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Daimlers Vollbremsung

Von Bernd Vasari

Wirtschaft

Personaleinsparungen von einer Milliarde Euro: Vorstandschef Ola Källenius versucht den deutschen Autokonzern mit harten Maßnahmen zu retten.


Ob Ola Källenius wusste, auf was er sich da einlässt, als er den Vorstandsvorsitz von Daimler übernahm? Ein halbes Jahr ist seither vergangen. In dieser Zeit musste er den Aktionären des stolzen, börsennotierten Autokonzerns zweimal eine Gewinnwarnung herausgeben, rief er 60.000 Dieselfahrzeuge wegen zu hoher Abgaswerte zurück, verdonnerte die Staatsanwaltschaft Stuttgart den Hersteller mit dem Stern zu einer Strafe von 870 Millionen Euro wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht.

Nun verkündete Källenius auch noch die Einsparung von mehr als einer Milliarde Euro beim Personal in den kommenden drei Jahren und verlangt von seinen Mitarbeitern, auf die nächste Tariferhöhung zu verzichten. "Sollen wir an den 6000 Mitarbeitern festhalten? Nach meiner Ansicht nicht", sagt der Daimler-Chef. Betroffen ist vor allem die Autosparte Mercedes-Benz.

Sowohl im Management - die Zahl der Führungskräfte soll um zehn Prozent sinken - als auch in der Verwaltung sollen Stellen abgebaut werden, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Zudem will Daimler die Investitionen deckeln und auf lange Sicht auch reduzieren.

Betriebsrat: 1100 Stellen sollen gestrichen werden

"Mit einer klaren Zukunftsstrategie stellen wir das Unternehmen für die Transformation auf", betont Källenius. "Die Kostenbelastungen zur Erreichung der CO2-Ziele erfordern umfassende Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in allen Bereichen unseres Unternehmens. Dazu gehört auch die Verschlankung unserer Prozesse und Strukturen."

Details zur Zahl der zu streichenden Stellen nannte der Konzern zunächst nicht. Man befinde sich in engem Austausch mit den Arbeitnehmervertretern, hieß es. Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht hatte Ende vergangener Woche die Zahl von 1100 zu streichenden Stellen im Management genannt. Der Mitteilung zufolge will Daimler zudem in der Lastwagensparte bis Ende 2022 die variablen Kosten um 250 Millionen Euro senken und 300 Millionen Euro beim Personal einsparen.

Finanzchef Harald Wilhelm erklärte, es werde eine Nettoverschuldung von null angestrebt. Das bedeute, die Investitionen müssten aus den erwirtschafteten Barmitteln finanziert werden. Es sei "absolut" die Absicht des Unternehmens, das Kreditrating "A" trotz vieler Herausforderungen zu halten.

An der Börse sorgten die Ankündigungen des Vorstands zu einem Absacken der Daimler-Aktie um bis zu 4,7 Prozent.

Nach all den Rekordjahren mit dem erhabenen, schnauzbärtigen Chef Dieter Zetsche an der Spitze sind die Maßnahmen ein harter Schlag für das Unternehmen, deren Mitarbeiter nun schmerzlich erfahren müssen, dass neue Zeiten anbrechen.

"Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht"

Neue Zeiten, die Deutschlands ältester Autobauer offenbar verschlafen hat. Das dämmerte am Ende sogar Zetsche. Doch wie es weitergehen soll, welche Rolle der Konzern in einer digitalen, umweltfreundlichen Zukunft spielen soll, wusste auch er nicht mehr. "Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht", sagte er zum Erstaunen der Mitarbeiter und übergab an seinen Nachfolger Källenius.

An ihm liegt es, das Ruder noch einmal herumzureißen. Es gilt nun verstärkt in Stromantriebe zu investieren und diese marktfähig zu machen. Mit einem Aufwand von mehr als einer Milliarde Euro darf dafür gerechnet werden, sagen Insider. Es bleibt aber nicht mehr viel Zeit. Schließlich müssen bis zum übernächsten Jahr die CO2-Emissionen der Neuwagen in der EU auf 95 Gramm je Kilometer sinken.

Auch, wenn Daimler noch einen höheren Maximalwert von 103 Gramm CO2 pro Kilometer heraus verhandeln konnte, so wird auch dieses Ziel nur schwer zu schaffen sein. Von einer Serienproduktion wie Konkurrent Volkswagen ist Daimler derzeit meilenweit entfernt. Die Zielwerte zu verfehlen, bedeutet aber weitere millionenschwere Strafen für den Autokonzern.

Källenius versuchte zuletzt, die Flucht nach vorne anzutreten. So werden Daimlers Pkw-Neuwagen bis 2039 komplett klimaneutral sein. Ob der Konzern - frei nach Zetsche - dann allerdings noch besteht, ist fraglich.