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Ende eines europäischen Traumes

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft

Airbus wollte auch bei Großraumflugzeugen mit Boeing konkurrieren. Doch der A380 floppte und wird eingestellt.


Toulouse/Wien. Die 747 gilt als die Königin der Lüfte. Das Flugzeug mit dem markanten Buckel, den vier Triebwerken und der filigranen Form trotz 76 Metern Länge kennen auch Wenigflieger und Personen, die keine Luftfahrt-Fans sind. 1969 hob Boeings Maschine erstmals ab. Über Jahrzehnte flog der US-Hersteller mit der 747 dem europäischen Rivalen Airbus davon. Der hatte kein Großraumflugzeug auf der Langstrecke anzubieten.

Doch nicht nur die Gewinne dank der Monopolstellung sollten ein Ende haben. Airbus - der Boeing bei Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen seit Langem Paroli bietet - wollte auch in der Königsklasse auf Augenhöhe spielen. Es träumte in den Nullerjahren gar davon, die 747 aus dem Markt zu drängen. 2005 absolvierte dann der zweistöckige Riese Airbus A380 seinen Erstflug, 2007 startete der kommerzielle Einsatz. Anstatt zum Symbol der europäischen Luftfahrtambitionen und zur Goldgrube geriet der Flieger zum Flop. Airbus-Vorstandschef Tom Enders verkündete am Donnerstag, dass 2021 das letzte Exemplar ausgeliefert wird.

Durstig und überdimensioniert

Die Produktion ist bereits seit Längerem gedrosselt, auf zuletzt sechs Flugzeuge pro Jahr. Als auch Großkunde Emirates seine Bestellungen von 162 auf 123 Stück reduzierte, war das Ende besiegelt. Stattdessen orderte die Gesellschaft aus Dubai 40 Stück von Airbus’ A330, der für Mittel- und Langstreckenflüge eingesetzt werden kann sowie 30 Exemplare des Langstreckenfliegers A350.

Sowohl A330 als auch A350 kommen mit zwei Triebwerken aus, somit mit zwei weniger als der A380. Das verschafft ihnen einen Kostenvorteil, während der A380 als Kerosinfresser gilt. Noch dazu kann man heute bei Ausfall eines Triebwerks mit dem zweiten rund fünf Stunden in der Luft verbleiben, also auch bei Transatlantikrouten einen Flughafen ansteuern, wenn über dem Meer eine Notsituation entsteht.

Vierstrahlige Flugzeuge sind daher heute von Europa aus nur noch Richtung Asien und Australien üblich. Eine kerosinsparende Weiterentwicklung seiner A380-Turbinen scheute dessen Hersteller Rolls Royce jedoch aufgrund der hohen Entwicklungskosten.

Airbus-Kunde Qatar Airways bemängelte wiederum, der A380 sei zu schwer, da seine Tragflächen für die nie gebaute Langversion ausgelegt sind. Tatsächlich wird der Flieger in unterschiedlichen Bestuhlungsvarianten ausgeliefert, die von knapp 500 bis rund 615 Passagierplätzen reichen. Zugelassen ist der Jet sogar für 853 Fluggäste. Doch diese Variante hat sich ebenso als praxisfern herausgestellt wie Optionen für rund 1000 Passagiere. Sogar Ideen von Stehplätzen im Flugzeug, die über Armlehnen, Rückenlehne und Sicherheitsgurt verfügen, kursierten.

Markt falsch eingeschätzt

Derartige Gedankenspiele bezogen sich auf den asiatischen Markt, etwa auf japanische Inlandsflüge. Jedoch sind dort seit Jahrzehnten Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszüge im Dienst; keine einzige japanische Airline hat den A380 im Portfolio.

In China ist es nur eine Fluglinie, sie hat fünf der A380. Peking hat mittlerweile stattdessen das größte Hochgeschwindigkeits-Schienennetz weltweit realisiert.

Profitabel könne der A380 nur auf Strecken operieren, die "extrem nachgefragt" seien, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Dieses Prinzip widerspricht aber dem Trend, dass Wachstum in der Branche vor allem auf neuen und kurzen Strecken mit geringerem Passagieraufkommen generiert wird - und zwar in erster Linie durch Billigflieger. Während im vergangenen Jahr 321 Bestellungen (die wieder storniert werden können) für den A380 eingingen, waren es 14.661 Stück für die Kurz- und Mittelstreckenflieger der A320-Familie.

Zu den erfolgreichen Produktlinien sollen laut Airbus nun jene Mitarbeiter abwandern, die in der A380-Fertigung nicht mehr gebraucht werden. Bis zu 3500 Jobs hängen konzernweit an dem Großflugzeug, dazu kommen noch die Zulieferer. Einer davon, FACC, setzte am Donnerstag sogleich eine Gewinnwarnung ab. Das operative Ergebnis der Oberösterreicher für 2018/19 werde um zwölf Millionen Euro sinken.

Industriepolitisches Debakel

Hart trifft das Debakel um den A380 auch die Regierungen von Frankreich, Deutschland und Spanien, die gemeinsam 26,3 Prozent an Airbus halten. Von den geschätzt 15 Milliarden Euro Entwicklungskosten für den Flieger trugen die drei Länder ein Drittel in Form rückzahlbarer Darlehen. Mit jeder Auslieferung wurde ein Teil dieser getilgt. Laut "Welt" schuldete alleine die deutsche Airbus-Tochter dem deutschen Wirtschaftsministerium Ende 2016 noch 759 Millionen Euro aus dem A380-Programm - und somit letztlich den Steuerzahlern.

Die Aktionäre jubilieren hingegen, dass sie den A380 demnächst los sind. Am Donnerstag stieg der Airbus-Kurs um zeitweise sechs Prozent. Denn abseits des Verlustbringer-Jets hat Airbus 2018 glänzende Geschäfte gemacht. Der Umsatz betrug 63,7 Milliarden Euro, der Gewinn nach Zinsen und Steuern stieg auf 5,83 Milliarden Euro; ein Plus von 29 Prozent gegenüber 2017.

Und auch bei Boeing herrschte wohl Freude, und zwar, dass Airbus mit seinem hochtrabenden Projekt gescheitert ist. Doch die Umwälzungen in der Branche treffen auch die 747. Eine überarbeitete Variante wird aufgrund mangelnder Nachfrage nicht mehr als Passagierversion gefertigt, sondern lediglich als Frachtflugzeug. Allerdings hat Boeing in fünf Jahrzehnten mehr als 1500 Stück der 747 gebaut. Bei Airbus werden es bis zum Produktionsende des A380 nur 250 sein.