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Digital Yuan setzt auf Russland

Von Bernhard Seyringer

Wirtschaft
Vor einem Jahr hat Chinas Zentralbank den digitalen Yuan eingeführt. Sie schreibt und kontrolliert damit seine Algorithmen.
© reuters / FW1 / Uttaresh Venkateshwaran

Ein Jahr, nachdem China den digitalen Yuan eingeführt hat, ist dieser vor allem in "befreundeten Staaten" in Umlauf.


Zwei Wochen vor den Olympischen Spielen im Februar letzten Jahres waren alle Augen auf die Einführung von Chinas digitaler Währung gerichtet. Zu Recht, denn das Land hat im internationalen Vergleich, einen enormen Vorsprung in der Konzeption und Umsetzung einer zentralbankgestützten Digitalwährung (CBDC). Also einer Kryptowährung, deren Algorithmen von der Zentralbank geschrieben und kontrolliert werden. Und es ist die erste führende Volkswirtschaft, die ein solches Vorhaben in die Tat umgesetzt hat.

Obwohl die Anzahl der Anwender im Rahmen der Spiele überschaubar blieb, ergab sich durch die russische Invasion in die Ukraine Ende Februar, eine völlig andere geoökonomische Anwendung. Der wichtige strategischer Partner in Moskau war verzweifelt auf der Suche nach Alternativen zum dollarbasierten internationalen Zahlungsverkehr. Die Führung in Peking möchte diese Möglichkeit nützen und treibt seither eine Internationalisierung, zumindest unter befreundeten Staaten voran.

Noch nicht sehr populär

Kurz vor dem bevorstehenden Mond-Neujahrsfest am 22. Jänner wurde der App zur Verwendung von Chinas digitaler Währung eine Geschenkfunktion hinzugefügt: Freunden und der Familie kann man damit zum bevorstehenden Jahr des Hasen einige Digital Yuans (e-CNY) zum Geschenk machen. Der e-CNY will nicht so recht populär werden, daher arbeitet die Zentralbank in Peking, auch ein Jahr nach der offiziellen Einführung, noch intensiv an dessen Popularisierung am Heimmarkt.

In einer Pressekonferenz zum Ende des Jahres erklärte Xie Ping, der frühere Generaldirektor für Forschung der Zentralbank, dass der Umlauf des Digital Yuan noch unterhalb der Erwartungen liegt. Das klingt im ersten Moment überraschend, denn seit Einführung hat man nach den wirtschaftlichen Boomtowns an der Ostküste, die Verfügbarkeit des e-CNY auf 15 der 23 Provinzen ausgedehnt, und nach offiziellen Zahlen der Zentralbank sind bereits mehr als 220 Millionen e-CNY Konten ("Wallets") in Anwendung. Eine Verzehnfachung innerhalb eines Jahres. Unterschiedliche Marktforschungsunternehmen sprechen von circa 39 Millionen Apple-Store-Downloads und 180 Millionen Android-Downloads.

Aktuell ist der e-CNY für Bewohner von ungefähr zwei Dutzend Städten konkret anwendbar. Die Besorgnis über das Desinteresse am Heimmarkt lässt sich allerdings mit einem genaueren Blick auf diese "Wallets" erklären: Der durchschnittliche Kontostand liegt bei 3 Yuan, weniger als 50 Cent. Das heißt, das Interesse an der Aktivierung liegt ausschließlich an damit verbundenen Gutscheinen und kleinen Vergünstigungen. Nicht in der alltäglichen Anwendung.

Denn bei Mobile-Payment-Transaktionen, die bereits mehr als zwei Drittel der Bezahlvorgänge ausmachen, verlassen sich Chinas Konsumenten nach wie vor auf WeChat Pay und AliPay, die zusammen einen Marktanteil von konstant mehr als 90 Prozent haben. He Yifan, CEO von Red Date Technology, dem Entwickler des seit Mai 2020 bestehenden, staatlichen Blockchain Service Network, führte dazu in einem Interview an, dass das Problem mit der Verbreitung des e-CNY darin liegt, dass die Handhabung zu sehr einem weiteren Bankkonto und weniger den User-Gewohnheiten Digitaler Bezahlapps gleicht.

