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Wann startet die nächste Goldpreis-Rally?

Von Karl Leban

Wirtschaft

Bleibt ein von Negativzinsen und hoher Inflation geprägtes Umfeld, könnte es mittel- bis langfristig Kurse von bis zu 5.000 Dollar geben.


Für Anleger gilt Gold in Krisenzeiten seit jeher als sicherer Hafen. Deshalb war es auch alles andere als überraschend, dass es mit dem Preis für das gelbe Edelmetall in den ersten Monaten der Corona-Krise, als die Wirtschaft abstürzte und sich rund um den Globus akute Zukunftsängste breitmachten, kräftig bergauf ging. Höhepunkt dieser Entwicklung war ein historisches Rekordhoch von 2.071,69 US-Dollar pro Feinunze Anfang August 2020.

Doch seither sind die Preise deutlich abgerutscht - unter dem Strich um rund 17 Prozent. Ein fast zweijähriger Aufwärtstrend, der Investoren ein stolzes Plus von knapp 76 Prozent bescherte, ist damit zu Ende gegangen. Auch heuer hat Gold, dem das Manko anhaftet, keine laufenden Erträge - Zinsen oder Dividenden - abzuwerfen, bisher an Glanz verloren: Seit Jahresbeginn beträgt das Minus mehr als 7 Prozent - und das, obwohl die Verbraucherpreise in allen Industrieländern seit Monaten relativ stark zulegen und Gold im Ruf steht, ein Inflationsschutz zu sein.

Für Peter Brezinschek, den Chefanalysten der Raiffeisen Bank International, ist klar: "In einem Umfeld, wo die Teuerung noch nicht dauerhaft nach oben klettert, aber die US-Zinspolitik in absehbarer Zeit mit einem Zinsanhebungszyklus in Verbindung gebracht wird, stellt Gold nicht gerade das attraktivste Asset dar - noch dazu, wo die Aktienmärkte nach wie vor gute Erträge abwerfen." Daher wird aus seiner Sicht in den kommenden zwölf Monaten entscheidend sein, wie sich der den Goldpreis stark beeinflussende Dollar und die US-Inflation bewegen.

Komplexe Szenarien

Sollte der Dollar stark bleiben und die Inflation in den USA zurückgehen, aber über der Zwei-Prozent-Zielmarke der US-Notenbank verharren (wovon Brezinschek ausgeht), dann werde der Zinsanhebungszyklus 2022 "heftig diskutiert und eventuell auch schon gestartet", meint der Raiffeisen-Experte. Es bleibe dann sicher nicht bei einer oder zwei Leitzinserhöhungen. "In diesem Umfeld hätte Gold wenig Chance, sich wieder Richtung 1.900 Dollar (etwas oberhalb dieser Marke waren Anfang Jänner und Ende Mai die höchsten Preise zu verzeichnen, Anm.) auf den Weg zu machen", glaubt Brezinschek. Sollte die Teuerung 2022 aber über den Schätzungen verharren und die US-Notenbank aus politischen Gründen keine Zinsmaßnahmen setzen, "dann wäre auch wieder Platz für eine Erholung des Goldpreises an die Höchstmarken des heurigen Jahres". Doch da müsste auch der US-Dollar mit einer leichten Abschwächung mitspielen.

Auch wenn Gold mit der heurigen Performance bis dato enttäuscht hat: Ronald-Peter Stöferle, Fondsmanager beim liechtensteinischen Vermögensverwalter Incrementum, rechnet mit einem baldigen Comeback. "Wir sind absolut sicher, dass ein monetärer Klimawandel stattfindet, der sich in längerfristig höheren Inflationsraten manifestiert. Die weiterhin negativen Realzinsen sollten das Fundament für zukünftige Avancen des Goldpreises bedeuten", erklärt er.

Extreme Langfrist-Kursziele

Schon "auf Sicht des nächsten Jahres" erwartet Stöferle "neue Allzeithochs". Besonders "bullish" ist das langfristige Kursziel seines Hauses: "Per Ende dieser Dekade sehen wir einen Goldpreis von 4.800 Dollar", ist Stöferle überzeugt.

