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Wovor es sich zu fürchten lohnt

Von Thomas Seifert

Wirtschaft
© stock.adobe.com / Eshma

Beim Risikoreport des World Economic Forum gilt trotz der pessimistischen Beurteilung der Weltlage das Prinzip Hoffnung.


Es ist wohl kein Zufall, dass Klaus Schwab, der Gründer des World Economic Forum, sich in seinem neuen Buch "The Great Narrative - for a better Future" (das er gemeinsam mit Thierry Malleret verfasst hat) intensiv mit dem Thema Optimismus beschäftigt. Gerade wenn die Zeiten schlecht sind, benötigt man eine gute Dosis Zuversicht. Mehr als einmal zitieren Schwab und Malleret in ihrem Buch den politischen Philosophen Martin O’Neill: "Optimismus kann eine Pflicht oder eine Verantwortung sein, während Pessimismus eher wie Luxus wirkt. (...) Aber ich glaube, dass die Idee des Optimismus eher eine mit einer praktischen Orientierung gegenüber der Welt ist und weniger ein Glaube daran, wie die Sache ausgehen wird."

O’Neill, Professor an der University of York im Norden Englands, nimmt wiederum Anleihen beim marxistischen Philosophen Antonio Gramsci, der aus seiner Sicht die beste Definition für diese Haltung eines pragmatischen Optimismus geliefert und vom "Pessimismus des Verstandes und dem Optimismus des Willens" geschrieben hat.

Die Welt ist voller Gefahren, voller Risken, und ist die Covid-19-Krise erst überwunden, steht gleich die Klimakrise vor der Tür. Die vergleichsweise sorgenfreien Zeiten zwischen dem Ende des Kalten Krieges und dem 11. September sind längst Geschichte. Seither: Terror, Kriege von Afghanistan über den Irak, Syrien, Libyen bis Äthiopien und zur Ukraine, Finanzkrise, Aushöhlung der Demokratie von Polen und Ungarn bis zu den USA und Brasilien und schließlich Covid-19.

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Der Global Risk Report, den das Weltwirtschaftsforum (WEF) seit 2006 jedes Jahr präsentiert, ist so ein Dokument des "Pessimismus des Verstandes", von dem Gramsci sprach, das getreu dem Motto "Nur wer das Risiko kennt, kann sich auf die Gefahren vorbereiten" entsteht.

Das World Economic Forum befragte auch 2021 wieder hunderte Expertinnen und Experten, dieses Mal waren es annähernd eintausend Personen, die sich den Fragen des WEF gestellt haben.

Umweltkrise undsoziale Ungleichheit

Es überwiegt - und das dürfte wohl niemanden überraschen - der Pessimismus: 41,8 Prozent der Befragten erwarten für die nächsten drei Jahre eine Welt der "permanenten Volatilität mit vielfachen Überraschungen", 37,4 Prozent schließen sich der Aussage an, die kommenden Jahre würden weitere Brüche hervorbringen, mit relativen Gewinnern und Verlierern. Nur 10,7 Prozent setzen als unverbesserliche Optimisten auf einen sich beschleunigenden Wirtschaftsaufschwung und 10,1 Prozent erweisen sich als pessimistische Apokalyptiker, die daran glauben, dass in den kommenden drei Jahren rote Linien überschritten werden, die zunehmend katastrophale Auswirkungen ans Licht bringen. 23 Prozent blicken eher ängstlich in die unmittelbare Zukunft, 61,2 Prozent sind besorgt, nur 12,1 Prozent sehen die Zukunft positiv und 3,7 Prozent "optimistisch". Saadia Zahidi, Direktorin des World Economic Forum, weist bei der Pressekonferenz in Genf auf die größten Baustellen hin: Der Bericht zeige, so Zahidi, dass die Covid-19-Pandemie wie ein Brandbeschleuniger die meisten Entwicklungen noch stärker angeschoben hat als bisher: So habe die Erosion des sozialen Zusammenhalts weiter zugenommen, die soziale Ungleichheit ebenfalls. Interessant auch, welche Auswirkungen ein unterschiedlicher zeitlicher Horizont auf die Risikobeurteilung einzelner Risiken hat: Wenn es um die Frage geht, welches Risiko in den nächsten ein bis zwei Jahren für am gefährlichsten eingeschätzt wird, gaben die Expertinnen und Experten zur Antwort: "Extreme Wetterereignisse". Dieses Risiko bleibt auch ganz oben auf der Liste, wenn der Zeithorizont zwei bis fünf Jahre, beziehungsweise fünf bis zehn Jahre abgefragt wird. Auf Platz eins der gefährlichsten Risken findet sich dann aber ein "Versagen der Klimapolitik".

Wie kommt man wieder zur Kooperation?

Auf die Frage der "Wiener Zeitung" nach den geopolitischen Risken antwortet Zahidi: "In den vergangenen Jahren war die Politik - nicht zuletzt aufgrund der Covid-19-Krise - in den einzelnen Ländern sehr stark nach innen gerichtet. In nächster Zukunft tritt die Welt allerdings in eine neue Phase ein: Weg von der unmittelbaren Bedrohung, von der unmittelbaren Notsituation der Pandemie in eine neue Phase, in der wieder Brücken zueinander gebaut werden müssen. Um etwa die Klimakrise anzugehen, benötigt es globale Koordination und globale Kooperation."

Beim WEF gilt trotz des pessimistischen Berichts das Prinzip Hoffnung.