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Das nächste schwere Jahr für die Luftfahrt

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Dank üppiger Staatshilfen blieben in der Corona-Krise Bruchlandungen bisher aus. Die wirtschaftliche Erholung der Airlines wird sich dennoch zäh gestalten.


Die Situation laufend neu bewerten: Das sind Fluggesellschaften gewohnt. Was sich aber 2020 abspielte, übertraf alles bis dahin Dagewesene und warf alle Planungen über den Haufen. Die asiatischen Airlines waren die ersten, die auf den Ausbruch der neuen Lungenkrankheit in China reagierten und Flüge von und nach Wuhan, Ausgangspunkt der Pandemie, strichen. In der Folge machten immer mehr Flugunternehmen einen weiten Bogen um China. Da war es aber schon zu spät, das Coronavirus hatte seine Reise um die Welt angetreten. Was folgte, war für die Luftfahrt die schlimmste Krise aller Zeiten.

Nicht einmal Sars hat die Branche so weit zurückgeworfen. An der Atemwegserkrankung starben von November 2002 bis Juni 2003 rund 800 Menschen. Dazu kam der Krieg im Irak. "Die Luftfahrtindustrie erlebt die schwierigste Zeit ihrer Geschichte", sagte der Präsident des Branchenverbands International Travel Aviation Association (IATA), Giovanni Bisignani, im Mai 2003.

Lufthansa: Eine Million Euro Verlust pro Stunde

Dem Schnüren gewaltiger staatlicher Rettungspakete ist es zu verdanken, dass im Zuge der Corona-Pandemie noch keiner der großen Carrier eine Bruchlandung hingelegt hat. So blieben bei der Lufthansa wochenlang 700 der 763 Flugzeuge am Boden, bei laufenden Fixkosten. Die tägliche Zahl der Fluggäste sank von durchschnittlich 350.000 pro Tag auf rund 3.000. Laut Vorstandschef Carsten Spohr verlor die Lufthansa am Höhepunkt der Krise stündlich eine Million Euro Cash. Dem Staat war die Rettung der Airline, die vor 23 Jahren vollständig privatisiert worden war, neun Milliarden Euro wert. Für eine Exportnation wie Deutschland sei eine eigene Fluggesellschaft mit globalem Streckennetz unverzichtbarer Bestandteil der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, sagte Klaus-Heiner Röhl, Luftfahrtexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Seit Juli ist die Bundesrepublik über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit 20,05 Prozent größter Aktionär.

Bei der Tochtergesellschaft Austrian Airlines verzichtete zwar der Staat auf eine Beteiligung, Unterstützung bekam die AUA aber doch: 300 Millionen Euro aus staatlich garantierten Bankkrediten sowie 150 Millionen Euro Katastrophenbeihilfe.

Zuletzt hat sich die tief in den roten Zahlen steckende französisch-niederländische Fluggesellschaft Air France-KLM über eine Kapitalerhöhung eine Milliarde Euro frisches Geld geholt. Ein Großteil davon stammt vom französischen Staat, der seine Beteiligung auf 28,6 Prozent verdoppelte. Bereits im Vorjahr haben Frankreich und die Niederlande Air France-KLM mit mehr als zehn Milliarden Euro unter die Flügel gegriffen. Jetzt soll Frankreich dem Konzern durch die Zeichnung nachrangiger Anleihen mit einer ewigen Laufzeit weitere drei Milliarden Euro zuschießen.

Auch Alitalia wird neu aufgestellt. Sie schreibt zwar schon seit 2002 keine Gewinne mehr, ist seit 2017 insolvent und steht unter staatlicher Zwangsverwaltung, soll aber am Leben erhalten werden. Fast 300 Millionen Euro Corona-Hilfen hat die italienische Airline bisher vom Staat erhalten, genehmigt von der EU.

Der portugiesische Staat rettete die schwer angeschlagene nationale Fluglinie TAP mit 1,2 Milliarden Euro vor dem Absturz und stockte seinen Anteil von bisher 50 auf 72,5 Prozent auf. Kurz wurde auch eine Insolvenz angedacht. Die Regierung hielt jedoch die TAP für Portugal zu wichtig, "als dass das Land sich den Luxus leisten könnte, das Unternehmen zu verlieren", hieß es. Immerhin würden 60 Prozent der Touristen mit der Airline ins Land kommen.

Die skandinavische Fluggesellschaft SAS sicherte sich umfangreiche staatliche Kredite mit einem Rahmen von umgerechnet 308 Millionen Euro. 90 Prozent davon garantierten die Regierungen von Schweden und Dänemark. Auch der Finnair ging das Geld aus, sie erhielt eine Finanzhilfe von 352 Millionen Euro in Form eines Hybrid-Darlehens.

IATA-Chef: Kaum Änderungen in den nächsten 12 bis 18 Monaten

Dass so viel Geld in die europäische Airlinebranche gepumpt wurde und das noch dazu mit dem Segen der EU, gefiel Ryanair gar nicht. Der Billigflieger von Michael O’Leary klagte vor dem Gerichtshof der EU gegen 16 verschiedene Staatshilfen in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro - bisher jedoch erfolglos.

Fast 55 Milliarden Dollar schwer sind die Staatshilfen für US-Fluggesellschaften wie American Airlines, Delta Air Lines und United Airlines, die wegen der Corona-Krise hohe Verluste erlitten. Sie rechnen nun mit einem starken Sommer. Nach United Airlines und Delta bestätigte auch American Airlines diesen Trend.

Bei Geschäftsreisen und internationalen Flügen sei die Nachfrage noch schwach, aber immer mehr Amerikaner würden ihren Impfstatus nutzen, um Familie und Freunde zu besuchen oder einfach Urlaub zu machen. Um zumindest vereinzelt Transatlantikflüge anzubieten, haben die US-Fluggesellschaften Europa-Flüge für geimpfte Passagiere ins Programm aufgenommen. So will United Kroatien, Griechenland und Island anfliegen.

Zu viel Optimismus ist nicht angesagt. Alexandre de Juniac, bis Ende März Chef der IATA, erwartet kurzfristig weder eine wirtschaftliche Erholung der Branche noch ein Ende der Auflagen für Passagiere. "In den nächsten 12 bis 18 Monaten werden Flugreisen ziemlich so ablaufen wie heute. Hoffentlich mit ein paar digitalen Schritten, durch die der Gesundheitszustand verifiziert wird, und wahrscheinlich auch mit Masken", sagte Juniac in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".

Das schleppende Impftempo lasse nicht erwarten, dass Reisebeschränkungen rechtzeitig vor der lukrativen Sommersaison aufgehoben werden, sagte IATA-Chefökonom Brian Pearce in Genf. Laut IATA haben im Vorjahr alle Fluggesellschaften zusammen Verluste von fast 120 Milliarden Dollar (100 Milliarden Euro) gemacht. Weltweit waren 1,8 Milliarden Menschen im Flugzeug unterwegs - nach 4,5 Milliarden 2019. Pearce korrigierte die Verlustprognose vom Dezember für dieses Jahr von knapp 39 Milliarden Dollar auf 47 bis 48 Milliarden Dollar. Vor vier Monaten hoffte die IATA noch, dass der Flugbetrieb heuer Jahr 51 Prozent des Niveaus von 2019 erreicht. Jetzt geht sie nur noch von 43 Prozent aus. Dabei geht es um die geflogenen Personenkilometer - alle Flüge aller Passagiere zusammen.