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Globale Währung oder Zockergeld?

Von Victoria Frühwirth

Wirtschaft

Kryptowährungen bleiben im Gespräch, obwohl die Kurse weiter massiv abstürzen.


Stehen wir an einem Wendepunkt für Kryptowährungen? Dieser Frage sind vier Krypto-Visionäre und Kritiker beim "Europäischen Forum Alpbach" nachgegangen. Sie diskutierten über digitale Entwicklungen, dezentralisiertes Finanzwesen und Kryptowährungen inmitten einer geopolitischen und humanitären Krise.

"Die Welt braucht eine neue Währung. Sie können Bitcoin hassen, aber es wird Ihnen nützen", ist Technologieunternehmer Jeff Booth der Meinung. Eine Befürworterin des Bitcoin ist auch Veronika Kütt, die im vergangenen Jahr an einem Projekt im Bereich Security Token Offering arbeitete und forschte. Sie sieht Potenzial in der Kryptowährung und sieht den Bitcoin vor allem als Wertaufbewahrungsmittel.

Seit November 2021 sinkt der Bitcoin-Kurs allerdings drastisch. Von einem Kurs von knapp 60.000 US-Dollar fiel er bis April auf etwa 46.000 US-Dollar. Bis Ende Juli crashte der Wert auf 21.000 US-Dollar. Erholt hat sich der Kurs noch nicht von seinem Absturz. Kütt sieht die Volatilität der Währung jedoch gelassen: "Wenn wir darüber sprechen, dass wir ein neues globales Geld entwickeln möchten, liegt es in der Natur des Prozesses, dass dieses Geld am Anfang in der Entwicklungsphase Schwankungen durchläuft."

Der deflationäre Charakter des Bitcoin sei nicht wegzudiskutieren, sagte Krypto-Analyst Timo Eden im "Tagesspiegel". Weil die Kryptowährung mit 21 Millionen Stück begrenzt ist, soll sie als rares Gut für Wertaufbewahrung genutzt werden. Kütt sieht es ähnlich und argumentiert, dass sich die Geldmenge in der EU in wenigen Jahren vervielfacht habe, da laufend neues Geld gedruckt werden könne.

"Eine inflationäre Geldpolitik begünstigt erhöhten Konsum und damit auch den Klimawandel", führt Beraterin Kütt aus und bezieht sich damit auf eine Aussage von Jeff Booth. Wenn Menschen fürchten, ihr Geld werde am nächsten Tag weniger wert sein, kaufen sie sofort Güter und konsumieren viel. Das Gegenteil von nachhaltigem Konsum.

Kryptischer Beigeschmack

In Wahrheit sind Kryptowährungen nicht ganz so lupenrein, wie viele das gerne hätten. Der Wert dieser Währungen hängt nämlich wie ein Sammlerexemplar davon ab, wie viele Menschen gerade daran interessiert sind. Außerdem sorgt die Mining-Industrie für Lieferengpässe bei Grafikkarten der Unterhaltungsindustrie. Und Kryptowährungen und deren Server verbrauchen eine enorme Menge an Strom und Energie.

Laut Statista werden aktuell etwa 125 Terawattstunden Strom pro Jahr für Bitcoin aufgewendet - das ist ein höherer Stromverbrauch als jener der gesamten Ukraine 2021.

Velina Tchakarova, Direktorin des Austria Instituts für Europa- und Sicherheitspolitik, versteht, wieso viele Menschen Kryptowährungen skeptisch sehen: "Viele fühlen sich unsicher, was das Terrain der Kryptowährungen betrifft. Da fehlt es an Vertrauen. Außerdem warten einige mit dem Kryptokauf, denn sie gehen davon aus, dass der Staat als Zentralregulator Stellung beziehen wird, ob er zukünftig auch Kryptowährungen reguliert."

Das größte Risiko sieht Tchakarova bei der enormen Volatilität und der Tatsache, dass viele Personen den eigentlichen Wert nur in den Spekulationsmöglichkeiten sehen.

Laut Tchakarova lässt sich ein neuer Trend in Richtung Central Bank Digital Currency (CBDC) herauskristallisieren, bei dem es um zentral gesteuerte Digitalwährungen mit Hilfe neuer Technologien geht: "Diesen Kampf gegen CBDC kann Bitcoin langfristig nicht gewinnen."