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Ein rabenschwarzer Tag - auch für die Börsen

Von Karl Leban

Wirtschaft

Russlands Gewaltakt gegen die Ukraine sorgt für Schockwellen an den Aktienmärkten.


Hochgradige Nervosität ließ Investoren am Donnerstag nach dem russischen Militärangriff auf die Ukraine aus Aktien flüchten. Rund um den Globus waren die Kurse auf Talfahrt - weitaus am stärksten an der Börse in Moskau, die in Erwartung verschärfter Wirtschaftssanktionen um bis zu 49 Prozent abstürzte. Signifikante Aufschläge gab es indes beim Ölpreis, der erstmals seit 2014 pro Fass wieder mehr als 100 Dollar kostete, aber auch beim Preis für Gold, das vielen Anlegern in Krisen als sicherer Hafen dient.

An den internationalen Aktienbörsen vernichteten die durch Russlands Gewaltakt ausgelösten Schockwellen Werte in Billionenhöhe. In Europa fielen die Aktienindizes fast überall um rund 3 bis 7 Prozent - so etwa an den Märkten in London, Paris, Frankfurt, Zürich und Wien.

Wobei der ATX, der Leitindex der Wiener Börse, die schwersten Verluste erlitt. Er sackte um gut 7 Prozent ab und fuhr damit den sechsten Verlusttag in Serie ein. Dass das Ausmaß der Kursverluste in Wien europaweit besonders hervorstach, hat mit der starken wirtschaftlichen Verflechtung etlicher ATX-Unternehmen mit Russland und Osteuropa zu tun.

So fiel etwa der Kurs bei der Raiffeisen Bank International, die in Russland ihren größten Einzelmarkt hat und auch in der Ukraine tätig ist, um bis zu 22 Prozent. Für den ATX-Titel war dies der größte Tagesverlust seit der folgenschweren Pleite der US-Investmentbank Lehman-Brothers im Herbst 2008.

Ölpreise auf Bergfahrt

Aber auch die Erste Bank erwischte es schlimm, ihr Kurs fiel im Handelsverlauf um bis zu 12 Prozent. Daneben setzte es für eine Reihe von Industriewerten herbe Verluste - etwa für den Ziegelhersteller Wienerberger mit einem Minus von mehr als 12 Prozent, für das Stahltechnologieunternehmen Voestalpine (minus 11 Prozent) und den an der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 als Mitfinancier beteiligten Energiekonzern OMV (minus 10 Prozent).

Stark unter die Räder geriet auch der Frankfurter Leitindex DAX, der große deutsche Bruder des ATX. Er war am Donnerstag ebenso wie der marktbreite Eurostoxx-50 mit einem Verlust von rund 4 Prozent konfrontiert. In den USA blieben die Anleger dagegen weitgehend "cool". Dort hielten sich die Kursverluste weitgehend in Grenzen, im Frühhandel verlor der Dow-Jones-Index, das meistbeachtete Aktienbarometer der Welt, "lediglich" 1,7 Prozent.

Mit dem Ölpreis ging es unterdessen stark aufwärts. Die Nordsee-Sorte Brent hatte ihr Tageshoch bei 105,79 US-Dollar je Barrel (159 Liter), zeitweise lag der Preis um gut 8 Prozent höher, ähnlich stark verteuerte sich auch die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI).

Vorab eingepreist wird dabei eine mögliche Verknappung des Angebots. Falls die westlichen Sanktionen gegen Moskau auch russisches Öl und Gas erfassen, sind Lieferausfälle nicht auszuschließen, sagen Rohstoffexperten. Auf der anderen Seite wäre es aber auch möglich, dass Russland auf verschärfte Sanktionen mit einer Drosselung seiner Öl- und Gasexporte reagiert. "Sollten die russischen Öllieferungen teilweise ausfallen, wären die anderen großen Produzentenländer nur bedingt in der Lage, dies auszugleichen", gibt Carsten Fritsch, Analyst der Commerzbank, zu bedenken.

Weizen-Future schießt hoch

Zu starken Verteuerungen kam es am Donnerstag auch bei anderen Rohstoffen. So stieg etwa der Preis für eine Tonne Aluminium um 2,9 Prozent auf 3.388 US-Dollar. Damit übertraf er sein bisheriges Rekordhoch, das in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 markiert worden war.

An den Agrarmärkten wiederum legte der europäische Weizen-Future wegen drohender Lieferausfälle aus der Schwarzmeer-Region um 20 Prozent auf ein Allzeithoch von 344 Euro je Tonne zu. Dies war der größte Kurssprung seit neun Jahren. Die Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt, steht für rund ein Viertel des weltweiten Agrarhandels.

Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise sowie die sich weiter drehende Sanktionsspirale könnten die aktuelle Konjunkturerholung in Europa, aber auch in den USA in gewisser Weise gefährden. Zumindest kurzfristig werde die ohnedies erhöhte Inflation jetzt wohl noch weiter ansteigen, meint Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. "Das schwächt die Kaufkraft und tendenziell die Nachfrage von Haushalten nach anderen Gütern und erhöht die Kosten auch für die Unternehmen."

Demnach sind konjunkturelle Belastungen absehbar. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, glaubt jedoch nicht, dass dies den Aufschwung abwürgen wird. Sehr wohl werde das Wirtschaftswachstum aber gedämpft. Das Inflationsrisiko bleibe indes bestehen und nehme mit den höheren Energiepreisen noch zu. Gitzel geht deshalb davon aus, dass die US-Notenbank Fed und auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik straffen werden - trotz der der militärischen Eskalation. Daher werde es auch keine frischen Geldspritzen geben, zumal die ökonomischen Folgen des Konflikts aus Gitzels Sicht bisher "überschaubar" sind.

Rekordtief beim Rubel

Angesichts der großen Unsicherheit an den Märkten war Gold am Donnerstag stark nachgefragt. Der Preis stieg um bis zu 3,5 Prozent auf ein 18-Monats-Hoch von 1.973,96 US-Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Finanzmarktexperten trauen dem als sichere Anlage geltende Edelmetall nun einen Sprung über das bisherige Rekordhoch von 2.071,69 Dollar von Anfang August 2020 zu.

Die Weltleitwährung war ebenfalls begehrt. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, konnte mit einem Plus von einem Prozent den größten Tagesgewinn seit zwei Jahren verbuchen. Der russische Rubel knickte hingegen ein und fiel auf ein Rekordtief. Im Gegenzug stiegen Dollar und Euro jeweils mehr als 10 Prozent auf 89,9855 beziehungsweise 101,0273 Rubel.