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Zinswende weiter in Warteschleife

Von Karl Leban

Wirtschaft

Wegen der Inflation wird eine Zinserhöhung immer wahrscheinlicher, vorerst wird die EZB aber noch zuwarten.


Europaweit steigen die Verbraucherpreise im Rekordtempo. Im März lag die durchschnittliche Inflationsrate im Euroraum nach vorläufigen Daten bereits bei 7,5 Prozent. Ein Ende der rasanten Teuerung ist vorerst nicht in Sicht - auch deshalb nicht, weil der Krieg des Öl- und Gaslieferanten Russland die stark gestiegenen Energiepreise, die als größter Inflationstreiber gelten, zusätzlich befeuert. Die jüngste Rate liegt jedenfalls noch weiter über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent.

Mit Blick auf die nächste Zinssitzung am kommenden Donnerstag erhöht das zwar den Druck auf die Euro-Währungshüter zu handeln. Doch es gibt ein veritables Problem dabei: So sollte einerseits die erhöhte Inflation bekämpft, andererseits aber auch die Konjunktur am Köcheln gehalten werden. Mit dem Krieg in der Ukraine, der nicht unerhebliche Risiken für die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise birgt, ist es für die EZB freilich noch schwieriger geworden, die richtigen Weichen zu stellen. Beginnen die Notenbanker in Frankfurt zu früh damit, den auf dem Rekordtief von null liegenden Leitzins anzuheben, laufen sie eventuell Gefahr, die Konjunktur abzuwürgen.

Gefahr eines schwächeren Euro

Das lange Zuwarten und Zögern der Europäischen Zentralbank sieht Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), jedoch kritisch. "Die EZB muss aufpassen, dass sie nicht den Zug versäumt", betont er. "Zu große Zinsdifferenzen zu den USA (wo die Notenbank die Zinswende im März eingeleitet und erst kürzlich einen aggressiven Kurs signalisiert hat, Anm. d. Red.) öffnen nämlich den Weg für einen schwächeren Euro." Und das hätte einen zusätzlichen Inflationsschub zur Folge, wie Brezinschek zu bedenken gibt. Zinserhöhungen würden den Euro somit aufwerten und vor allem die in Dollar gehandelten Energie-Importe verbilligen, was wiederum den Inflationsdruck senken würde.

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Geht es nach Brezinschek, sollte die EZB nach ihrem Meeting am 14. April "zu erkennen geben, dass es ihr ernst ist, dass sie sich vom Dogma einer temporär erhöhten Inflation verabschiedet und dass sie auf das Ende der Negativzinsen zusteuert". Indes erwartet der Wiener Finanzmarktexperte nicht, dass schon jetzt an der Zinsschraube gedreht werden wird: "Das würde alle verschrecken." Allerdings spricht sich Brezinschek dafür aus, dass die EZB dem Auslaufen ihrer Netto-Anleihenkäufe erste Zinserhöhungen in der zweiten Jahreshälfte folgen lassen sollte.

Zinsdebatte nimmt Fahrt auf

Fritz Mostböck, Chefanalyst der Erste Group Bank, meint ebenfalls: "Es wird nicht viel passieren bei der nächsten EZB-Sitzung." Zu erwarten sei aber, dass die Europäische Zentralbank "die Märkte darauf einstimmen wird, dass sie über das Ende der Wertpapierkäufe bei ihrer Sitzung im Juni entscheiden wird". Ein konkretes Datum dafür hat die EZB noch nicht fixiert - bisher war nur vom "Sommer" die Rede, sofern der Inflationsausblick es erlaubt. Nach dem Ende der milliardenschweren Anleihenkäufe würden dann nur noch Tilgungen aus dem bestehenden Portfolio reinvestiert, womit die Voraussetzung für eine Zinswende gegeben wäre, erläutert Mostböck. Eine Zinsanhebung in der Eurozone werde damit immer wahrscheinlicher. Dennoch geht Mostböck weiterhin davon aus, dass die EZB erst im Dezember einen ersten Schritt setzen wird.

In der Europäischen Zentralbank selbst haben mehrere Ratsmitglieder, darunter auch der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann, zuletzt bereits den September als Termin für eine Zinswende ins Gespräch gebracht. Die Debatte über eine Zinserhöhung scheint also Fahrt aufgenommen zu haben. Das bestätigen auch die jüngst veröffentlichten Protokolle zur März-Sitzung, in der sich eine große Zahl von Währungshütern für umgehende weitere Schritte in Richtung geldpolitischer Normalisierung aussprach. Die Bedingungen für eine Zinsanhebung seien weitgehend erfüllt, wurde dabei argumentiert.

Doch keine Rezession?

Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, erklärte vor Kurzem im ARD-Fernsehen: "Das, was wir jetzt sehen am aktuellen Rand, deutet darauf hin, dass möglicherweise auch der Sparer sich bald wieder über höhere Zinsen freuen kann." Zur Teuerung sagte er, dass gerade Menschen mit kleineren oder mittleren Einkommen besonders hart durch die hohen Preise getroffen würden. "Und da müssen wir ran, wir als Notenbanker. Diese hohen Inflationsraten dürfen sich nicht verfestigen", so Nagel. Laut EZB-Vize Luis de Guindos steht der Eurozone wegen der teuren Energie und der Russland-Sanktionen auf kurze Sicht zwar eine Konjunkturflaute ins Haus, aber keine Rezession.