Heimmarkt nicht das Ziel

Der Zentralbank ist bewusst, dass die Lösung in der Integration mit WeChat Pay und AliPay liegt. Daher hat Mitte Dezember letzten Jahres, Alipay den e-CNY als Zahlungsmittel auf Alibabas E-Commerce Plattformen Taobao und Tmall sowie dem Essenslieferservice Ele.me und der Frischprodukteplattform Freshippo zugelassen. Ende Dezember wurde noch ein "Rotes Paket"-(hongbao-)
Feature hinzugefügt, um Pakte gefüllt mit Digital Yuans zum Mond-Neujahrsfest zu verschenken. Außerdem sollen im Rahmen der Asia Games im Herbst dieses Jahres, erneut Initiativen gesetzt werden, um den e-CNY populärer zu machen.

Die Führung in Peking scheint aktuell nicht primär an einer Verbreitung am Heimmarkt interessiert und aktuell nur beschränkt, nach einer Internationalisierung zu streben. Selbst bei den Olympischen Spielen haben, nach Angaben von Mu Changchun, Leiter des Forschungsbereichs für Digitalwährungen bei der Zentralbank, nur chinesische Besucher den e-CNY verwendet, während ausländische Besucher mit Visa oder Bargeld bezahlt haben.

Der e-CNY als Vehikel zur Steigerung des Anteils der Währung Yuan am internationalen Zahlungsverkehr hat sich bisher nur als wenig tauglich erwiesen. Obwohl sich das Yuan-Rubel-Handelsvolumen seit der russischen Invasion in der Ukraine um das Achtzigfache gesteigert hat, bleibt die Währung, verglichen mit der chinesischen Wirtschaftsleistung, im internationalen Zahlungsverkehr immer noch unbedeutend. Der Anteil ist zwar von weniger als 2 Prozent im Sommer 2020 auf aktuell 2,5 Prozent angestiegen, das ist allerdings bescheiden, im Vergleich zu den Anteilen des US-Dollar von 43 Prozent und des Euro von 35 Prozent.

Regionale Integration

Der letzte Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) im Herbst letzten Jahres in Samarkand hat deutlich gemacht, dass Peking die Staaten der SCO für die regionale Integration seiner Währung in Asien priorisiert. Die acht ständigen Mitglieder neben China sind Russland, Usbekistan, Kirgistan, Kasachstan, Tadschikistan, Indien, Pakistan und der Iran. Zweifellos kommt die Anbindung Teherans im Herbst 2022 einem deutlichen Bedeutungsanstieg der Organisation gleich. Außerdem wurden neben anderen Staaten auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als Dialogpartner in die Strukturen integriert.

Letztere sind bereits intensiv mit China verbunden: 60 Prozent des Handels mit dem Nahen Osten läuft über die Emirate und chinesische Unternehmen sind Top-Abnehmer für Öl und Gas. Außerdem sind die VAE Chinas Partner bei MBridge. Das ist ein multi-CBDC-Projekt, eine Zusammenarbeit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der Hong Kong Monetary Authority und der Zentralbanken aus Thailand, Chinas und den VAE, mit dem Ziel, auf einer gemeinsamen Blockchain-Infrastruktur die jeweils eigene CBDC zu steuern. Im Rahmen einer fünfwöchigen Testphase bei MBridge letzten Sommer wurden hauptsächlich Fallstudien simuliert, in denen chinesische Unternehmen Öl- und Gaseinkäufe in den VAE mit e-CNY bezahlen, denn MBridge bietet eine Alternative zu Swift.

Wenn China etwas aus den Folgen der russischen Invasion in der Ukraine gelernt hat, dann dass es im Falle der geplanten Invasion in Taiwan relativ unabhängig vom dollarbasierten internationalen Zahlungsverkehr sein muss.