähig zu werden.<p>

Wahlmöglichkeit

<p>Die Gründungsinitiative zur BfG könnte als Ansporn auf die übrigen Kreditinstitute wirken, ihre finanzielle um eine ideelle und vor allem soziale Dimension zu erweitern bzw. eine ursprünglich vorhandene wieder zu schärfen. Davon unabhängig wäre die Gründung auch deshalb zu befürworten, weil jedes neue Kreditinstitut eine weitere Wahlmöglichkeit im immer härter umkämpften Markt für Bank- und Finanzdienstleistungen bietet. Umgekehrt reduziert Konzentration die Zahl an Alternativen - bis hin zum Zwang für den Konsumenten, Produkte nur noch von wenigen oder gar einem den Markt und damit die Preise für Finanzdienstleistungen dominierenden Institut zu beziehen.<p>Die BfG würde sich - erleichtert durch die neuen Technologien - an Kunden aus ganz Österreich wenden. Ihr Träger wird zu Beginn der Geschäftstätigkeit, sofern die Bank eine Konzession erhält, bereits mehr Mitglieder zählen als viele seit über 100 Jahren tätige Raiffeisen- oder Volksbanken. Damit verbunden sind aber auch - trotz Regionalgruppen und Online-Generalversammlungsoption - alle Probleme der Repräsentation des einzelnen Mitgliedes. Passend zum ursprünglichen Namen "Demokratische Bank" entsteht eine "Bank für alle". Doch deren (All-)Gemeinwohl darf nicht zu einer Leerformel werden.<p>Die Regionalität könnte das Unterscheidungsmerkmal der Sparkassen und Raiffeisenbanken bleiben: Diese haben ihr Selbstverständnis "sicher.regional.nachhaltig" weiterentwickelt zu "regional.digital.überall" und damit ihr Bekenntnis zu institutioneller Vielfalt im österreichischen Bankensystem fortgeschrieben. Mit der Bank für Gemeinwohl träte im Falle ihrer erfolgreichen Gründung dieser Vielfalt ein weiterer origineller Anbieter bei.<p>

Holger Blisse hat als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter der Universität Wien gearbeitet und ist u.a. auf kredit-, land- und wohnungswirtschaftliche sowie genossenschaftliche Themen spezialisiert.