Ähnlich optimistisch ist auch sein Fondsmanager-Kollege bei Quadriga, Diego Parrilla. Nach dessen Einschätzung könnte der Goldpreis in den nächsten drei bis fünf Jahren auf 3.000 bis 5.000 Dollar ansteigen. "Wir sind in ein neues Paradigma eingetreten, das stark von negativen Realzinsen, hoher Inflation und niedrigen Nominalzinsen geprägt sein wird - ein extrem günstiges Umfeld für Gold", so Parrilla laut dem Finanznachrichtendienst Bloomberg. Geht es nach ihm, wird der Preisschub bei dem Edelmetall vermutlich auf eine Inflation folgen, die die Notenbanken nicht werden kontrollieren können.

"Rosige Zukunft"

Die Anlage-Experten der Steiermärkischen Sparkasse gehen ebenfalls davon aus, dass der Goldpreis wieder deutlich anziehen wird. "Auch wenn die Notenbanken beginnen, ihre krisenbedingten Anleihenkaufprogramme zurückzufahren, sind die Geldmengen weltweit in einem derartigen Ausmaß ausgedehnt worden, dass Anleger tendenziell nun in Richtung ,Sachwerte‘ gehen", sagt Karl Freidl, Chef des Vermögens- und Fondsmanagements der Steiermärkischen. "Da auf dem Immobilienmarkt heute keine Renditen mehr zu erzielen sind, bleiben Gold und Aktien als Realwerte, um Vermögenswerte über einen längeren Zeitraum zu sichern." Beiden Anlageklassen bescheinigt Freidl eine "rosige Zukunft".

Gleichzeitig sagt der Finanzmarktexperte mit Blick auf eine absehbar straffere Geldpolitik der Zentralbanken aber auch: "Gold hat immer dann ein Problem, wenn die Zinsen steigen." Seine Analyse deckt sich da mit der seines Bankkollegen Brezinschek. Was den Goldpreis derzeit aus Freidls Sicht ebenso dämpft, sind die Aktienbörsen: "Je stärker die Aktienmärkte steigen, desto weniger sehen die Anleger die Notwendigkeit einer vermeintlichen ,Krisenanlage‘, mit den steigenden Kursen werden sie immer mutiger." Im Fall einer Korrektur an den Aktienbörsen sollte der Goldpreis aber wieder steigen, "da die Flucht in einen sicheren Hafen die Nachfrage und damit auch den Preis nach oben treibt", wie Freidl analysiert.

Kritische Sicht

Es gibt freilich auch kritische Stimmen. Zwar bezeichnet Jakob Frauenschuh, ein leitender Asset-Manager der Bank-Austria-Tochter Schoellerbank, Gold als "ein gutes Kriseninvestment, wie wir auch 2020 sehen konnten". Doch jetzt sei die unmittelbare Krise vorbei und die Wirtschaft erhole sich rasant. Zudem mache es die nun anziehende Inflation immer wahrscheinlicher, dass auch die Geldpolitik in absehbarer Zeit gestrafft wird. Entgegen der landläufigen Meinung sei Gold daher "eher weniger gut als ,Inflations-Investment' geeignet, sagt Frauenschuh. "Andere Assetklassen - zum Beispiel Inflationsanleihen und natürlich auch Aktien - sind da die bessere Wahl."

Inflation gehe mit steigenden Zinsen einher, und das mache Gold als zinsloses Investment "vergleichsweise wenig attraktiv", gibt Frauenschuh zu bedenken. Dies erkläre auch die aktuelle Preisentwicklung des gelben Metalls.

Indes rechnet der Schoellerbank-Manager weder mit einer "galoppierenden Inflation" noch mit einer neuen Krise an den Finanzmärkten. "Aus strategischer Investmentperspektive drängt sich Gold daher aus unserer Sicht aktuell nicht auf."