Zum Hauptinhalt springen

Das große Gasrätsel

Von Bernd Vasari

Wirtschaft
Im Notfall sind Unternehmen angewiesen, ihre Produktion zugunsten der Versorgungssicherheit von Haushalten einzustellen.
© Getty Images

Je näher der Winter rückt, desto mehr Fragen zur Energieversorgung tauchen auf. Eine Einordnung.


Sanft baumelnd in einer gemütlichen Hängematte, die Füße im feinsandigen Badestrand, den Sommer spüren und genießen. Doch immer häufiger wird dieses Wohlgefühl von unangenehmen Gedanken gestört: Wird sich das mit den Gasmengen ausgehen, wenn die Sonne nicht mehr kräftig vom Himmel scheint? Was passiert bei einem Gasmangel? Wer hat überhaupt Anspruch auf Gas und wer wird es verteilen? Nun drängt auch schon die EU-Kommission zur Eile im Kampf gegen einen möglichen Gasmangel. Was kommt da auf uns zu? Ein Überblick zum aktuellen Stand:

  • Wird Russland das Gas abdrehen?

Die Unterwasser-Gasleitungen Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland werden derzeit bis 21. Juli gewartet. Es fließt daher kein Gas. Ob es zu einer Wiederaufnahme von Lieferungen kommt, ist nach den aktuellen Äußerungen des russischen Außenministeriums äußerst unwahrscheinlich: Solange die EU-Sanktionen gegen Russland gelten, bleibe der Gashahn abgedreht. Ohne Nord Stream 1 würden die Österreich-, aber auch die EU-Vorgaben verfehlt werden, bis November die Gasspeicher auf 80 Prozent zu füllen.

  • Gibt es einen EU-Notfallplan im Falle eines Gasstopps?

Die EU-Kommission wird am 20. Juli einen Gasnotfallplan vorstellen. Durchgesickert ist bereits der Vorschlag einer Maximaltemperatur von 19 Grad in öffentlichen Gebäuden. Weiters sollen Unternehmen finanziell unterstützt werden, wenn sie auf Gasverbrauch verzichten. Nach EU-Recht seien zudem private Haushalte besonders geschützt. Im Fall einer Gasrationierung wären sie als letzte betroffen.

  • Auf welche Szenarien bereitet sich Österreich vor?

Die Versorgungssicherheit von Haushalten und systemrelevanten Betrieben wie Lebensmittelhersteller oder Krankenhäusern hat oberste Priorität. Sollte Russland die Erdgaslieferung vollständig einstellen, wird der Verbrauch in allen Sektoren reduziert. Im Notfall sind Unternehmen angewiesen, ihre Produktion zugunsten der Versorgungssicherheit von Haushalten einzustellen.

  • Darf der Staat auf das Gas in den Speichern zugreifen?

Wenn die Versorgungssicherheit von Haushalten und systemrelevanten Betrieben in Gefahr ist, kann der Staat mittels Verordnung und nach Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats auf das gesamte Gas, das in Österreich gespeichert ist, zugreifen. Das Energieministerium verweist aber auf die gegenseitige europäischen Abhängigkeit: "Während andere EU-Mitgliedsstaaten auf österreichische Speicher angewiesen sind, ist Österreich auf die Durchleitung von Erdgas im Fall eines russischen Lieferstopps angewiesen", heißt es. Ein koordiniertes Vorgehen in Europa sei daher von enormer Bedeutung.

  • Wem gehört das Gas in den österreichischen Speichern?

Es gibt mit OMV, RAG, Uniper, Astora und der Gazpromtocher GSA fünf Speicherbetreiber. Die insgesamt neun heimischen Gasspeicher können mit 95,5 Terawattstunden (TWh) Gas befüllt werden. Trotz Stillstands von Nord Stream 1 wird täglich eingespeichert. Bei Redaktionsschluss lag der Speicherstand bei 48,66 Prozent. Das war es aber schon mit der Transparenz. Welche Unternehmen einspeichern und wem das Gas daher gehört, ist unbekannt. Weder das Energieministerium, noch die Betreiber geben darüber Auskunft. Das sei Privatsache bzw. Betriebsgeheimnis. Bekannt wurde lediglich, dass die OMV für das kommende Jahr - 1. Oktober 2022 bis 30. September 2023 - Transportkapazitäten für nicht-russisches Erdgas im Ausmaß von 40 TWh buchte. Das entspricht rund 45 Prozent des gesamten heimischen Jahresverbrauchs.

  • Kann der Staat ausländische Unternehmen enteignen?

Über das Energielenkungsgesetz kann der Staat im Notfall auf das gesamte Gas, das in Österreich gespeichert ist, zugreifen. Das Gesetz sieht unter Paragraf 6a vor, dass für Vermögensnachteile, die aus einer Energielenkungsmaßnahme entstehen, eine finanzielle Entschädigung zu leisten ist.

  • Internet-Betrug: Auf was Verbraucher achten müssen

Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach Gas-Alternativen. Die Folge sind Engpässe etwa bei Brennholz und Photovoltaikanlagen. Wer sich nun online auf die Suche macht, sollte jedoch sehr vorsichtig sein, warnt die Informationsplattform Watchlist Internet. Demnach würden Kriminelle über Seiten, wie brennholz-und-pellets.com, solarnetz.at oder wald-brennholz.de ihr Glück versuchen. Auf den ersten Blick wirken viele dieser Shops recht professionell, sagt Projektleiter Thorsten Behrens. "Wer aber in diesen Shops bestellt und im Voraus bezahlt, ist das überwiesene Geld los. Die ersehnte Gas-Alternative wird niemals geliefert."